Urteil des BGH vom 16.05.2006

BGH (darlehensvertrag, darlehensnehmer, verbraucher, widerruf, bank, lex specialis, falle, immobilie, abschluss, urkunde)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 400/03 Verkündet
am:
16. Mai 2006
Herrwerth,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 16. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den
Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger
und Prof. Dr. Schmitt
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 13.
November
2003 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer
vollstreckbaren notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt
zugrunde:
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Die Kläger, ein damals 25-jähriger Kraftfahrzeugmechaniker und
seine Ehefrau, eine damals 22-jährige Büroangestellte, wurden im Jahr
1991 von einem für die H. Gruppe tätigen Vermittler gewor-
ben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung
in Li. zu erwerben. Am 7. November 1991 unterbreitete die A.
Aktiengesellschaft (nachfolgend: Ver-
käuferin) ein notarielles Kaufangebot, das die Kläger mit notariell beur-
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kundeter Erklärung vom selben Tag annahmen. Zur Finanzierung des
Kaufpreises von 76.936 DM schloss die beklagte Bausparkasse mit den
Klägern am 13./19.
November 1991 einen Darlehensvertrag über
93.000 DM, der als tilgungsfreies "Vorausdarlehen" bis zur Zuteilungsrei-
fe zweier bei der Beklagten abgeschlossener Bausparverträge über
47.000 DM und 46.000 DM dienen und u.a. durch eine Grundschuld zu
Gunsten der Beklagten gesichert werden sollte.
Die in dem Darlehensvertrag in Bezug genommene vorformulierte
Schuldurkunde der Beklagten enthält in Nr. 11 b) folgende Regelung:
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"die Grundschuld dient der Sicherung aller gegenwärtigen und
künftigen Forderungen der Gläubigerin gegen den Darlehensneh-
mer aus jedem Rechtsgrund, auch soweit sie nur gegen einen Dar-
lehensnehmer begründet sind; …"
Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht der Kläger enthält der Dar-
lehensvertrag nicht.
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Mit notarieller Urkunde vom 18. November 1991 bestellte die Ver-
käuferin zugunsten der Beklagten an dem Kaufgegenstand eine Grund-
schuld über 93.000 DM zuzüglich 12% Jahreszinsen. Gemäß Ziffer V.
der Urkunde übernahmen die Kläger - vertreten durch eine Notariatssek-
retärin - die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetra-
ges zuzüglich Zinsen und Nebenleistungen und unterwarfen sich "wegen
dieser persönlichen Haftung der Gläubigerin gegenüber" der sofortigen
Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
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Die Kläger widerriefen ihre auf den Abschluss des vertragsgemäß
ausgezahlten Vorausdarlehens gerichteten Willenserklärungen im April
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2002 unter Berufung auf die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes.
Mit der Vollstreckungsgegenklage wenden sie sich gegen ihre persönli-
che Inanspruchnahme aus der notariellen Urkunde vom 18. November
1991. Darüber hinaus haben sie geltend gemacht, der Titel sei nicht
wirksam errichtet worden, weil für die Begründung ihrer persönlichen
Haftung keine wirksame Vollmacht vorgelegen habe. Die Beklagte hat
hilfswiderklagend die Rückzahlung des geleisteten Nettokreditbetrages
zuzüglich Zinsen beantragt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerich-
tete Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der - vom Beru-
fungsgericht zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihren Klage-
antrag weiter, soweit dieser die Vollstreckungsgegenklage betrifft.
7
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren be-
deutsam - im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom
18. November 1991 sei zulässig, selbst wenn die Kläger durch das von
ihnen behauptete Verhalten des Vermittlers zu dem Abschluss des Vor-
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- 5 -
ausdarlehens in einer Haustürsituation bestimmt worden sein sollten. Im
Falle eines wirksamen Widerrufs nach § 1 Abs. 1 HWiG seien die Kläger
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HWiG verpflichtet, der Beklagten die ausgezahl-
ten Nettokreditbeträge nebst marktüblicher Verzinsung zu erstatten. Die-
ser Rückgewähranspruch werde durch die zwischen den Parteien getrof-
fene Sicherungsabrede erfasst. Zwar sei infolge des Widerrufs des Dar-
lehensvertrags auch die in Nr. 11 b) der Schuldurkunde vorformulierte
Sicherungszweckabrede als Bestandteil des Darlehensvertrags nichtig.
Zwischen den Parteien sei aber im Zusammenhang mit der Bestellung
der Grundschuld durch notariellen Vertrag vom 18. November 1991 eine
erneute - diesmal konkludente - Übereinkunft hinsichtlich des Siche-
rungszwecks erzielt worden, die nicht durch Widerruf unwirksam gewor-
den sei. Die Kläger könnten eine Rückzahlung der Darlehensvaluta auch
nicht unter Hinweis auf § 9 VerbrKrG verweigern, da diese Vorschrift
gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf Realkredite nicht anwendbar sei.
