Urteil des BGH vom 03.07.2009

BGH (antragsteller, stelle, rechtspflege, notar, subjektives recht, bewerber, interesse, ausschreibung, antrag, staatssekretär)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 11/09
Verkündet
am:
22.
März
2010
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
wegen Bestellung zum Notar
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzen-
den Richter Galke, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den Richter Dr. Appl
sowie den Notar Justizrat Dr. Bauer und die Notarin Dr. Brose-Preuß
auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten wird
der Beschluss des Notarsenats des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 3. Juli 2009 - 1 Not 1/09 - aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückge-
wiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten beider Rechtszüge
zu tragen sowie dem Antragsgegner und dem weiteren Be-
teiligten entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
50.000 €
festgesetzt.
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Gründe:
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I. Der Antragsteller, ein Bezirksnotar in U. , bewarb sich auf die
im Dezember 2007 vom Antragsgegner auf seiner Internetseite
www.justiz-bw.de ausgeschriebene Stelle einer Notarin/eines Notars zur
hauptberuflichen Amtsausübung in U. . Die Stellenausschreibung ent-
hielt den Zusatz: "Das Justizministerium Baden-Württemberg behält sich
im Rahmen der ihm zustehenden Organisationsgewalt und Personalho-
heit vor, die Notarstelle im Interesse einer geordneten Rechtspflege nicht
durch die (Neu-)Bestellung eines Notars zur hauptberuflichen Amtsaus-
übung, sondern durch Verlegung des Amtssitzes eines im württembergi-
schen Rechtsgebiet bereits bestellten Notars im Hauptberuf zu beset-
zen."
Mit Bescheid vom 20. Januar 2009, zugestellt am 30. Januar 2009,
teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, die
ausgeschriebene Stelle mit dem weiteren Beteiligten zu besetzen. Der
weitere Beteiligte, zuvor ebenfalls Bezirksnotar, war am 1. November
2006 zum Notar im Hauptberuf mit Amtssitz in S. bestellt worden.
Die von ihm eingegangene Sozietät mit zwei weiteren Notaren im Haupt-
beruf endete am 30. September 2007. Seine - von einem Mitglied des
Landtages gegenüber dem Antragsgegner unterstützten - Bemühungen,
wieder in den Landesdienst als Bezirksnotar übernommen zu werden,
hatten keinen Erfolg. Jedoch zog der Antragsgegner eine Verlegung des
Amtssitzes in Betracht und forderte den weiteren Beteiligten zu einer
entsprechenden Stellungnahme auf. Der weitere Beteiligte ersuchte dar-
aufhin am 10. Oktober 2007 um die Verlegung seines Amtssitzes nach
U. . Ein bei dem Antragsgegner behördenintern gefertigter Vermerks-
entwurf vom 30. Oktober 2007 ging noch dahin, dieses Gesuch abzuleh-
nen; in dem endgültigen, am 29. November 2007 auf Leitungsebene ge-
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billigten Vermerk vom 8. November 2007 wurde die Ausschreibung einer
zweiten Stelle für einen Notar im Hauptberuf in U. aber befürwortet.
Ende November 2007 wandte sich der weitere Beteiligte an einen ihm
bekannten Staatssekretär, der sich mit Schreiben vom 29. November
2007, beim Antragsgegner eingegangen am 3. Dezember 2007, gegen-
über dem Antragsgegner für eine Verlegung des Amtssitzes nach U.
einsetzte. Der Antragsgegner antwortete mit Schreiben vom
18. Dezember 2007, er habe die Ausschreibung einer Notarstelle zur
hauptberuflichen Amtsausübung in U. veranlasst. Es stehe dem weite-
ren Beteiligten frei, sich auf diese Stelle zu bewerben, wobei es sich
nach den von Art. 33 Abs. 2 GG und der Bundesnotarordnung vorgege-
benen Leistungskriterien richte, welchem der Bewerber der Vorzug zu
geben sein werde.
In dem seinem Bescheid vom 20. Januar 2009 beigefügten Auszug
aus der Auswahlentscheidung verwies der Antragsgegner unter anderem
darauf, ein erheblicher Teil des sich für U. ergebenden Beurkundungs-
bedarfs werde durch acht im Amtsgerichtsbezirk N-U. (Bayern) be-
stellte Notare im Hauptberuf abgedeckt. Durch die Verlegung des Amts-
sitzes des weiteren Beteiligten solle das Beurkundungsvolumen der in
U. bereits tätigen Notare - vier Anwaltsnotare, ein Notar im Hauptberuf,
fünf Bezirksnotare - gestärkt und die Anzahl der in N-U. getätigten
Beurkundungen verringert werden. Auffällige, erhebliche Leistungsunter-
schiede der Bewerber aus den Reihen der Bezirksnotare gegenüber dem
weiteren Beteiligten seien nicht festzustellen.
