Urteil des BGH vom 08.03.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 470/99
Verkündet am:
8. März 2001
Seelinger-Schardt
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 271, 285
a) Der Unternehmer hat mit der Herstellung eines vertraglich geschulde-
ten Bauwerkes im Zweifel alsbald nach Vertragsschluß zu beginnen
und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen.
b) Fordert der Besteller Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so muß
der Unternehmer darlegen und beweisen, daß ihn an der nicht recht-
zeitigen Fertigstellung des Bauwerkes kein Verschulden trifft.
BGH, Urteil vom 8. März 2001- VII ZR 470/99 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kniffka und Wendt
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesge-
richts Karlsruhe, 9. Zivilsenat in Freiburg, vom 24. September
1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichter-
füllung.
Die Parteien schlossen am 16./28. Februar 1996 einen Kaufvertrag über
eine noch zu errichtende Eigentumswohnung im Wohnpark B. in V.-S. Der
Vertrag enthält keinen bestimmten Termin für die Fertigstellung. In den Allge-
meinen Verkaufbestimmungen (künftig: AVB) der Beklagten, die Vertragsge-
genstand sind, ist in § 2 Abs. 1 bestimmt, daß der Verkäufer sich verpflichtet,
das Bauvorhaben unverzüglich zu erstellen. In einem dem Kläger vor Vertrags-
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schluß von der mit dem Vertrieb beauftragten C.-GmbH übergebenen Prospekt
war als geplanter Fertigstellungstermin der 31. Dezember 1996 genannt.
Anfang November 1996 teilte die den Kaufpreis finanzierende Bank dem
Kläger mit, daß sie die erste Rate, die nach Beginn der Erdarbeiten fällig war,
der Beklagten überwiesen habe. Nach Fertigstellung des Rohbaus zahlte sie
Anfang März 1996 die zweite Rate. Am 3. April 1997 setzte der Kläger der Be-
klagten zur Fertigstellung der Wohnung eine "Nachfrist" bis zum 23. April 1997
mit Ablehnungsandrohung. Auf das Schreiben der Beklagten vom 14. April
1997, mit dem sie die voraussichtliche Fertigstellung des Gebäudes zum 1. Juli
1997 ankündigte und für den Fall eines dringenden Bedarfs um Mitteilung bat,
um die Wohnung möglicherweise vorher fertigzustellen, forderte der Kläger im
Mai 1997 Schadensersatz.
Der Kläger hat von der Beklagten Zahlung von 6.510,68 DM sowie Frei-
stellung von einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 143.221 DM begehrt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten
ist die Klage abgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klä-
gers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Scha-
densersatz wegen Nichterfüllung gemäß §§ 636, 326 BGB mit der Begründung,
die Beklagte sei zum Zeitpunkt der Nachfristsetzung nicht im Verzug gewesen.
Der Kläger hätte vortragen müssen, die Beklagte habe die Herstellung gemäß
§ 2 Abs. 1 AVB schuldhaft verzögert. Daran fehle es. Der Kläger habe vielmehr
die Überweisungen seiner Bank vom 6. November 1996 und vom 11. März
1997 ohne Beanstandung zur Kenntnis genommen. Wäre er tatsächlich von
einer Verpflichtung der Beklagten zur Fertigstellung Ende Dezember 1996
ausgegangen, hätte er bei Beginn der Erdarbeiten um den 6. November 1996
sofort remonstrieren und die entsprechenden Maßnahmen treffen müssen.
Dies belege, daß auch der Kläger nicht von einem verbindlichen Fertigstel-
lungstermin ausgegangen sei.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Leistung der Be-
klagten war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts spätestens Ende
Februar 1997 fällig. Die Frage, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Nachfristset-
zung bereits im Verzug gewesen war, ist rechtlich ohne Bedeutung.
1. Stellt ein Unternehmer ein vertraglich geschuldetes Werk nicht recht-
zeitig her, so kann der Besteller im Falle des Verzugs des Unternehmers die
Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB geltend machen. An einer rechtzeitigen Herstel-
lung fehlt es, wenn die für die Ablieferung bestimmte Frist überschritten und
damit Fälligkeit eingetreten ist. Diese Frist kann sich aus der Parteivereinba-
rung oder aus den Umständen ergeben (§ 271 Abs. 1 BGB). Dazu sind der
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Wortlaut des Vertrages und die Umstände des Einzelfalls, namentlich die der
Gegenseite erkennbare wirtschaftliche Bedeutung an der Einhaltung einer
Frist, zu würdigen (Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb. (2000) § 636 Rdn. 4).