Eine analoge Anwendung des § 9 VerbrKrG komme auch unter Berück-
sichtigung des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung nicht in Be-
tracht.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
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1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass
sich die Kläger gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde
nicht mit Erfolg auf den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehens-
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vertrages gerichteten Willenserklärungen nach § 1 Abs. 1 HWiG berufen
können.
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a)
Nach
gefestigter
Rechtsprechung des erkennenden Senats, von
der das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, sind die Parteien im
Falle des wirksamen Widerrufs eines Realkreditvertrages zur Finanzie-
rung des Kaufs einer Immobilie grundsätzlich nach § 3 HWiG jeweils
verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzuge-
währen. Der Darlehensnehmer ist nicht lediglich zur Herausgabe der mit
dem Realkredit finanzierten Immobilie und der Vergütung zwischenzeitli-
cher Nutzungen verpflichtet. Vielmehr hat die finanzierende Bank gegen
ihn einen Anspruch auf Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages
sowie auf dessen marktübliche Verzinsung (Senat, BGHZ 152, 331, 336,
338; Senatsurteile vom 26. November 2002 - XI ZR 10/00, WM 2003, 64,
66, vom 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1744, vom
28. Oktober 2003 - XI ZR 263/02, WM 2003, 2410, vom 18. November
2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 176 und vom 21. März 2006 - XI ZR
204/03, ZIP 2006, 846, 847 m.w.Nachw.).
b) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht unter
Berücksichtigung der erst nach der angefochtenen Entscheidung ergan-
genen Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom
25.
Oktober 2005 (Rs.
C-350/03, WM
2005, 2079
ff. Schulte und
Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 ff. Crailsheimer Volksbank).
14
aa) Der Gerichtshof hat darin in Beantwortung der ihm vorgelegten
Fragen ausdrücklich betont, dass die Richtlinie 85/577/EWG des Rates
vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle au-
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- 7 -
ßerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Abl. EG Nr. L
372/31 vom 31. Dezember 1985, "Haustürgeschäfterichtlinie") es nicht
verbietet, den Verbraucher nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur
sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher
Zinsen zu verpflichten, obwohl die Valuta nach dem für die Kapitalanlage
entwickelten Konzept ausschließlich der Finanzierung des Erwerbs der
Immobilie diente und unmittelbar an deren Verkäufer ausgezahlt wurde.
Die vorgenannte Rechtsprechung des erkennenden Senats ist damit be-
stätigt worden.
bb) Dem aus § 3 HWiG folgenden Rückzahlungsanspruch steht
auch nicht entgegen, dass der Verbraucher nach Ansicht des Gerichts-
hofs der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH) durch die
Haustürgeschäfterichtlinie vor den Folgen der in den Entscheidungen
des EuGH angesprochenen Risiken von Kapitalanlagen der vorliegenden
Art zu schützen ist, die er im Falle einer ordnungsgemäßen Widerrufsbe-
lehrung der kreditgebenden Bank hätte vermeiden können.
16
(1) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung (Fischer
DB 2005, 2507, 2510 und VuR 2006, 53, 57; zustimmend Hofmann
BKR 2005, 487, 492 ff. und Staudinger NJW 2005, 3521, 3525) findet
eine "richtlinienkonforme" Auslegung oder analoge Anwendung der §§ 9
Abs. 2 Satz 4, 7 Abs. 4 VerbrKrG und § 3 HWiG dahin, den nicht mit ei-
ner Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs. 1 HWiG versehenen Darlehens-
vertrag wie bei einem verbundenen Geschäft durch Rückzahlung der
vom Verbraucher geleisteten Zins- und Tilgungsraten Zug um Zug gegen
Übertragung der Immobilie rückabzuwickeln, sowohl in der Haustürge-
schäfterichtlinie als auch im deutschen Recht keine Stütze. Aufgrund der
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vorgenannten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Ge-
meinschaften vom 25. Oktober 2005 steht fest, dass § 3 Abs. 1 und 3
HWiG, der bei Widerruf eines Darlehensvertrages die sofortige Rückzah-
lung der Darlehensvaluta und die marktübliche Verzinsung vorsieht, auch
dann der Haustürgeschäfterichtlinie nicht widerspricht, wenn das Darle-
hen nach dem für eine Kapitalanlage entwickelten Konzept ausschließ-
lich zur Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie dient und unmittelbar
an deren Verkäufer ausgezahlt worden ist. Die Haustürgeschäfterichtlinie
kennt kein verbundenes Geschäft. Gleiches gilt nach dem eindeutigen
Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG für realkreditfinanzierte Immobi-
liengeschäfte, wenn der Grundpfandkredit - wie hier - zu den üblichen
Bedingungen ausgereicht worden ist. Grundpfandkredit und finanziertes
Immobiliengeschäft bilden dann nach ständiger Rechtsprechung des er-
kennenden Senats ausnahmslos kein verbundenes Geschäft (Senat,
BGHZ 150, 248, 262; 152, 331, 337; 161, 15, 25; Senatsurteile vom
15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743, vom 28. Oktober
2003 - XI ZR 263/02, WM 2003, 2410, 2411, vom 27. Januar 2004
- XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 622, vom 9. November 2005 - XI ZR
315/03, WM 2005, 72, 74, vom 18. Januar 2005 - XI ZR 201/03,
WM 2005, 375, 376, vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520,
1523 und vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 504),
so dass ein Einwendungsdurchgriff und eine Rückabwicklung nach § 9
VerbrKrG entgegen der Ansicht der Revision von vornherein nicht in Be-
tracht kommen.
