Urteil des BGH vom 08.01.2009

BGH (stv, menge, einfuhr, einlassung, rauschgift, umfang, stpo, beihilfe, schuldspruch, prüfung)

5 StR 578/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 8. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Ah. wird das Urteil
des Landgerichts Dresden vom 26. Juni 2008 gegen die-
sen Angeklagten nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass er der
unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum uner-
laubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge schuldig ist, §§ 30, 29a BtMG,
§§ 25, 27, 52 StGB;
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten Ah. wegen unerlaubter Ein-
fuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit uner-
laubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu
einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Nichtre-
videnten C. F. , K. und I. A. hat es we-
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gen Beihilfe zur Tat des Angeklagten Ah. zu geringeren Freiheitsstrafen
verurteilt, deren Vollstreckung hinsichtlich K. und I. A. zur Be-
währung ausgesetzt worden ist. Die mit der Sachrüge geführte Revision des
Angeklagten Ah. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
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a) Der 22-jährige Angeklagte Ah. befand sich im Mai 2007 in fi-
nanziellen Schwierigkeiten. Er begehrte von seinem irakischen Landsmann
K. ein Darlehen über 2.000 €. Nachdem K. dieses Ansinnen ab-
gelehnt hatte, bat Ah. um Hilfe beim Ankauf von Drogen zum Gewinn
bringenden Weiterverkauf. K. und I. A. fühlten sich auf Grund
ihrer gemeinsamen kurdischen Volkszugehörigkeit verpflichtet, Ah. zu
helfen, und erklärten sich bereit, die zum Erwerb von Drogen in der Tsche-
chischen Republik notwendigen Kontakte herzustellen. K. erlangte
noch an demselben Tag die Zusage des deutschen Drogenhändlers C.
F. , am nächsten Tag mit den Irakern nach Teplice zu fahren.
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K. vermittelte dort den Kontakt zu einem Rauschgifthändler, von
dem Ah. 744 Gramm Crystal (437 Gramm Metamphetamin Base) erwarb
und in seinem Pkw unter der hinteren Sitzbank versteckte. F. hatte das
Rauschgift geprüft und dessen Qualität als gut befunden. Ah. reiste allein
zurück. Bei einer Kontrolle nach Überschreiten der bundesdeutschen Grenze
wurde das Rauschgift entdeckt und Ah. festgenommen.
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b) Der Angeklagte Ah. hat nach seiner vorläufigen Festnahme am
4. Mai 2007 – bestätigt bei seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter – ge-
standen, gegen eine Belohnung von 1.200 € „im Auftrag des C. “
250 Gramm Kokain nach Deutschland eingeführt zu haben. Nach einem Mo-
nat in Untersuchungshaft hat er seine Einlassung geändert und – wie auch
noch zu Beginn der Hauptverhandlung – vorgetragen, K. sei der Er-
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werber der Drogen gewesen und er sei nach Reparatur seines Wagens in
seiner Abwesenheit unter Bedrohung mit einer Waffe durch I. A. zu
dem Drogentransport genötigt worden. Diese Verteidigungsvariante hat das
Landgericht unter Heranziehung objektiver Umstände widerlegt.
c) Die Angeklagten K. und I. A. haben in ihren ermitt-
lungsrichterlichen Vernehmungen vom 9. Juni 2007 jede Tatbeteiligung
bestritten und geltend gemacht, in Teplice Frauen besucht zu haben. In der
Hauptverhandlung hat der Angeklagte K. über seinen Verteidiger An-
gaben gemacht, denen sich I. A. und F. angeschlossen haben
und die das Landgericht den Schuldsprüchen zugrundegelegt hat.