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Das Oberlandesgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf ge-
richtliche Entscheidung stattgegeben, den Bescheid vom 20. Januar
2009 nebst der Entscheidung des Antragsgegners über die Amtssitzver-
legung des weiteren Beteiligten aufzuheben, und über seine Bewerbung
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auf die ausgeschriebene Notarstelle neu zu entscheiden. Zur Begrün-
dung hat es ausgeführt, eine bedarfsbezogene Einrichtung der zweiten
Notarstelle zur hauptberuflichen Amtsausübung in U. sei nicht erkenn-
bar, vielmehr sei die Ausschreibung unter Überschreitung des dem An-
tragsgegner zustehenden Organisationsermessens unter sachwidriger
Begünstigung eines einzelnen Bewerbers erfolgt. Hiergegen wendet sich
der weitere Beteiligte mit seiner sofortigen Beschwerde.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit
§ 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Sie ist darüber hinaus begründet.
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1. Sie hat allerdings nicht bereits deshalb Erfolg, weil der Antrag
auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig anzusehen wäre. Der An-
tragsgegner hat mit dem angegriffenen Bescheid vom 20. Januar 2009
seine Absicht erklärt, die für U. ausgeschriebene Notarstelle mit dem
weiteren Beteiligten zu besetzen; damit war für den Antragsteller die
rechtliche Möglichkeit zur Anfechtung der Auswahlentscheidung mit dem
Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Gestalt einer Verpflichtungsklage
eröffnet (vgl. BGHZ 69, 224, 226; Senatsbeschluss vom 5. Februar 1996
- NotZ 25/95 - juris Tz. 10).
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Jedoch ist das Begehren des Antragstellers in der Sache nicht ge-
rechtfertigt.
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2. Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Oberlandesgericht rich-
tig davon aus, dass nach § 4 BNotO so viele Notare zu bestellen sind,
wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht. Die
der Landesjustizverwaltung damit eingeräumte Bedürfnisprüfung ist eine
Ermessensentscheidung im Rahmen der staatlichen Bedarfsplanung, die
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von den Gerichten lediglich daraufhin nachgeprüft werden kann, ob die
gesetzlichen Grenzen des (Organisations-)Ermessens überschritten oder
von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 111 Abs. 1 Satz 3 BNotO). Das
Abstellen auf "die Erfordernisse der geordneten Rechtspflege" ist dabei
eine sachliche Begrenzung des Ermessens mit der Folge, dass der An-
tragsgegner seine Entscheidung ausschließlich an diesem Erfordernis
auszurichten hat (BGHZ 67, 348, 350; 73, 54, 56 f.; vgl. auch Senatsbe-
schluss vom 20. Juli 1998 - NotZ 31/97 - DNotZ 1999, 251, 252).
Das ist hier geschehen. Der Antragsgegner hat dafür zu sorgen,
dass die den Notaren gestellten Aufgaben (vgl. §§ 1, 20 ff. BNotO) von
diesen angemessen und effizient erfüllt werden können. Dazu gehört die
Sicherung einer zügigen und ortsnahen notariellen Betreuung der Bevöl-
kerung durch landeseigene Notare. Das vom Antragsteller in diesem Zu-
sammenhang hervorgehobene - im Vergleich zu S. - geringere Ur-
kundsaufkommen der in U. tätigen Notare ist zu einem wesentlichen
Teil darauf zurückzuführen, dass die rechtsuchende Bevölkerung für Be-
urkundungen zu acht Notaren im Hauptberuf "abwandert", die ihren
Amtssitz im benachbarten N-U. (Bayern) haben. Dem durfte der An-
tragsgegner durch die Schaffung einer zweiten Notarstelle zur hauptbe-
ruflichen Amtsausübung entgegenwirken. Es handelt sich um einen sach-
lichen, den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entsprechen-
den Grund, der sich ersichtlich in den Grenzen des dem Antragsgegner
zustehenden Organisationsermessens hält. Es ist grundsätzlich nicht zu
beanstanden, wenn die Landesjustizverwaltung eine umfassende Ver-
sorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen durch landes-
eigene Notare anstrebt.
