Urteil des BGH vom 08.01.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 88/99
Verkündet am:
8. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ: ja
GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b, 64 Abs. 2
a) Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalerset-
zender Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abge-
geben worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivie-
ren.
b) Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i.S.v. § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Ge-
schäftsführers, sondern insbesondere auch der Zweck des § 64 Abs. 2
GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine be-
vorzugte Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.
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c) Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG
zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von
BGHZ 143, 184). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenan-
spruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begün-
stigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Er-
stattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa be-
stehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an
den Geschäftsführer abzutreten.
BGH, Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
- 3 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Mün-
ke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 6. Zivil-
senats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1999
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und
zuletzt mit einem Stammkapital von 750.000,-- DM ausgestatteten S. und
B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der
Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren
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ursprünglich die Beklagten zu 1 und zu 2. Unter dem 25. Oktober 1993 hat der
Beklagte zu 1 sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Ge-
schäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2, übertragen. Die Produkti-
onsanlagen standen im wesentlichen im Eigentum der S. und B.
Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3, die die Maschinen und Betriebs-
vorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung
zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend
aus dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück
aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.
Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr
erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd
1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis ei-
nes nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85.702,-- DM in der
Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war
der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November
1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen
i.H.v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrück-
trittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe
des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Perso-
nalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungs-
zahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der
zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernah-
me des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens
Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten
Antrag des Beklagten zu 2 hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren
über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursver-
walter bestellt worden.
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Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unter-
schiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge
gefordert. Nachdem das Landgericht nach § 145 ZPO verfahren ist, geht es im
vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119.254,-- DM,
den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:
Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des
Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers be-
stand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 eine seit 1981
praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an
die Beklagte zu 3 als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die
ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organ-
schaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin er-
zielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3 als Organträgerin die vorgeschriebe-
nen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprache-
gemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet
wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2 für die Gemein-
schuldnerin einen Scheck über 119.254,-- DM aus und reichte ihn bei dem Fi-
nanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat
Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 ein-
gelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2
nicht nur auf § 64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn
selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte
zu 3 ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das
Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit
worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen
die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber
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der Beklagten zu 3 lediglich i.H.v. 3.500,-- DM nebst Zinsen, gegenüber dem
Beklagten zu 2 aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich
die Revision des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter), der die Wiederher-
stellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß der Beklagte am
20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag
gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat,
die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, daß die Gemeinschuld-
nerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beur-
teilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der
Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen
und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des
Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröff-
nen.
2. Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Beurteilung nicht in
allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne daß sich allerdings deswegen die Be-
urteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember
1993 überschuldet gewesen, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen
im Ergebnis als unzutreffend erweist.
a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet,
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daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146;
Urt. v. 12. Juli 1999 - II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt Urt. v. 18. Dezember
2000 - II ZR 191/99 z.V.b.) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf
der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem
Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden
kann, sondern daß es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschul-
dungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren
aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.
b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch
bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen
Grundbesitz ist und ihre Produkte im wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder
gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn
auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen ver-
fügen, das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfaßt worden ist,
also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch
von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern
darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Sen.Urt. v. 2. Juni 1997
- II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648) als richtig unterstellt, daß der Verkehrswert der
mit einem Buchwert von gut 490.000,-- DM erfaßten Gegenstände des Anlage-
vermögens um mindestens 650.000,-- DM höher anzusetzen ist.
c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten
das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren
zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend
beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Über-
schuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von
Anfang Dezember mindestens 622.053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht
- allerdings nicht rechtsfehlerfrei - schon für den 31. Januar 1993 als beste-
- 8 -
hend angenommen hat.
aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, daß sich bei
der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte aus-
weisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß
des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behan-
delten stillen Reserven hinaus mindern würden.
bb) Das Maß der Überschuldung ist - anders als die Revision meint -
auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei
seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993
von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die
Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als
Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung ver-
sehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrens-
weise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfaßt werden, so daß die An-
nahme, es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Über-
schuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen
Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an
Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschaf-
terdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im
Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit ei-
nem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten
ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3
durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden
von knapp 691.000,-- DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf
die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht ge-
klärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere
Verluste von mehr als 900.000,-- DM erwirtschaftet hat, kommt es danach
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ebenso wenig an, wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in
Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.