Soweit der EuGH gemeint hat, Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie
verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, den Verbraucher vor den
Risiken einer kreditfinanzierten Kapitalanlage zu schützen, die er im Fal-
18
- 9 -
le einer Widerrufsbelehrung der kreditgebenden Bank hätte vermeiden
können, ist eine richtlinienkonforme Auslegung, sollte sie nach deut-
schem Recht überhaupt möglich sein, nur in den wenigen Fällen notwen-
dig, in denen der Verbraucher den Darlehensvertrag anlässlich eines Be-
suchs des Gewerbetreibenden beim Verbraucher oder an seinem Ar-
beitsplatz oder während eines vom Gewerbetreibenden außerhalb seiner
Geschäftsräume organisierten Ausflugs abgeschlossen bzw. sein Ange-
bot abgegeben hat (Art. 1 Abs. 1 Haustürgeschäfterichtlinie), und in de-
nen der Verbraucher überdies an seine Erklärung zum Abschluss des mit
Hilfe des Darlehens zu finanzierenden Geschäfts noch nicht gebunden
war. Auf die Frage, ob Darlehensvertrag und finanzierte Anlage ein ver-
bundenes Geschäft bilden, kommt es nach den Entscheidungen des Ge-
richtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005
(Rs. C-350/03, WM 2005, 2079 Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005,
2086 Crailsheimer Volksbank) nicht an. Auch dies verkennt die Minder-
meinung, wenn sie eine richtlinienkonforme "Verbundgeschäftslösung"
fordert. Zum einen bleibt sie hinter den Vorgaben der genannten Ent-
scheidungen zurück, indem sie die von ihr gewünschte Rückabwicklung
des widerrufenen Darlehensvertrages davon abhängig macht, dass Kre-
dit- und Immobilienkaufvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des
§ 9 VerbrKrG bilden. Zum anderen geht sie weit über die Entscheidungen
des Gerichtshofs hinaus, indem sie das aus dem Immobilienkaufvertrag
resultierende Anlagerisiko ohne Rücksicht darauf, ob dieses durch eine
Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs. 1 HWiG bei Abschluss des Darlehens-
vertrages (noch) hätte vermieden werden können, auf die kreditgebende
Bank verlagert (KG ZfIR 2006, 136, 140; Habersack JZ 2006, 91, 92).
Dies ist weder durch die Haustürgeschäfterichtlinie noch durch das
Haustürwiderrufsgesetz zu rechtfertigen. Beide wollen dem Verbraucher
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bei Haustürgeschäften nur die Möglichkeit geben, die Verpflichtungen
aus einem solchen Geschäft noch einmal zu überdenken (6. Erwägungs-
grund zur Haustürgeschäfterichtlinie), nicht aber sich von Geschäften zu
lösen, für die die unterbliebene Widerrufsbelehrung nicht kausal gewor-
den ist.