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3. Die Belange der in U. eingesetzten Bezirksnotare - so auch
des Antragstellers - werden dadurch nicht berührt; insbesondere ist kei-
ne Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten aus den Artt. 33 Abs. 2,
12 Abs. 1 GG zu erkennen.
a) Abgesehen davon, dass der Antragsteller die Besetzung der neu
eingerichteten Stelle mit seiner Person anstrebt und sich dazu in Wider-
spruch setzt, wenn er die Schaffung der ausgeschriebenen Stelle als
sachwidrig und nicht dem tatsächlichen Bedarf an notariellen Dienstleis-
tungen entsprechend rügt, kann die Ausübung des Organisationsermes-
sens nach § 4 BNotO einen Bewerber grundsätzlich nicht in seinen sub-
jektiven Rechten verletzen, weil sie keine Schutznorm zu seinen Gunsten
darstellt. Die in § 4 BNotO statuierte Pflicht, Notare nach den Bedürfnis-
sen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen, besteht ausschließlich
gegenüber der Allgemeinheit und deren Interesse an einer funktionieren-
den vorsorgenden Rechtspflege. Der Verpflichtung der Landesjustizver-
waltung, ihr durch § 4 BNotO eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben,
steht insoweit kein subjektives Recht von Notarbewerbern gegenüber;
die Ermessensbindung der Verwaltung dient nicht dazu, Berufsaussich-
ten der Interessenten - hier insbesondere der Bezirksnotare - rechtlich
abzusichern (Senatsbeschlüsse vom 18. September 1995 - NotZ 46/94 -
DNotZ 1996, 902, 903 f.; vom 24. November 1997 - NotZ 10/97 - DNotZ
1999, 239, 240; vom 14. April 2008 - NotZ 118/07 - DNotZ 2008, 865).
Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass im württembergi-
schen Rechtsgebiet die Bestellung zum öffentlichen Notar eine weitere
(höchste) Beförderungsstufe in der beamtenrechtlichen Laufbahn für Be-
zirksnotare darstellt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2005 - NotZ
11/05 - ZNotP 2006, 37, 38).
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b) Durch die Einrichtung einer neuen Notarstelle wird auch deshalb
nicht in verfassungsmäßige Rechte der bereits amtierenden Notare ein-
gegriffen, weil Art. 12 Abs. 1 GG ebenso wie Art. 14 Abs. 1 GG nicht ge-
währleistet, dass einem Notar als dem Träger eines öffentlichen Amtes
Konkurrenten ferngehalten werden (BGHZ 67, 348, 351). Dies gilt erst
recht für im Landesdienst stehende beamtete Bezirksnotare. Zwar ist die
Einrichtung neuer Notarstellen mit der Einschränkung zu versehen, nur
so viele Stellen zu schaffen, dass dem jeweiligen Amtsinhaber ein sol-
ches Maß an finanzieller Unabhängigkeit gewährleist ist, dass er sich
nötigenfalls wirtschaftlichem Druck widersetzen kann (BGHZ 67 aaO
353; 73 aaO 57; Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05 -
DNotZ 2005, 947, 949; vom 20. November 2006 - NotZ 23/06 - juris
Tz. 12). Bezirksnotare sind indes Beamte im statusrechtlichen Sinne, für
deren Dienstverhältnis das allgemeine Beamtenrecht gilt. Im Rahmen
dieser statusrechtlichen Beamtenstellung üben sie die ihnen von § 3
Abs. 1 LFGG zugewiesenen Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege
aus. Der dadurch eröffnete sachliche Schutzbereich des Art. 33 Abs. 5
GG wird durch die vom Antragsteller durch die Schaffung einer weiteren
Notarstelle zur hauptberuflichen Amtsausübung befürchteten nachteili-
gen Veränderungen in Bezug auf Einkommen und Berufsbild nicht be-
rührt, denn eine Bestandsgarantie für die dem Antragsteller neben seiner
Besoldung zufließenden Gebührenanteile enthält Art. 33 Abs. 5 GG
nicht. Dass aus anderen Gründen eine verfassungsrechtlich relevante
Unteralimentierung drohen könnte, hat der Antragsteller nicht geltend
gemacht; es ist dafür auch sonst nichts ersichtlich (vgl. BGHZ 173, 297,
301 f.). Vielmehr ist die Grundversorgung des Antragstellers als Beamter
mit festen Bezügen gesichert. Das allein gewährleistet schon die für das
Amt des beamteten Notars notwendige wirtschaftliche Unabhängigkeit
(Senatsbeschluss vom 15. April 1991 - NotZ 1/91 - BGHR BNotO § 116
Abs. 1 Anwaltsnotar 1).
