Urteil des BGH vom 09.09.2009

BGH: rechtskräftiges urteil, vergütung, verminderung, rechtsgrundlage

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Xa ZB 2/09
vom
9. September 2009
in dem Rechtsstreit
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Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2009
durch die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Keukenschrijver, Asendorf, Dr. Berger
und Dr. Bacher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2009
wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 880,10 EUR
Gründe:
I. Die Parteien haben einen Rechtsstreit über Ansprüche aus einer Rah-
menvereinbarung über die Abwicklung des Geschäftsreiseaufkommens der
Klägerin zwischen den Parteien geführt. Die Klage ist durch rechtskräftiges Ur-
teil des Landgerichts auf Kosten der Klägerin abgewiesen worden. Bereits vor-
prozessual hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit der Klägerin
korrespondiert und die später rechtshängig gemachten Ansprüche für die Be-
klagte zurückgewiesen. Auf Antrag der Beklagten hat das Landgericht gegen
die Klägerin eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-Terminsgebühr
(Nr. 3100, 3104 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz)
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festgesetzt. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen
den vollen Ansatz einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr.
Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren
weiter.
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II. Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die nach Nr. 3100 des Vergü-
tungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Anlage
1 zum
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz; nachfolgend: VV RVG) entstandene 1,3-fache
Verfahrensgebühr sei in voller Höhe angefallen, denn eine - grundsätzlich ge-
mäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr anrechenba-
re - 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 bis 2303 VV RVG sei wegen
der zwischen der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten getroffenen
Vergütungsvereinbarung nicht entstanden. Die Vergütung, die der Prozessbe-
vollmächtigte der Beklagten für seine vorgerichtliche Tätigkeit beanspruchen
könne, finde ihre Rechtsgrundlage in dieser Vergütungsvereinbarung und nicht
in den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, weswegen eine
Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nicht stattfinde.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand. Gemäß Vorbemerkung 3
Abs. 4 VV RVG tritt eine hälftige Verminderung der 1,3-Verfahrensgebühr ein,
wenn wegen des verfahrensgegenständlichen Streits eine Geschäftsgebühr
nach den Nr. 2300 bis 2303 VV RVG entstanden ist (BGH, Beschl. v. 22.1.2008
- VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, m.w.N.; Beschl. v. 14.8.2008 - I ZB 103/07,
RVGreport 2008, 436; Beschl. v. 30.4.2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095,
m.w.N.).
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Eine - anrechenbare - Geschäftsgebühr entsteht nicht, wenn die obsie-
gende Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tä-
tigkeit eine nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zulässige Vergütungs-
vereinbarung getroffen hat. Die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3
Abs. 4 VV RVG erfasst nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsge-
bühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 VV RVG und ist damit auf
eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht
anwendbar; es verbleibt mithin bei dem Ansatz der vollen Verfahrensgebühr (so
auch OLG Frankfurt am Main AnwBl. 2009, 310; OLG Stuttgart AGS 2009, 214
unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; OLG Celle, Beschl. v.
26.8.2009 - 2 W 240/09).
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Die Rechtsbeschwerde hält demgegenüber eine entsprechende Anwen-
dung der gesetzlichen Anrechungsmöglichkeit auf eine Vergütungsvereinba-
rung für geboten, weil die unterlegene Partei bei dieser Regelung mehr als die
gesetzlichen Gebühren erstatten müsse. Gegen sie werde die volle Verfah-
rensgebühr festgesetzt, obwohl sie nach dem für die Kostenfestsetzung maß-
geblichen gesetzlichen Gebührenrecht nur die halbe Verfahrensgebühr zu er-
statten habe. Sie lässt dabei unberücksichtigt, dass § 91 ZPO nicht regelt, wel-
che (gerichtlichen und) außergerichtlichen Kosten anfallen, sondern nur, wem
die Kosten aufzuerlegen sind. Welches die gesetzlichen Gebühren des Rechts-
anwalts der obsiegenden Partei im Sinn des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind, die
als im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig anzusehen
sind, ergibt sich für den Rechtsanwalt aus dem Rechtsanwaltsvergütungsge-
setz (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 91 Rdn. 41).
Ist eine Vergütungsvereinbarung für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechts-
anwalts getroffen worden, entsteht nicht die für diese Tätigkeit gesetzlich vor-
gesehene Geschäftsgebühr, sondern der Vergütungsanspruch des Rechtsan-
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walts beruht auf dieser vertraglichen Vereinbarung. Wenn auch die Vergü-
tungsvereinbarung für außergerichtliche Tätigkeit in der Praxis an die Stelle der
gesetzlich vorgesehenen Geschäftsgebühr tritt, rechtfertigt dies nicht, die ver-
einbarte Vergütung entgegen dem klaren Wortlaut der Bestimmung nach Vor-
bemerkung 3 Abs. 4 VV RVG gebührenrechtlich wie eine Geschäftsgebühr zu
behandeln und in die Anrechnungsmöglichkeit einzubeziehen. Der Umstand,
dass das für die außergerichtliche Tätigkeit vereinbarte Honorar wie die Ge-
schäftsgebühr nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits gehört,
gleichwohl aber letztere vom Gesetzgeber als verfahrensgebührenmindernd
angesehen worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Im Rahmen der pro-
zessualen Kostenerstattung kann umso weniger etwas anderes gelten, als der
Gesetzgeber durch § 15a Abs. 2 RVG die Berufung eines Dritten auf eine ge-
bührenrechtlich vorgesehene Anrechung mit Wirkung zum 5. August 2009 oh-
nehin grundsätzlich ausgeschlossen hat. Daher kann dahinstehen, ob § 15a
RVG rückwirkend auch auf Altfälle (so OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.8.2009 -
8 W 339/09; Hansens, RVGreport 2009, 306) oder nur auf nach dem Inkrafttre-
ten dieser Regelung erteilte Aufträge zur Erledigung derselben Angelegenheit
im Sinne des § 15 RVG anzuwenden ist (so OLG Frankfurt, Beschl. v.
10.8.2009 - 12 W 91/09; KG, Beschl. v. 13.8.2009 - 2 W 128/09; OLG Celle,
Beschl. v. 26.8.2009 - 2 W 240/09).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Meier-Beck
Keukenschrijver
Asendorf
Berger
Bacher
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 28.11.2007 - 3/2 O 17/07 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 30.01.2009 - 18 W 361/08 -