(2) Entgegen der vereinzelt gebliebenen Ansicht von Derleder
(BKR 2005, 442, 448; s. auch EWiR 2005, 837, 838) fehlt auch für eine
"richtlinienkonforme" Auslegung des § 3 Abs. 1 HWiG dahin, den Darle-
hensnehmer im Falle einer unterbliebenen Widerrufsbelehrung bereiche-
rungsrechtlich nicht als Empfänger der Darlehensvaluta anzusehen, eine
tragfähige Grundlage. § 3 Abs. 1 und 3 HWiG ist ausweislich der Ent-
scheidungen des EuGH vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-350/03, WM 2005,
2079 Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 Crailsheimer Volks-
bank) ohne jede Einschränkung richtlinienkonform. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 152, 331, 337; BGH,
Urteile vom 17. Januar 1985 - III ZR 135/83, WM 1985, 221, 223, inso-
weit in BGHZ 93, 264 nicht abgedruckt, vom 7. März 1985 - III ZR
211/83, WM 1985, 653, vom 25. April 1985 - III ZR 27/84, WM 1985, 993,
994 und vom 12. Juni 1997 - IX ZR 110/96, WM 1997, 1658, 1659; Se-
natsurteile vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 503
und vom 25. April 2006 - XI ZR 219/04, Umdruck S. 15 und XI ZR 29/05,
Umdruck S. 16) und der gesamten Kommentarliteratur (vgl. Bülow,
Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl. § 494 BGB Rdn. 48Erman/Saenger,
BGB 11. Aufl. § 494 Rdn. 4; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl. § 494
Rdn. 21; Palandt/Putzo, BGB 65. Aufl. § 494 Rdn. 7; Staudinger/Kessal-
Wulf, BGB Neubearb. 2004 § 491 Rdn. 47, § 494 Rdn. 20; Palandt/
Putzo, BGB 61. Aufl. § 607 Rdn. 9; RGRK/Ballhaus, BGB 12. Aufl. § 607
19
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Rdn. 7; Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 607 BGB Rdn. 120) hat der Dar-
lehensnehmer den Darlehensbetrag im Sinne des § 607 BGB a.F. auch
dann empfangen, wenn der von ihm als Empfänger namhaft gemachte
Dritte das Geld vom Darlehensgeber erhalten hat, es sei denn, der Dritte
ist nicht überwiegend im Interesse des Darlehensnehmers, sondern so-
zusagen als "verlängerter Arm" des Darlehensgebers tätig geworden.
Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist in seiner
Entscheidung vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-350/03, WM 2005, 2079,
2085 Nr. 85 Schulte) ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Dar-
lehensnehmer die von der kreditgebenden Bank unmittelbar an den Im-
mobilienverkäufer ausgezahlte Darlehensvaluta erhalten haben.
Nichts spricht dafür, den Empfang des Darlehens in § 3 Abs. 1
HWiG, der lediglich die Rückabwicklung empfangener Leistungen regelt,
anders zu verstehen als in § 607 BGB. Aus § 9 VerbrKrG ergibt sich
nichts anderes (BGH, Senatsurteile vom 25. April 2006 - XI ZR 219/04,
Umdruck S. 15 ff. und XI ZR 29/05, Umdruck S. 17 ff.). Der Hinweis von
Derleder, bei einem widerrufenen Darlehensvertrag sei auch die Auszah-
lungsanweisung des Darlehensnehmers unwirksam, übersieht, dass be-
reicherungsrechtlich anerkannt ist, dass eine Rückabwicklung auch dann
im Anweisungsverhältnis (Deckungsverhältnis) zu erfolgen hat, wenn der
Anweisende einen zurechenbaren Anlass zu dem Zahlungsvorgang ge-
setzt hat, etwa eine zunächst erteilte Anweisung widerruft (BGHZ 61,
289, 291 ff.; 87, 393, 395 ff.; 89, 376, 379 ff.; 147, 145, 150 f.; 147, 269,
273 ff.). Gleiches gilt bei § 3 Abs. 1 HWiG, der einen, insbesondere was
die §§ 814 ff. BGB angeht (BGHZ 131, 82, 87), besonders ausgestalteten
Bereicherungsanspruch regelt.
20
- 12 -
(3) Nicht haltbar ist auch die Ansicht von Knops und Kulke
(WM 2006, 70, 77 und VuR 2006, 127, 135), bei einer Investition der
Darlehensvaluta in eine Immobilie durch einen über sein Widerrufsrecht
nicht belehrten Darlehensnehmer sei von einem unverschuldeten Unter-
gang der empfangenen Leistung im Sinne des § 3 Abs. 2 HWiG auszu-
gehen. Wie bereits dargelegt, hat der Kreditnehmer die Darlehensvaluta
mit der weisungsgemäßen Auszahlung an den Immobilienverkäufer emp-
fangen. Damit ist der im Falle des Widerrufs des Darlehensvertrages ge-
gebene Rückgewähranspruch der kreditgebenden Bank aus § 3 Abs. 1
Satz 1 HWiG entstanden. Da der Darlehensnehmer lediglich eine be-
stimmte Geldsumme zurückzahlen muss, kann von einem Untergang der
Valuta im Sinne des § 3 Abs. 2 HWiG, der nur für Sachen, nicht aber für
eine Wertsummenschuld gilt (so auch Derleder BKR 2005, 442, 447),
keine Rede sein, wenn die Valuta bestimmungsgemäß zur Bezahlung
des Kaufpreises für eine nicht (ausreichend) werthaltige Immobilie ver-
wendet worden ist. Wer dies anders sieht, verschiebt das Verwendungs-
risiko in unvertretbarer Weise bei jedem Kredit, der zur Finanzierung des
Erwerbs einer bestimmten Sache aufgenommen wird, auf die kreditge-
bende Bank. Dies ist insbesondere dann durch nichts zu rechtfertigen,
wenn der Kreditnehmer bei einem nicht verbundenen Geschäft - wie
hier - zunächst den Immobilienkaufvertrag und erst später den zur Fi-
nanzierung des Kaufpreises notwendigen Darlehensvertrag, in dem die
erforderliche Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs. 1 HWiG fehlt, abschließt.