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4. Nicht nur bei der Errichtung, sondern auch bei der Besetzung
einer Notarstelle durch Verlegung des Amtssitzes eines bereits bestell-
ten Notars ist der Landesjustizverwaltung unter Beachtung der Belange
einer geordneten Rechtspflege (§ 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO) ein weitge-
hender, nur beschränkt einer gerichtlichen Überprüfung unterliegender
Entscheidungsspielraum gegeben (Senatsbeschlüsse vom 5. Februar
1996 - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906, 908; vom 26. März 2001 - NotZ
28/00 - DNotZ 2001, 730; vom 20. November 2006 aaO Tz. 6). Eine
Rechtsverletzung des Antragstellers auch in diesem Bereich scheidet
grundsätzlich aus, weil der erhebliche Ermessensspielraum, wie er der
Landesjustizverwaltung eingeräumt ist, sich allein organisationsrechtlich
und personalwirtschaftlich bestimmt (Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006
- NotZ 1/06 - DNotZ 2007, 63).
a) Insbesondere können es im Interesse einer geordneten Rechtspflege
Gründe der übergreifenden Personalplanung nahe legen, eine Amtssitz-
verlegung vorzunehmen oder sich dagegen zu entscheiden. Desgleichen
kann sich für die Landesjustizverwaltung das Erfordernis einer Amtssitz-
verlegung aus Umständen ergeben, die am bisherigen Amtssitz des No-
tars entstanden sind und die den Einsatz des Notars an anderer Stelle
als geboten erscheinen lassen; auch das fällt unter die organisations-
rechtliche Personalhoheit der Landesjustizverwaltung. Dabei können in
die Ausübung des Ermessens Umstände einfließen, wie sie vom An-
tragsteller selbst vorgetragen werden, insbesondere eine mangelnde
"Sozietätsfähigkeit" des betreffenden Notars mit dadurch bedingten feh-
lenden Sozietätsaussichten oder ein von ihm verursachtes "schlechtes
Klima" unter den ortsansässigen Notaren, um den Wechsel an einen an-
deren Amtssitz als notwendig erscheinen zu lassen. Sie sind ebenso be-
rücksichtigungsfähig wie der vom Antragsgegner vorgebrachte Gesichts-
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punkt, durch den Amtssitzwechsel eines bereits amtierenden Notars die
angestrebte zügige und ortsnahe notarielle Betreuung der Bevölkerung in
U. sicherzustellen (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 1981 - NotZ
14/80 - DNotZ 1981, 521, 522; vom 24. Juli 2006 aaO 64).
b) Wenn der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend
macht, der weitere Beteiligte erhalte in U. einen Standortvorteil im Hin-
blick auf die für das Jahr 2018 angestrebte Notariatsreform mit einer
Umstellung auf das freiberufliche Notariat, so übersieht er zum einen,
dass der weitere Beteiligte bereits seit dem 1. November 2006 Notar im
Hauptberuf ist und in dieser Eigenschaft lediglich die Verlegung seines
Amtssitzes erstrebt. Zum anderen hat der als Bezirksnotar derzeit in U.
eingesetzte Antragsteller keinen Anspruch darauf, nach der Notariatsre-
form als Notar im Hauptberuf ebenfalls in U. tätig zu sein. Die Anzahl
der für Bezirksnotare zur Verfügung stehenden Stellen für Notare im
Hauptberuf, auf die sie sich nach der Notariatsreform oder bereits zuvor
als Beförderungsstufe in ihrer beamtenrechtlichen Laufbahn bewerben
können, verringert sich durch die Amtssitzverlegung des weiteren Betei-
ligten zudem nicht, da seine Stelle in S. zur Wiederbesetzung vor-
gesehen ist.
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c) Die Entscheidung des Antragsgegners leidet auch nicht deshalb
an einem Rechtsfehler, weil ein Mitglied des Landtages und ein Staats-
sekretär sich darum bemühten, den weiteren Beteiligten bei seiner von
ihm in Aussicht genommenen beruflichen Veränderung zu unterstützen.
Denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass sie sich auf die angegrif-
fene Entscheidung des Antragsgegners ausgewirkt haben. Den Antrag
des weiteren Beteiligten, als Bezirksnotar in den Landesdienst zurückzu-
kehren, hat der Antragsgegner abschlägig beschieden. Zum Zeitpunkt,
als sich der Staatssekretär im Interesse des weiteren Beteiligten an den
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Antragsgegner wandte, stand dessen Entscheidung, eine weitere Notar-
stelle zur hauptberuflichen Amtsausübung in U. zu schaffen und
dafür den Amtssitzwechsel eines in Württemberg bereits bestellten No-
tars in Aussicht zu nehmen, bereits fest. Eine sachwidrige Einflussnahme
in dem Zeitraum zwischen dem 30. Oktober 2007 (Vermerksentwurf auf
Arbeitsebene) und dem 29. November 2007 (Billigung des mit Vermerk
vom 8. November 2007 unterbreiteten Entscheidungsvorschlags durch
den Minister) ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht
geltend gemacht. Im Übrigen ist das an den Staatssekretär seitens des
Antragsgegners gerichtete Schreiben vom 18. Dezember 2007 seinem
Inhalt nach nicht zu beanstanden, da dort ausdrücklich darauf verwiesen
wird, die Besetzungsentscheidung habe sich an den von Art. 33 Abs. 2
GG und der Bundesnotarordnung vorgegebenen Leistungskriterien zu
orientieren.