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2. Die Würdigung des Landgerichts, mit der es die Einlassungen der
Nichtrevidenten zum täterschaftlichen Handeltreiben als glaubhaft und die
Einlassung des Revidenten als unglaubhaft erachtet hat, hält der sachlich-
rechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erfüllt nicht die besonderen Anforderun-
gen, die in der auch hier insoweit gegebenen Konstellation Aussage gegen
Aussage zu stellen sind (vgl. BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 2; BtMG § 29
Beweiswürdigung 7; BGH StV 2000, 243, 244; 2007, 284, 285; Brause
NStZ 2007, 505, 509 f.) und die es gebieten, dass der Tatrichter alle Um-
stände, die die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen
einzubeziehen und in besonderem Maße eine Gesamtwürdigung aller Indi-
zien vorzunehmen hat (vgl. BGH StV 2000, 599; 2002, 467, 468). Daran fehlt
es hier.
Zwar hat sich das Landgericht zutreffend davon überzeugt, dass die
zuletzt vom Angeklagten Ah. vorgetragene Verteidigungsversion – zum
Drogentransport genötigt – nicht der Wahrheit entspricht. Damit war das
Landgericht aber nicht von der weitergehenden Prüfung entbunden, welche
Tatversion als Grundlage des Schuldspruchs für ein täterschaftliches uner-
laubtes Handeltreiben genommen werden durfte. Die Würdigung des Land-
gerichts ist insoweit in mehrfacher Hinsicht lückenhaft.
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a) Es hat lediglich die Einlassung des Revidenten geprüft, ob diese
darauf ausgerichtet sein konnte, dessen Tathandlung auf die Mitangeklagten
„abzuwälzen“ (UA S. 35). Indes hätten schon die festgestellten Umstände
Anlass geboten, auch umgekehrt eine wahrheitswidrige Belastung des Revi-
denten durch die Nichtrevidenten in Erwägung zu ziehen.
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Deren Einlassungen beruhten nämlich auf einer in Kenntnis des ge-
samten Verfahrensstoffes gefertigten schriftlichen Verteidigererklärung von
minderer Überzeugungskraft (vgl. BGH NJW 2003, 2692, 2694) und bargen
als interessengelenkte Aussagen ein unerörtert gebliebenes Falschbelas-
tungsrisiko (vgl. BGH StV 2004, 578, 579; Brause aaO S. 510). Die Einlas-
sungen bezweckten die jeweils eigene Verurteilung wegen Beihilfe, was in-
des nahezu zwingend die Verurteilung des Revidenten wegen täterschaftli-
chen Handeltreibens vorausgesetzt hätte.
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b) Das Landgericht hat es ferner unterlassen, die Plausibilität der Ein-
lassungen der Nichtrevidenten kritisch zu prüfen (vgl. BGHSt 50, 80, 85; 51,
324, 325). Dabei hätte sich die Erörterung aufgedrängt, ob es nicht jeder kri-
minalistischen Erfahrung widerspricht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Septem-
ber 2008 – 5 StR 224/08), dass die kurdischen Nichtrevidenten aus Altruis-
mus ein unverhältnismäßig hohes Bestrafungsrisiko eingegangen sind, nur
um einen Landsmann, zu dem keine näheren Bindungen bestanden, in eher
geringem Umfang finanziell besser zu stellen (vgl. auch BGH StV 2008, 182,
184).
c) Schließlich hat das Landgericht die erste geständige Einlassung
des Angeklagten Ah. – Einfuhr von Betäubungsmitteln als Kurier des da-
mals hauptberuflich als Betäubungsmittelhändler tätig gewesenen Angeklag-
ten F. (UA S. 12) – nicht erwogen, obwohl diese Tatvariante den Inte-
ressen dieser beiden Angeklagten in vollem Umfang entsprochen hätte.
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3. Der Senat schließt angesichts der noch zur Verfügung stehenden
Beweismittel minderer Qualität aus, dass ein neues Tatgericht weitergehen-
de als diese zuletzt genannten, dem angefochtenen Urteil zu entnehmenden
Mindestfeststellungen zum Nachteil des Angeklagten wird treffen können
(vgl. BGH StV 2007, 284, 285), dessen Vorsatz sich selbstverständlich auf
das eingeführte Rauschgift bezog. Hiervon ausgehend ändert der Senat den
Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Das neue Tatgericht
wird auf der Grundlage dieser Mindestfeststellungen und der zu den persön-
lichen Verhältnissen des Angeklagten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststel-
lungen eine neue Strafe zu bestimmen haben.
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