Urteil des BGH vom 17.12.2009

BGH (rechtliches gehör, zpo, gesetz, forderung, anlass, prüfung, gutachter, objektiv, willkür, gutachten)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 2/10
vom
23. September 2010
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 23. September 2010
beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhil-
fe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss
der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. Dezember
2009 - 6 T 88/09 - wird abgelehnt.
Gründe:
Es ist nicht erkennbar, dass die Unterlassung der beabsichtigten Rechts-
verfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Satz 1 Nr. 2
ZPO).
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Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat auch keine hinreichende Aus-
sicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO). Gründe, die eine Rechtsbeschwerde zuläs-
sig machen würden (§ 574 Abs. 2 ZPO), werden von der Schuldnerin nicht dar-
gelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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1. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Fall nicht auf. Dies gilt
insbesondere im Zusammenhang mit der von der Schuldnerin angesprochenen
Pflicht des Insolvenzgerichts, von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die
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für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das
Insolvenzgericht muss die gebotenen Ermittlungen nicht ausnahmslos selbst
durchführen. Es kann seiner Pflicht auch dadurch nachkommen, dass es einen
Sachverständigen einschaltet. Dies ergibt sich aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 1
Satz 2 InsO).
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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a) Dass das Beschwerdegericht das Gutachten vom 4. November 2009
nicht wegen Befangenheit der Sachverständigen für unverwertbar gehalten hat,
lässt keinen - geschweige denn einen zulässigkeitsrelevanten - Rechtsfehler
erkennen. Ein im Eröffnungsverfahren bestellter Gutachter kann - gleichviel ob
er zugleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt ist - nicht abgelehnt wer-
den (BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - IX ZB 240/05, NZI 2007, 284, 285;
MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4 Rn. 42). Entsprechendes Vorbringen
kann vom Insolvenzgericht nur zum Anlass genommen werden, die Überzeu-
gungskraft des erstatteten Gutachtens einer verschärften Prüfung zu unterwer-
fen. Das ist hier geschehen.
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b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht gefordert, dass Einwendungen
der Schuldnerin gegen die vom Insolvenzgericht getroffenen Feststellungen
substantiiert dargelegt werden müssen. Soweit substantiierter Vortrag erfolgte,
hat sich das Beschwerdegericht mit ihm ausreichend auseinandergesetzt. Ab-
weichungen von der Rechtsprechung des Senats oder Verstöße gegen das
Gesetz sind insoweit nicht erkennbar.
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c) Das Beschwerdegericht ist entgegen der Ansicht der Schuldnerin nicht
von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, nach der die Forderung eines
Gläubigers nicht nur glaubhaft gemacht, sondern bewiesen sein muss, wenn
der Insolvenzgrund allein aus dieser Forderung hergeleitet wird (etwa BGH,
Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 Rn. 11). Diese Recht-
sprechung ist hier nicht einschlägig, weil das Beschwerdegericht die Zahlungs-
unfähigkeit der Schuldnerin mit Forderungen anderer Gläubiger begründet hat.
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d) Auch Verfahrensgrundrechte der Schuldnerin sind nicht verletzt. Dies
gilt zunächst für ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Zum Eröffnungsantrag der Beteiligten zu 1 wurde die Schuldnerin angehört.
Zum Sachverständigengutachten konnte sie sich im Beschwerdeverfahren äu-
ßern. Auch der Anspruch der Schuldnerin auf ein objektiv willkürfreies Verfah-
ren (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Entgegen ihrer Ansicht liegt darin, dass
das Beschwerdegericht die von der Sachverständigen angeblich ohne ausrei-
chende Grundlage gestellte negative Fortführungsprognose übernommen hat,
keine Willkür. Im Übrigen betrifft die Fortführungsprognose nur den Eröffnungs-
grund der Überschuldung. Auf diesen kommt es letztlich nicht an, weil das Be-
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schwerdegericht ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler auch den Eröff-
nungsgrund der Zahlungsunfähigkeit bejaht hat.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein
Grupp
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 06.11.2009 - 907 IN 560/09 - 0 -
LG Hannover, Entscheidung vom 17.12.2009 - 6 T 88/09 -