Im Zweifel hat der Unternehmer nach Vertragsschluß mit der Herstellung als-
bald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen
(BGB-RGRK/Glanzmann, 12. Aufl. § 636 Rdn. 1). Dabei ist die für die Herstel-
lung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen. Mit Ablauf der angemessenen
Fertigstellungsfrist tritt Fälligkeit ein. Alsdann kann eine mit der Ablehnungsan-
drohung verbundene Nachfristsetzung zugleich mit der Mahnung ausgespro-
chen werden (BGH, Urteile vom 10. Januar 1990 - VIII ZR 337/88,
NJW-RR 1990, 442, 444; Urteil vom 17. Dezember 1996 - X ZR 74/95,
NJW-RR 97, 622, 624).
2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beach-
tet.
a) Die Parteien haben im Vertrag vom 16./28. Februar 1996 keine aus-
drückliche Frist für die Fertigstellung der Wohnung vereinbart. Die Beklagte hat
sich jedoch in § 2 Abs. 1 AVB zur unverzüglichen Herstellung verpflichtet. Da-
nach hatte die Beklagte alsbald nach Vertragsschluß ohne schuldhaftes Zö-
gern mit dem Bau zu beginnen und ihn in angemessener Zeit zügig fertigzu-
stellen. Für dieses Verständnis sprechen auch die ihr erkennbaren Umstände.
Die Wohnungen sollten als Kapitalanlage errichtet werden. Die potentiellen
Erwerber waren spätestens bei Vertragsschluß auf die Vorgabe eines mög-
lichst konkreten Zeitrahmens für die Fertigstellung angewiesen, um ihre Finan-
zierung danach ausrichten zu können. Nach dem bei Vertragsschluß gültigen
Prospekt war zudem ein Fertigstellungstermin zum 31. Dezember 1996 in Aus-
sicht genommen. Diesen Termin hätte die Beklagte, die für den Bau der Woh-
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nung etwa acht Monate (Anfang November 1996 bis Anfang Juli 1997) benö-
tigte, nach Vertragsschluß bei zügiger Ausführung unschwer einhalten können.
Ob der Beklagten nach den Umständen noch eine weitere Frist bis Ende Fe-
bruar 1997 zur Verfügung stand, wie das Landgericht meint, kann offenbleiben,
da die Wohnung auch zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt war.
b) Zu Unrecht legt das Berufungsgericht dem Kläger die Darlegungslast
für eine schuldhafte Verzögerung seitens der Beklagten auf (§ 285 BGB; BGH,
Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 73/98, BauR 1999, 645, 647 = ZfBR 1999,
188).
Daß der Kläger die Zahlung der ersten und der zweiten Rate seiner
Bank ohne Beanstandung zur Kenntnis genommen hat, ist, entgegen der Auf-
fassung des Berufungsgerichts, unerheblich. Dieser Umstand läßt weder auf
ein fehlendes Verschulden der Beklagten an dem verzögerten Baubeginn
schließen noch die spätere Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung als treu-
widrig erscheinen. Ein Einverständnis des Klägers mit dem verspäteten Bau-
beginn stellt das Berufungsgericht nicht fest; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die
Erfüllung des Vertrages nach dem 23. April 1997 abgelehnt. Er war aus
Rechtsgründen nicht gehindert, in seinem Schreiben vom 3. April 1997 die
Mahnung mit der Nachfristsetzung und der Ablehnungsandrohung zu verbin-
den.
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III.
Das angefochtene Urteil kann danach nicht bestehenbleiben; es ist auf-
zuheben. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht der
Beklagten zunächst Gelegenheit geben müssen, zu den Gründen des verzö-
gerten Baubeginns vorzutragen und sie unter Beweis zu stellen, sofern sie sich
damit entlasten kann.
Ullmann Hausmann Wiebel
Kniffka Wendt