5. Allerdings ist dem Oberlandesgericht darin zuzustimmen, dass
zumindest Anhaltspunkte für eine bereits auf einen bestimmten Bewerber
- den weiteren Beteiligten - bezogene Ausschreibung gegeben sind, wie
sie nicht zuletzt die zeitlichen Zusammenhänge und der Zusatz offenba-
ren, den der Antragsgegner seiner Ausschreibung beigefügt hat.
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a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 4 BNotO (ausnahms-
weise) Schutzfunktionen entfalten kann, wenn die Landesjustizverwal-
tung die Grenzen ihres Organisationsermessens dergestalt überschreitet,
dass sie sich vom öffentlichen Interesse durch eine nicht bedarfs-, son-
dern rein bewerberbezogene Stellenermittlung löst unter sachfremder
Begünstigung oder Benachteiligung einzelner Bewerber (BGHZ 173, 297,
306; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2004 - NotZ 8/04 - ZNotP 2004, 410).
Dafür ist hier indes - wie ausgeführt - nichts ersichtlich, weil der An-
tragsgegner sich bei Schaffung einer zweiten Notarstelle zur hauptberuf-
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lichen Ausübung in U. an dem Bedürfnis nach einer angemessenen und
ausreichenden Versorgung der rechtsuchenden Bevölkerung mit notariel-
len Leistungen orientiert hat.
b) Die genannten Grundsätze haben gleichermaßen zu gelten,
wenn die Landesjustizverwaltung sich innerhalb des Besetzungsverfah-
rens bei ihrer der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten Ent-
scheidung, ob die frei gewordene oder neu geschaffene Stelle durch Ver-
legung des Amtssitzes eines bereits amtierenden Notars besetzt werden
soll, von Erwägungen leiten lässt, die nicht allein personalwirtschaftlich
oder organisationsrechtlich bestimmt sind. Wenn sie bei ihrer der Aus-
wahlentscheidung vorausgehenden Organisationsentscheidung schon
einen bestimmten Bewerber im Blick hat, ist ihr Beurteilungsmaßstab in
diesem Fall dahingehend modifiziert, dass bei auffälligen, erheblichen
Eignungsunterschieden zu konkurrierenden Bewerbern die Artt. 3, 12, 33
Abs. 2 GG zu berücksichtigen sind und damit das Prinzip der Bestenaus-
lese Beachtung zu finden hat, um dem öffentlichen Interesse an einer
geordneten Rechtspflege angemessen Rechnung zu tragen (vgl. Senats-
beschlüsse vom 14. Juli 2003 - NotZ 47/02 - ZNotP 2003, 470, 471; vom
7. Dezember 2006 - NotZ 24/06 - DNotZ 2007, 154, 155; vom 14. April
2008 - NotZ 114/07 - bei juris Tz. 4 [in DNotZ 2008, 862 nicht vollständig
abgedruckt]).
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c) Das hat der Antragsgegner indes erkannt und ausweislich der
Begründung seiner Auswahlentscheidung einen Leistungsvergleich vor-
genommen, der zugunsten des weiteren Beteiligten ausgefallen ist und
ausfallen durfte. Der - lebensältere - weitere Beteiligte wurde bereits am
1. Juli 1999 und damit vor dem Antragsteller (1. August 2004) zum Be-
zirksnotar bestellt. Das Ergebnis seiner württembergischen Notarprüfung
lag mit 8,76 Punkten über dem des Antragstellers, der 6,86 Punkte er-
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zielt hat. Seine letzte Anlassbeurteilung fiel mit 7,5 Punkten ebenfalls
besser aus als die des Antragstellers (6,5 Punkte).
Nach alledem ist die Entscheidung des Antragsgegners, die aus-
geschriebene Stelle im Wege eines Amtssitzwechsels und nicht aus den
Reihen der sich bewerbenden Bezirksnotare zu besetzen, nicht zu bean-
standen.
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Galke Kessal-Wulf Appl
Bauer Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 03.07.2009 - 1 Not 1/09 -