21
(4) Auch der Hinweis von Tonner/Tonner (WM 2006, 505, 510 ff.)
auf den Rechtsgedanken der §§ 817 Satz 2, 818 Abs. 3 BGB und dessen
Anwendung bei Kenntnis des Darlehensgebers von dem mit dem Immo-
bilienerwerb verbundenen Risiko ändert daran nichts. Die genannten
22
- 13 -
Normen sind nämlich auf den Rückgewähranspruch nach § 3 Abs. 1
HWiG, der als lex specialis die Anwendung der §§ 812 ff. BGB grund-
sätzlich ausschließt (BGHZ 131, 82, 87), nicht anwendbar. Der Gesetz-
geber hat das Bereicherungsrecht durch § 3 HWiG, jedenfalls was die
§§ 814 ff. BGB angeht, bewusst derogiert. Davon kann auch im Wege
richtlinienkonformer Auslegung des § 3 HWiG, zu der hier, wie dargelegt,
im Übrigen kein Grund besteht, nicht abgewichen werden (vgl.
Piekenbrock WM 2006, 466, 475). Abgesehen davon kann von einem
Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB bei Empfang eines
- für den Erwerb einer nicht ausreichend werthaltigen Immobilie verwen-
deten - Darlehens, das dem Darlehensnehmer, wie er weiß, nur für be-
grenzte Zeit zur Verfügung stehen soll, unter Berücksichtigung des § 819
Abs. 1 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
keine Rede sein (BGHZ 83, 293, 295; 115, 268, 270 f.; BGH, Urteile vom
14. April 1969 - III ZR 65/68, WM 1969, 857, 858; Senatsurteile vom
17. Februar 1995 - XI ZR 225/93, WM 1995, 566, 567, vom 2. Februar
1999 - XI ZR 74/98, WM 1999, 724, 725 und vom 27. Januar 2004
- XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 623).
c) Die persönliche Haftungsübernahme der Kläger mit Zwangsvoll-
streckungsunterwerfung sichert entgegen der Ansicht der Revision auch
Ansprüche der Beklagten aus § 3 Abs. 1 HWiG.
23
aa) Nach Nr. 11 b) der Schuldurkunde dient die Grundschuld der
Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Gläubige-
rin gegen den Darlehensnehmer aus jedem Rechtsgrund. Eine solche
weite Sicherungszweckerklärung sichert im Fall der Unwirksamkeit des
Darlehens auch Bereicherungsansprüche des Darlehensgebers
24
- 14 -
(BGHZ 114, 57, 72; BGH, Senatsurteile vom 26. November 2002 - XI ZR
10/00, WM 2003, 64, 66 und vom 28. Oktober 2003 - XI ZR 263/02,
WM 2003, 2410, 2411). Abgesichert ist auch ein Anspruch aus § 3
HWiG. Denn dieser Rückgewähranspruch ist der Sache nach nichts an-
deres als ein Anspruch auf Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten
und damit ein besonders ausgestalteter Bereicherungsanspruch
(BGHZ 131, 82, 87; 152, 331, 339; Senatsurteile vom 2. Februar 1999
- XI ZR 74/98, WM 1999, 724, 725, vom 28. Oktober 2003 - XI ZR
263/02, WM 2003, 2410, 2411 und vom 25. April 2006 - XI ZR 193/04
Umdruck S. 13).
bb) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die in der
Schuldurkunde enthaltene Sicherungszweckerklärung werde von dem
Widerruf der Kläger erfasst, kann dahin stehen, ob dies revisionsrechtli-
cher Nachprüfung standhält. Nach dem Urteil des erkennenden Senats
vom 28. Oktober 2003 (XI ZR 263/02, WM 2003, 2410, 2411 f.), das erst
nach Erlass der angefochtenen Entscheidung veröffentlicht worden ist,
ist die in Darlehensbedingungen enthaltene Sicherungszweckvereinba-
rung nicht automatisch zugleich mit dem Widerruf des Darlehensvertra-
ges widerrufen. Es bedarf danach vielmehr entsprechender Feststellun-
gen des Tatgerichts. Darauf kommt es hier indes nicht an, da nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der Bestel-
lung der Grundschuld und der persönlichen Haftungsübernahme still-
schweigend eine Sicherungszweckvereinbarung entsprechenden Inhalts
zwischen den Parteien getroffen worden ist, die ihrerseits nicht widerru-
fen wurde.
