Urteil des BGH vom 04.02.2014

BGH: sparkasse, verwertung, auszahlung, verfügung, minderwert, darlehensvertrag, gefahr, betrug, erwerb, rüge

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 3 4 7 / 1 3
vom
4. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
4. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Duisburg vom 14. Mai 2013 im Strafausspruch aufgeho-
ben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht-
erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit
Urkundenfälschung schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Stra-
fen aus zwei vorangegangenen Verurteilungen zur Gesamtfreiheitsstrafe von
vier Jahren verurteilt, von der "wegen überlanger Verfahrensdauer" drei Monate
als vollstreckt gelten. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner
auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
1
- 3 -
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Um-
fang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch im Ergebnis kei-
nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die von einer rechts-
fehlerfreien Beweiswürdigung getragenen Feststellungen belegen, dass sich
der Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig
gemacht hat.
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte die zuständigen
Mitarbeiter der Sparkasse D. nicht darüber in Kenntnis
setzte, dass seine Verhandlungen über den von ihm geplanten Kauf eines Un-
ternehmensteils, mit dem er sich selbständig machen wollte, im Juli 2007 ge-
scheitert waren, sondern weiterhin den Eindruck erweckte, der Abschluss die-
ses - teilweise von der Sparkasse zu finanzierenden - Geschäfts stehe unmit-
telbar bevor. Im November 2007 ließ er sich zunächst - angeblich zur Leistung
einer Anzahlung -
die Überziehung eines Kontos in Höhe von 178.500 € ge-
nehmigen und im Dezember 2007 - nach Vorlage eines von ihm gefälschten
Kaufvertrages -
die weitere Überziehung um 1.011.500 €, welche angeblich der
Restzahlung des von der Sparkasse finanzierten Teils des Kaufpreises diente.
Die Negativsalden der beiden Konten sollten später mit den Auszahlungsbeträ-
gen aus noch abzuschließenden Darlehensverträgen verrechnet werden. Tat-
sächlich verwendete der Angeklagte den an ihn ausgezahlten Betrag in Höhe
von insgesamt 1.190.000 € teils für private Zwecke, insbesondere aber zum
Erwerb eines anderen Unternehmens, das sich - dem Angeklagten bekannt - in
einer kritischen wirtschaftlichen Lage befand und offene Verbindlichkeiten in
Höhe von über 2 Mio. € aufwies. Der Angeklagte war sich der "sehr großen Ge-
fahr" bewusst, dass der tatsächlich von ihm getätigte Unternehmenskauf ein
2
3
- 4 -
wirtschaftlicher Misserfolg werden würde und er die ihm zur Verfügung gestell-
ten Beträge nicht würde zurückzahlen können. Gleichwohl verschwieg er diese
Risiken, die sich in der Folgezeit verwirklichten; der Angeklagte zahlte nichts an
die Sparkasse zurück, diese konnte allerdings aus der Verwertung von Sicher-
heiten Erlöse in Höhe von ca. 88.000 € erzielen.
b) Danach ergeben sich keine Zweifel hinsichtlich des Vorliegens einer
Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB sowie - mit Blick auf den Tatbe-
stand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB - der Merkmale der Täuschung, des
Irrtums sowie der Vermögensverfügung. Angesichts der im Verhältnis zur Dar-
lehenssumme geringen Höhe, in der die Verwertung von Sicherheiten Erlöse
erbracht hat, schließt der Senat aus, dass der Wert dieser Sicherheiten, der
- sollten sie zu diesem Zeitpunkt bereits ausgereicht worden sein - zur Feststel-
lung des Schadens zum Stichtag der Zahlungen zu ermitteln und mit den aus-
gezahlten Beträgen zu saldieren gewesen wäre, letztere vollständig hätte kom-
pensieren und damit den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs der Spar-
kasse bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise voll hätten abdecken können (vgl.
