Urteil des BGH vom 12.10.2006

BGH (globalzession, zpo, 1995, eigentumsvorbehalt, darlehensvertrag, halle, handelsgesellschaft, wert, bestand, begründung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 105/03
vom
12. Oktober 2006
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Detlev Fischer
am 12. Oktober 2006
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom
26. Februar 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
1.029.747,84 € festgesetzt.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO); sie ist jedoch
unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und
weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2
Satz 1 ZPO).
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1. Der geltend gemachte Verfahrensgrundrechtsverstoß im Zusammen-
hang mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zahlungseinstellung liegt
nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine Feststellungen auf die im Eigenantrag
vom 18. November 1998 genannten Daten gestützt, insbesondere auf die von
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der Beklagten nicht in Abrede gestellten "überfälligen" Lieferantenverbindlich-
keiten in Höhe von 2 Mio. DM.
2. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde für grundsätzlich angesehe-
ne Frage, ob für das Merkmal des "Bekanntseinmüssens" in § 10 Abs. 1 Nr. 4
GesO einfache Fahrlässigkeit genügen kann, ist nicht klärungsbedürftig. Es
entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass insoweit
einfache (leichte) Fahrlässigkeit ausreicht (Urt. v. 13. April 2000 - IX ZR 144/99,
ZIP 2000, 1016, 1017; Urt. v. 19. Juli 2001 - IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641,
1642), wovon auch zutreffend das Berufungsgericht ausgegangen ist.
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3. Der im Zusammenhang mit den Ausführungen des Berufungsgerichts
zur Frage des "Bekanntseinmüssens" im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO
geltend gemachte Verfahrensgrundrechtsverstoß liegt nicht vor. Das von der
Nichtzulassungsbeschwerde angeführte Vorbringen war nicht entscheidungser-
heblich. Das Berufungsgericht konnte davon ausgehen, dass der Geschäftsfüh-
rer der Beklagten als Prokurist der späteren Schuldnerin deren finanzielle Ver-
hältnisse kannte, zumindest kennen musste.
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4. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde kommt eine
einheitliche Betrachtungsweise hinsichtlich der in Rede stehenden Rechtshand-
lungen im Zusammenhang mit der Frage der Gläubigerbenachteiligung vorlie-
gend nicht in Betracht. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs, dass mehrere Rechtshandlungen selbst dann anfechtungsrecht-
lich selbständig zu behandeln sind, wenn sie gleichzeitig vorgenommen wurden
oder sich wirtschaftlich ergänzen (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 - IX ZR
115/99, ZIP 2002, 489, 490; Urt. v. 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003,
2370, 2371; Urt. v. 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1523). Die von
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der Nichtzulassungsbeschwerde aufgezeigten Umstände rechtfertigen ein Ab-
weichen von dieser Rechtsprechung nicht.
5. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in Rede
stehende Globalzession gemäß § 138 BGB unwirksam ist. Die in Betracht
kommenden Grundsätze zur Unwirksamkeit einer Globalzession bei fehlender
dinglicher Teilverzichtsklausel sind nach ständiger Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs nicht nur auf Kreditinstitute, sondern auch auf andere Vertrags-
partner wie Warenlieferanten anwendbar (BGH, Urt. v. 7. März 1974 - VII ZR
148/73, NJW 1974, 942; Urt. v. 16. März 1995 - IX ZR 72/94, ZIP 1995, 630,
632; Urt. v. 21. April 1999 - VIII ZR 128/98, ZIP 1999, 997). Umstände, weshalb
auf die Beklagte als Handelsgesellschaft diese Rechtsprechungsgrundsätze
nicht anwendbar sein sollten, sind nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht der
Nichtzulassungsbeschwerde enthielt der Darlehensvertrag keine schuldrechtli-
che Teilverzichtsklausel zugunsten des Eigentumsvorbehalts von Lieferanten,
wie sie in BGHZ 72, 308, 309 ff. erörtert ist. § 3 Nr. 2 betrifft ausschließlich eine
Freigabeverpflichtung ab einem bestimmten Wert der abgetretenen Forderun-
gen.
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6. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde bestand für die
Beklagte auch in subjektiver Hinsicht Anlass, von einem Konflikt zwischen Glo-
balzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt auszugehen. Allein aus ihrem
Vorbringen, ihr sei mitgeteilt worden, zu mehr als 50 % sei die Schuldnerin in
der Lohnfertigung tätig, hätte sie hinsichtlich des übrigen, nicht unwesentlichen
Tätigkeitsbereichs von einer Warenherstellung ausgehen müssen. Dass inso-
weit eine Lieferung unter verlängertem Eigentumsvorbehalt in Betracht kommt,
entspricht handelsüblichen Gepflogenheiten, die insoweit auch vom Zeugen
K. bestätigt wurden. Der geltend gemachte Verfahrensgrundrechtsverstoß
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liegt nicht vor. Auch die übrigen geltend gemachten Verfahrensverstöße beste-
hen nicht.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2
ZPO abgesehen.
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Dr. Gero Fischer
Dr. Ganter
Vill
Lohmann
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 18.10.2002 - 7 O 514/00 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 26.02.2003 - 5 U 118/02 -