25
- 15 -
Diese tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung, die
im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf un-
terliegt, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln,
Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Aus-
legungsstoff außer Acht gelassen wurde (BGH, Urteil vom 29. März 2000
- VIII ZR 297/98, WM 2000, 1289, 1291 f.; Senatsurteile vom 25. Juni
2002 - XI ZR 239/01, WM 2002, 1687, 1688, vom 23. September 2003
- XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 und vom 18. November 2003
- XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 30), lässt entgegen der Auffassung der
Revision einen Rechtsfehler nicht erkennen.
26
Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Siche-
rungsabrede auch formlos und konkludent getroffen werden kann. Richtig
ist auch, dass eine solche konkludent getroffene Sicherungsabrede in
Fällen der vorliegenden Art auch ohne entsprechende ausdrückliche Ver-
einbarung regelmäßig nicht nur die eigentlichen Erfüllungsansprüche er-
fasst, sondern auch diejenigen, die - wie die Ansprüche aus § 3 HWiG -
als typische Folgeansprüche für den Fall einer sich im Laufe der
Vertragsabwicklung herausstellenden Unwirksamkeit der Erfüllungsan-
sprüche entstehen. Nur bei Vorliegen besonderer - vom Schuldner darzu-
legender und zu beweisender - Gründe, die ausnahmsweise gegen die
Einbeziehung der Folgeansprüche in die Sicherungsvereinbarung spre-
chen könnten, kann etwas anderes gelten (Senatsurteil vom 28. Oktober
2003 - XI ZR 263/02, WM 2003, 2410, 2411 m.w.Nachw.).
27
Mit ihrem Einwand, einer stillschweigend getroffenen Sicherungs-
abrede stehe entgegen, dass die Grundschuld angesichts des erst weni-
ge Tage zuvor geschlossenen Kaufvertrags von der Verkäuferin, nicht
28
- 16 -
aber von den Klägern bestellt worden sei, zeigt die Revision schon des-
halb keinen revisionsrechtlich beachtlichen Auslegungsfehler des Beru-
fungsgerichts auf, weil die Kläger als Darlehensschuldner und Siche-
rungsgeber in der notariellen Urkunde zugleich die persönliche Haf-
tungsübernahme erklärt haben und die Zwangsvollstreckung auch gegen
den jeweiligen Eigentümer zulässig sein sollte, die Kläger also ihrerseits
Beteiligte bei der Bestellung der Sicherheiten waren. Dass sie dabei von
einer Notariatssekretärin vertreten wurden, steht der Begründung einer
stillschweigend getroffenen Sicherungsabrede ebenfalls nicht entgegen.
Anders als die Revision meint, handelte die Vertreterin auch nicht etwa
ohne Kenntnis von dem zu sichernden Vorausdarlehen. Dies ergibt sich
schon daraus, dass ihre Bevollmächtigung ausdrücklich die Abtretung
der Auszahlung der Darlehensvaluta umfasste und sie in der notariellen
Erklärung vom 18. November 1991 für die Kläger gegenüber der Beklag-
ten auch eine unwiderrufliche Anweisung zur Überweisung der Darle-
hensvaluta auf das Notaranderkonto des den Grundstückskaufvertrag
abwickelnden Notars erteilt hat.
dd) Die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts getroffene
konkludente Sicherungsvereinbarung ist entgegen der Auffassung der
Revision nicht wirksam widerrufen worden. Abgesehen davon, dass sich
der Widerruf des Darlehensvertrages nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts nicht auf die konkludent getroffene Sicherungsabrede er-
streckte, beruht diese auch nicht auf einer Haustürsituation und ist daher
ohnedies nicht nach § 1 Abs. 1 HWiG widerruflich. Nach der ständigen
Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt es bei der Einschaltung
eines Vertreters für die Widerruflichkeit der Vertragserklärung nach dem
Haustürwiderrufsgesetz grundsätzlich nicht auf die Haustürsituation des
29
- 17 -
Vertretenen bei der Vollmachtserteilung, sondern auf die des Vertreters
bei Abgabe der Erklärung an (Senat, BGHZ 144, 223, 227 f.; BGH, Se-
natsurteile vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2330
m.w.Nachw. und vom 28. März 2006 - XI ZR 239/04, WM 2006, 853, 854;
KG ZIP 2006, 605, 608).