BGH, Urteil vom 6. Februar 1996 - 1 StR 705/95, StV 1997, 416, 417). Mit Blick
auf die sich aus den Entnahmen zu privaten Zwecken ergebende teilweise Zah-
lungsunwilligkeit und im Übrigen - aufgrund der festgestellten wirtschaftlichen
Verhältnisse des Angeklagten und des von ihm übernommenen, hoch ver-
schuldeten Unternehmens - jedenfalls zu bejahende Zahlungsunfähigkeit ist
danach sicher davon auszugehen, dass der Sparkasse bereits bei Auszahlung
der Darlehensbeträge an den Angeklagten ein Schaden entstanden ist. Auch
die weiteren Voraussetzungen des Betrugstatbestandes sind gegeben.
4
- 5 -
2. Der Strafausspruch kann indes insoweit keinen Bestand haben, als
die Strafkammer für die verfahrensgegenständliche Tat des Betruges in Tatein-
heit mit Urkundenfälschung eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei
Monaten verhängt hat. Denn die Strafkammer hat - wie dargelegt - die konkrete
Schadenshöhe, die beim Betrug den Schuldumfang bestimmt und damit ein
ganz wesentliches Strafzumessungskriterium darstellt (vgl. BGH, Beschluss
vom 2. Februar 1999 - 4 StR 626/98, NStZ 1999, 244, 245), nicht ermittelt.
Ausdrücklich teilt sie die Schadenshöhe, von der sie ausgegangen ist, in den
Urteilsgründen nicht mit. Soweit sie möglicherweise von den ausgezahlten Be-
trägen lediglich die Verwertungserlöse abgezogen und so den Schaden be-
rechnet hat, wäre dies schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es nicht darauf an-
kommt, was aus den Sicherheiten später erlöst werden konnte, sondern darauf,
welchen Wert sie im Zeitpunkt der schädigenden Vermögensverfügung hatten.
Dieser Zeitpunkt ist für die bei der Schadensberechnung vorzunehmende Sal-
dierung der Vermögenswerte der maßgebliche; spätere Entwicklungen haben
für die strafrechtliche Beurteilung außer Betracht zu bleiben (st. Rspr.; s. etwa
BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 1961 - 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; vom
23. Februar 1982 - 5 StR 685/81, BGHSt 30, 388, 389 f.; Urteil vom 14. August
2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 122).
Da der Senat - schon in Ermangelung von Feststellungen, worum es sich
bei den Sicherheiten handelte und wann diese ausgereicht wurden - nicht aus-
schließen kann, dass die vom Angeklagten bestellten im Zeitpunkt der Auszah-
lungen an ihn tatsächlich einen höheren Wert als den späteren Verwertungser-
lös hatten und deshalb möglicherweise von einer niedrigeren - betrugsbeding-
ten - Schadenssumme auszugehen ist, beruht der Einzelstrafenausspruch auf
diesem Rechtsfehler.
5
6
- 6 -
Die Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafe, die gleichzeitig die Einsatzstrafe
dargestellt hat, bedingt auch die Aufhebung der - für sich betrachtet rechtsfeh-
lerfrei gebildeten - Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Auch wenn der förmliche Darlehensvertrag zwischen dem Angeklagten
und der Sparkasse erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen werden soll-
te, stellte die Auszahlung der verfahrensgegenständlichen Geldbeträge, die
vom Angeklagten zurückgezahlt werden sollten, ein Darlehen im Sinne von
§ 488 Abs. 1 BGB dar. Die Darlehensgewährung ist ein Risikogeschäft. Der
betrugsbedingte Vermögensschaden ist deshalb bei diesen Fallgestaltungen
durch die Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts zu er-
mitteln, für dessen Berechnung maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang die
das Darlehen ausreichende Bank ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestan-
den hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren vom Täter zutreffend ange-
geben worden wären (BGH, Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11,
BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76 mwN). Mit Blick darauf wird
das neue Tatgericht auch das Ausfallrisiko zu ermitteln haben, das die Spar-
kasse bei Finanzierung des ursprünglich geplanten Unternehmenskaufs einge-
gangen wäre.
7
8
9
- 7 -
Der festzustellende Schaden, der hier mithin in einer erhöhten Verlust-
wahrscheinlichkeit zu sehen ist, muss grundsätzlich nachvollziehbar dargelegt
werden und es ist ein Mindestschaden zu beziffern (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 48 f.).
Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigungen
Anwendung finden (BGH aaO).
Becker Schäfer Mayer
Gericke Spaniol
10