Urteil des BGH vom 06.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 37/13
vom
6. Februar 2014
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 758a Abs. 6; ZVFV §§ 1, 3; AO § 287
Der Formularzwang nach § 758a Abs. 6 ZPO i.V.m. §§ 1, 3 ZVFV gilt nicht für
Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung im Verwal-
tungsvollstreckungsverfahren nach § 287 Abs. 4 AO.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - VII ZB 37/13 - LG Dresden
AG Meißen
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari, die
Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Rechts-
beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
I.
Der durch das Finanzamt M. vertretene Gläubiger betrieb wegen voll-
streckbarer Abgabenforderungen die Verwaltungsvollstreckung gegen den
Schuldner. Nachdem dieser dem Vollziehungsbeamten den Zutritt zu seiner
Wohnung verweigert hatte, hat der Gläubiger bei dem Amtsgericht
- Vollstreckungsgericht - den Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanord-
nung beantragt. Dabei hat er sich nicht des Antragsformulars gemäß Anlage 1
zu § 1 der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangs-
vollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV, BGBl. 2012 I S. 1822, 1824-1826)
bedient.
Das Amtsgericht hat den Antrag deswegen als formwidrig zurückgewie-
sen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat
der Gläubiger sein Begehren zunächst weiterverfolgt. Nachdem der Schuldner
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die Steuerschuld beglichen hatte, hat der Gläubiger das Verfahren in der
Hauptsache für erledigt erklärt. Der Schuldner hat nach vorherigem Hinweis des
Senats auf die Rechtsfolgen nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb der Not-
frist von zwei Wochen eine Stellungnahme zu der Erledigungserklärung des
Gläubigers nicht abgegeben.
II.
1. Die Parteien haben das Verfahren übereinstimmend für erledigt er-
klärt. Da der Schuldner der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht inner-
halb der zweiwöchigen Notfrist widersprochen hat, gilt seine Zustimmung ge-
mäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO als erteilt.
2. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Partei-
en hat der Senat über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1
ZPO zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streit-
standes waren die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gegenei-
nander aufzuheben, da nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht
erkennbar ist, ob der Antrag des Gläubigers auf richterliche Anordnung der
Durchsuchung Erfolg gehabt hätte.
a) Der Antrag war nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Gläubiger
sich nicht des Formulars gemäß Anlage 1 zu § 1 der Zwangsvollstreckungsfor-
mular-Verordnung bedient hat. Der Formularzwang nach § 758a Abs. 6 ZPO
i.V.m. §§ 1, 3 ZVFV gilt nicht für Anträge auf Erlass einer richterlichen Durchsu-
chungsanordnung nach § 287 Abs. 4 AO (so LG Köln, Beschluss vom 11. Juni
2013 - 34 T 134/13, juris Rn. 6; LG Bochum, BeckRS 2013, 21840; a.A.: AG
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Leipzig, BeckRS 2013, 09671; AG Leipzig, Beschluss vom 28. August 2013
- 431 M 12863/13, juris Rn. 9 ff.; Büttner, DGVZ 2013, 150 ff.).
§ 287 AO in der mit der Zweiten Zwangsvollstreckungsnovelle eingeführ-
ten Fassung sollte der Anpassung an den neu eingeführten § 758a ZPO dienen
(BT-Drucks. 13/9088, S. 25). Er beinhaltet eine eigenständige, neben § 758a
ZPO stehende Regelung der Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Verwal-
tungsvollstreckung nach der Abgabenordnung. Einen Verweis auf § 758a ZPO
enthält § 287 AO, anders als beispielsweise § 6 JBeitrO, nicht. Während der
Gesetzgeber in anderen vollstreckungsrechtlichen Regelungen der Abgaben-
ordnung Verweise auf zivilprozessuale Vorschriften aufgenommen hat, z.B.
§§ 262 bis 266 AO, §§ 295, 308, 309, 314, 316 AO sowie §§ 319 bis 322 AO,
hat er im Rahmen des § 287 AO davon abgesehen. § 287 Abs. 4 Satz 3 AO
regelt lediglich die Zuständigkeit der Amtsgerichte für den Erlass einer Durch-
suchungsanordnung. Dies hat zur Folge, dass das Amtsgericht das Verfahrens-
recht der Zivilprozessordnung, nicht hingegen das der Finanzgerichtsordnung
anzuwenden hat (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 758a Rn. 44). Daraus ist je-
doch mangels eines ausdrücklichen Verweises in § 287 AO nicht abzuleiten,
dass die strenge Formvorschrift des § 758a Abs. 6 ZPO auch auf einen Antrag
auf richterliche Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Ver-
waltungsvollstreckung nach der Abgabenordnung anzuwenden ist.
Gegen eine Anwendbarkeit der §§ 1, 3 ZVFV auf Finanzbehörden spricht
auch der in der Gesetzesbegründung zur Zwangsvollstreckungsformular-
Verordnung zum Ausdruck kommende Wille des Verordnungsgebers sowie die
äußere Gestaltung des Antragsformulars selbst. Die Gesetzesbegründung be-
nennt die Durchsuchungsanordnung nach § 758a ZPO, nicht hingegen diejeni-
ge nach § 287 AO (BR-Drucks. 326/12, S. 1). Das Antragsformular nach Anlage
1 zu § 1 ZVFV ist nicht auf einen Antrag der Finanzbehörden zugeschnitten. Auf
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Seite 1 des Formulars ist lediglich der Durchsuchungsbeschluss nach § 758a
ZPO aufgeführt. Auf Seite 2 sind als Antragsteller nur "Herrn/Frau/Firma", nicht
hingegen Behörden genannt. Zudem enthält das Formular auf Seite 2 den vor-
gegebenen Textbaustein: "
(…) der zuständige Gerichtsvollzieher (…)". Eine
Möglichkeit stattdessen den Vollziehungsbeamten einzutragen, sieht das For-
mular nicht vor.
b) Es ist mangels entsprechender Feststellungen des Vollstreckungs-
bzw. des Beschwerdegerichts zu den weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen
nicht ersichtlich, ob der Antrag des Gläubigers auf Erlass der Durchsuchungs-
anordnung Erfolg gehabt hätte. Da somit offen bleibt, welchen Ausgang das
Verfahren bei Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache genommen hätte,
waren dessen Kosten gegeneinander aufzuheben.
Kniffka
Safari Chabestari
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Vorinstanzen:
AG Meißen, Entscheidung vom 08.07.2013 - 1 M 1114/13 -
LG Dresden, Entscheidung vom 26.07.2013 - 2 T 502/13 -
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