2. Eine Einwendung gegen den titulierten materiell-rechtlichen An-
spruch ergibt sich, anders als die Revision meint, auch nicht aufgrund
einer analogen Anwendung von § 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. (jetzt: § 496
Abs. 2 BGB) auf das abstrakte Schuldanerkenntnis der Kläger. Wie der
Senat nach Abfassung der Revisionsbegründung entschieden und im
einzelnen begründet hat, fehlt es bereits an einer planwidrigen Rege-
lungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen könnte (BGH, Se-
natsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 831 und
vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04, WM 2005, 1076, 1078 m.w.Nachw.).
30
3. Die Vollstreckungsgegenklage ist schließlich auch nicht deswe-
gen begründet, weil die Kläger dem Anspruch der Beklagten einen Scha-
densersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss entgegenhal-
ten können (§ 242 BGB).
31
a) Zwar wird im Anschluss an die erst nach Erlass des Berufungs-
urteils ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften vom 25.
Oktober 2005 (Rs.
C-350/03, WM
2005,
2079 ff. Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 ff. Crailsheimer
Volksbank) diskutiert, ob im Hinblick auf den dort geforderten Schutz des
Verbrauchers vor den Folgen bestimmter Risiken von Kapitalanlagen der
hier vorliegenden Art, die er im Falle einer mit dem Darlehensvertrag
32
- 18 -
verbundenen Widerrufsbelehrung hätte vermeiden können, wegen der
unterbliebenen Widerrufsbelehrung ein Schadensersatzanspruch der
Darlehensnehmer bestehen kann. Hier scheidet ein solcher Anspruch
aber von vornherein aus.
33
aa) Dabei kann dahinstehen, ob das Unterlassen der nach Art. 4
der Haustürgeschäfterichtlinie erforderlichen Belehrung über den Wider-
ruf entgegen der bislang ganz überwiegend vertretenen Auffassung nicht
als bloße Obliegenheitsverletzung, sondern als echte Pflichtverpflichtung
anzusehen ist (vgl. dazu OLG Bremen WM 2006, 758, 763; Derleder
BKR 2005, 442, 446; Habersack JZ 2006, 91, 93). Offen bleiben kann
auch, ob eine Haftung nicht ohnedies mangels Verschuldens ausschei-
det, weil sich die Beklagte bei dem vor dem Jahre 2000 geschlossenen
Darlehensvertrag erfolgreich darauf berufen könnte, gemäß § 5 Abs. 2
HWiG habe sie eine Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs. 1 HWiG für ent-
behrlich halten dürfen (so Freitag WM 2006, 61, 69; Habersack JZ 2006,
91, 93; Lang/Rösler WM 2006, 513, 517; Piekenbrock WM 2006, 466,
475; Sauer BKR 2006, 96, 101; wohl auch Schneider/Hellmann BB 2005,
2714; Thume/Edelmann BKR 2005, 477, 482; zweifelnd: OLG Bremen
WM 2006, 758, 764; Lechner NZM 2005, 921, 926 f.; a.A. Fischer
VuR 2006, 53, 58; Knops/Kulke VuR 2006, 127, 133; Reich/Rörig
VuR 2005, 452, 453; Woitkewitsch MDR 2006, 241, 242). Es sei insoweit
nur darauf hingewiesen, dass der vom Gesetzgeber gewählte Wortlaut
des § 5 Abs. 2 HWiG, dass das Haustürwiderrufsgesetz auf Haustürge-
schäfte, die zugleich die Voraussetzungen eines Geschäfts nach dem
Verbraucherkreditgesetz erfüllen, nicht anwendbar ist, deutlich gegen die
Notwendigkeit einer Widerrufsbelehrung nach § 2 Abs. 1 HWiG spricht.
Auch der erkennende Senat hat eine solche Belehrung deshalb in Über-
- 19 -
einstimmung mit der damals einhelligen Meinung der Obergerichte (OLG
Stuttgart WM 1999, 74, 75 f. und WM 1999, 1419; OLG München
WM 1999, 1418, 1419) und der herrschenden Ansicht in der Literatur
(vgl. die Nachweise in BGH WM 2000, 26, 27) in seinem Beschluss vom
29. November 1999 (XI ZR 91/99, WM 2000, 26, 27 ff.) als nicht erforder-
lich angesehen und seine Meinung erst aufgrund des anders lautenden
Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom
13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99, WM 2001, 2434 ff. Heininger) geän-
dert (BGHZ 150, 248, 252 ff.). Dahinstehen kann schließlich, ob die Auf-
fassung, ein Verschulden der Kreditinstitute sei mit Rücksicht auf die
Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht er-
forderlich (OLG Bremen WM 2006, 758, 764; Habersack JZ 2006, 91, 93;
Hoffmann ZIP 2005, 1985, 1991; Reich/Rörig VuR 2005, 452, 453;
Wielsch ZBB 2006, 16, 20), haltbar ist, obwohl nach § 276 Abs. 1 Satz 1
BGB a.F., sofern nichts anderes bestimmt ist, nur für Vorsatz und Fahr-
lässigkeit gehaftet wird (vgl. auch Lang/Rösler WM 2006, 513, 517;
Thume/Edelmann BKR 2005, 477, 482).