(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden
Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen
sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter
der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beant-
wortet worden (vgl. nur Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 253 ff.; Fleck, FS
Döllerer S. 109, 122 ff.; Kleindiek in v.Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Ka-
pitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64
Rdnr. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64
Rdnr. 18 je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der
Geltung der
InsO Altmeppen,ZHR 164 [2000], 349 ff.; Rowedder, GmbHG 3. Aufl. § 63
Rdnr. 14; GK-AktG/Habersack, 4. Aufl. § 92 Rdnr. 57; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 92
Rdnr. 11; Lutter, ZIP 1999, 641 ff.; Pape in KüblerPrütting, InsO § 19 Rdnr. 14;
HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rdnr. 26; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 18;
Hess InsO § 19 Rdnr. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffas-
sung, die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit
dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermö-
gen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da
in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenka-
pital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forde-
rungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa
HachenburgUlmer, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdnr. 46 a; LutterHommelhoff,
GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 c; BaumbachHueckSchulzeOsterloh aaO
§ 64 Rdnr. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung
fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, FS Claussen
S. 307, 314 f.; ferner OLG München, NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. von Wolf,
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DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem
Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinter-
esses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters, es belastet in
Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen
(§ 64 GmbHG) und strafrechtlichen (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm
abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitaler-
setzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags
Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit
nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu
sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu,
grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf
der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa
ScholzKSchmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a/32 b Rdnr. 63; ders GmbHR 1999,
9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanie-
rung und Insolvenz 2. Aufl. Rdnr. 610; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Fn. 77;
Fastrich, FS Zöllner S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 615, 617).
(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbela-
stungs- und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282) wird allerdings allgemein ange-
nommen, daß sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen
mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann
nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also
sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach
der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung
der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähran-
sprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als
handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital
(mißverständlich Uhlenbruck aaO Rdnr. 613). Stellt sich der Gesellschafter in
dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital
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umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine
Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendig-
keit, diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen.
Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere
eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115
reSp) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden - den allerdings nicht nahelie-
genden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liqui-
dationsüberschusses unterstellt - ausschließlich die Mitgesellschafter begün-
stigt, während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die be-
schriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem
Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getra-
gen worden ist (vgl. in diesem Sinn z.B. Kleindiek aaO S. 209 f. m.w.N.; Uhlen-
bruck aaO Rdnr. 612 f. m.w.N.; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Rdnr. 58 f.;
Hüffer aaO § 92 Rdnr. 11).
(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebe-
nen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Über-
schuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für er-
forderlich, die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch
die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten
Krise nicht bedient werden dürfen.
Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten
Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 m.w.N.) ihren Charakter als
Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlö-
schen, werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenka-
pital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten
Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Recht-
sprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln
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(§§ 32 a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, daß der Gesellschafter wäh-
rend der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchset-
zen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus
seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft - und
zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153) - zu verfolgen. Im
Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz
der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann
deswegen - sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft
ein zu verteilender Betrag verbleibt - die bis dahin in der Durchsetzung ge-
hemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter
bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach
dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen
Insolvenzrecht nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt
worden.
Bereits dieser Umstand, daß auch die zeitweise nicht durchsetzbaren,
weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen
ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für
ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, daß das von den
sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen be-
sonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa
LutterHommelhoff aaO § 64 Rdnr. 17 a und 17 b) gegenüber dem Interesse
der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage
getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient.
Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, daß es für
die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus ei-
genkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die
Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand,
durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich
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zu machen, daß sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als
Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine
zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Ent-
scheidung, ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag
stellen muß. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit
ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Ge-
schäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Ge-
sellschafter klarstellt, daß er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außen-
stehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen
und verstärken und dadurch erreichen will, daß die Gesellschaft die Chance
der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er
der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teil-
betrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und läßt es
damit zu, daß die GmbH in die Insolvenz geführt wird.
Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den - trotz ei-
ner ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor
bestehenden (K.Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a.A. HachenburgUlmeraaO §
63 Rdnr. 46 a; BaumbachHueckSchulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18;
Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 262 f.; Fleischer,ZIP 1996, 773, 776) - Un-
wägbarkeiten, ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln
unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer
Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschaf-
ters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Äußerung nicht
erhält.
(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992
mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungssta-
tus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrück-
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trittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die
"stehen gelassenen" Mietschulden in Höhe von rund 691.000,-- DM passiviert
werden mußten, hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage der bisherigen
Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs.
ergänzt werden können - im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer
Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.
II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119.254,-- DM
durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin
hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kauf-
manns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§ 64 Abs. 2 Satz 2
GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das
Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will,
daß er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.
1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG be-
schriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermö-
gen leistet, wird allerdings vermutet, daß er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit
der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt
hat (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184 f. [unter II 1. b]; Urt. v. 1. März 1993
- II ZR 81/94 [früher: 61/92], ZIP 1994, 841; Urt. v. 11. September 2000
- II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 f.). Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er
diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die von ihm in der In-
solvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-
schäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich
nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers,
der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an
dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die vertei-
lungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der
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Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende,
bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143 aaO;
Urt. v. 11. September 2000 aaO). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in
der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder so-
weit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet wer-
den (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdnr. 42; Baum-
bach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 73), kann deswegen das Ver-
schulden nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein.
Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Lei-
stung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt
des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Mai
2000 - VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339), zu entziehen, kein im Rahmen des § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müßte in einem solchen
- hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Pflichtenkollision das deliktische
Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer - gemessen am
Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger die-
nenden Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält.
2. Daß die von dem Beklagten veranlaßte Umsatzsteuervorauszahlung
für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Ver-
stoß gegen die Masseerhaltungspflicht des § 64 Abs. 2 GmbHG einzustufen
ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.
a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der
Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 trotz der jahrelangen gegenteiligen
Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlich-
keit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in
derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen,
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würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraus-
setzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u.a. von der
nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor
der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesell-
schaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.
Sollte sich erweisen, daß es durch die Leistung des Beklagten zu einer
Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des § 64
Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befrie-
digung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung
begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haf-
tungsschuldner nach § 69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war
er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt.
Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Um-
satzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu
erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO 7. Aufl.
§ 69 Rdnr. 38 m.w.N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenz-
situation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach § 69 AO
belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgaben-
recht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Ge-
sellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v.
2. März 1993 - VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994,
805, 808 f.; Klein/Rüsken aaO § 69 Rdnr. 39 m.w.N.; Boeker in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 69 Rdnr. 14, 45).
b) Falls dagegen - wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen
Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben - zwi-
schen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche
Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht
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durchdringen, er habe den in § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten
Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, son-
dern allein die Beklagte zu 3 als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen.
Durch die - den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende - Zahlung
der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuer-
schuld der Beklagten zu 3 beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der
GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von
dem Beklagten veranlaßten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für
den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider
die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen
Gesellschaftsgläubigern - das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld
unterstellt - masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, daß der Beklagte in der
geschehenen Weise handeln mußte, um einer Inanspruchnahme der Gemein-
schuldnerin nach § 73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3 als Organträge-
rin außerstande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts
her, abgesehen davon, daß die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als
Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§ 191
AO, vgl. dazu Boeker aaO § 73 Rdnr. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig
ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht
darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach § 69 AO
gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Til-
gung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger
gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müßte.
c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Or-
ganschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.
Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3
und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche
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Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker aaO § 73 Rdnr. 12; Klein/Rüsken
aaO § 73 Rdnr. 5), daß das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztä-
tigkeit der Organgesellschaft "besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf ange-
paßt und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zuge-
schnitten ist". Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981
von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf
demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände
betrieben worden war, läßt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Be-
rufungsgerichts nicht ausschließen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. Januar 1999 - V R 32/98,
DStR 1999, 497 f.) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfah-
ren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausge-
schlossen werden, daß es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft er-
forderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unter-
ordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin
fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann an-
genommen, wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in
beiden Gesellschaften sichergestellt ist, daß "eine vom Willen des Organträ-
gers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet".
III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Be-
rufungsgericht - ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die Gele-
genheit, die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehand-
lung weist der Senat auf folgendes hin:
1. § 64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat,
keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art
(Sen.Urt. v. 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; vgl. auch BGHZ
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143, 184 ff. = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das
Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur
ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger
zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsfüh-
rer, der dem Verbot des § 64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen
erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Be-
träge (BGHZ 131, 325 ff.) verweisen oder den Erstattungsanspruch im voraus
um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den
der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a.A.
Roth/Altmeppen aaO § 64 Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO
§ 64 Rdnr. 76) oder - wie der Beklagte meint - sich gar mit einer bloßen Sicher-
stellung bis zum Abschluß des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann
der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, daß der Geschäftsführer
den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereiche-
rung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an
die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei
deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag,
den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten
hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ
143, 184 ff. = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte,
wird hieran nicht festgehalten.
2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, daß hin-
sichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszah-
lung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte
von dem Kläger in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ggfs. Abtretung
dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatz-
anspruchs verlangen.
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Falls die Beklagte zu 3 dagegen bereits jene 119.254,-- DM vom Fi-
nanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie
- gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder
nicht - einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in glei-
cher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.
3. Die hilfsweise - auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatz-
steuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten
zu 3 vor - erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3 zustehenden Er-
stattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteu-
errückzahlungen von zusammen 101.372,30 DM für die Monate November und
Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, daß die Be-
klagte zu 3 überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet
hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3 habe ihren etwai-
gen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und
dieser
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habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die
Aufrechnung bereits an § 55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des
Verfahrens nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während
der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3 berühmt, erst
nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.
Röhricht
Henze
Goette
Kurzwelly
Münke