bb) Ein Schadensersatzanspruch wegen der Nichterteilung einer
Widerrufsbelehrung ist nämlich jedenfalls mangels Kausalität zwischen
unterlassener Widerrufsbelehrung und dem Schaden in Gestalt der Rea-
lisierung von Anlagerisiken zumindest immer dann ausgeschlossen,
wenn der Verbraucher - wie hier - den notariell beurkundeten Immobi-
lienkaufvertrag vor dem Darlehensvertrag abgeschlossen hat. Dann hätte
es der Verbraucher auch bei Belehrung über sein Recht zum Widerruf
des Darlehensvertrages nicht vermeiden können, sich den Anlagerisiken
auszusetzen (OLG Frankfurt WM 2006, 769; OLG Karlsruhe WM 2006,
676, 680; KG ZfIR 2006, 136, 140; Palandt/Grüneberg, BGB 65. Aufl.
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§ 357 Rdn. 4; Ehricke ZBB 2005, 443, 449; Habersack JZ 2006, 91, 93;
Hoppe/Lang ZfIR
2005, 800, 804; Jordans EWS 2005, 513, 515;
Lang/Rösler WM
2006, 513, 518; Lechner NZM
2005, 921, 926;
Meschede ZfIR 2006, 141; Piekenbrock WM 2006, 466, 472; Sauer
BKR
2006, 96, 101; Tonner/Tonner WM
2006, 505, 509; Thume/
Edelmann BKR 2005, 477, 483; differenzierend: OLG Bremen WM 2006,
758, 764 f.; Hoffmann ZIP 2005, 1985, 1989). Ein Anspruch aus Ver-
schulden bei Vertragsschluss auf Ersatz eines Schadens, der durch die
- unterstellte - Pflichtverletzung, d.h. die unterbliebene Widerrufsbeleh-
rung nach § 2 Abs. 1 HWiG, nicht verursacht worden ist, ist dem deut-
schen Recht fremd. Er wird in den Entscheidungen des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 (Rs. C-350/03,
WM 2005, 2079 Schulte und Rs. C-229/04, WM 2005, 2086 Crailsheimer
Volksbank) auch nicht gefordert. Nach deren klarem Wortlaut haben die
Mitgliedstaaten den Verbraucher nur vor den Folgen der Risiken von Ka-
pitalanlagen der vorliegenden Art zu schützen, die er im Falle einer Wi-
derrufsbelehrung der kreditgebenden Bank bei Abschluss des Darle-
hensvertrages in einer Haustürsituation hätte vermeiden können. Das ist
bei Anlagerisiken, die er vor Abschluss des Darlehensvertrages einge-
gangen ist, nicht der Fall. Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Eu-
ropäischen Gemeinschaften lassen sich nicht, wie es eine Mindermei-
nung in der Literatur versucht (Derleder BKR 2005, 442, 449; Knops
WM
2006, 70, 73
f.; Schwintowski VuR
2006, 5, 6; Staudinger
NJW 2005, 3521, 3523), dahin uminterpretieren, die zeitliche Reihenfol-
ge von Anlagegeschäft und Darlehensvertrag spiele für die Haftung der
kreditgebenden Bank keine Rolle. Abgesehen davon wäre der erkennen-
de Senat nach deutschem Recht nicht in der Lage, dem nicht über sein
Widerrufsrecht belehrten Darlehensnehmer einen Anspruch auf Ersatz
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von Schäden zu geben, die durch die unterbliebene Widerrufsbelehrung
nicht verursacht worden sind.
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b) Anknüpfungstatsachen für einen Schadensersatzanspruch we-
gen Verletzung einer eigenen Aufklärungspflicht der Beklagten bestehen
nicht.
- 22 -
III.
36
Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Joeres Mayen
Richter am Bundesge- Schmitt
richtshof Dr. Ellenberger
ist erkrankt und deshalb
an der Unterzeichnung
gehindert.
Nobbe
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 06.05.2003 - 6 O 2738/02 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 13.11.2003 - 2 U 47/03 -