Urteil des BGH vom 06.01.2006

BGH (formelle beschwer, bestätigung, schuldner, forderung, plan, antrag, zpo, quote, glaubhaftmachung, annahme)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 10/06
vom
22. März 2007
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und Dr. Fischer
am 22. März 2007
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 86
des Landgerichts Berlin vom 6. Januar 2006 wird auf Kosten des
beteiligten Gläubigers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
397.757,34 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte zu 2 ist Verwalter in dem am 14. Januar 2005 er-
öffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Er hat im Juli
2005 einen Insolvenzplan vorgelegt. In dem darstellenden Teil wird ausgeführt,
dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufgrund der in den Jahren
2003 und 2004 von ihm abgegebenen Offenbarungsversicherungen bekannt
seien. Im Hinblick auf die von einem Dritten gegebene Zusage, einen Gesamt-
betrag von 1,9129 v. H. der ungesicherten Verbindlichkeiten zur Verfügung zu
stellen, werde den Gläubigern zur Abgeltung dieser Forderungen diese Quote
angeboten. Der Betrag sei bereits treuhänderisch mit der Weisung hinterlegt,
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die notwendigen Auszahlungen bei Zustandekommen des Plans vorzunehmen.
Auf eine Gruppenbildung werde verzichtet; Sicherungsrechte blieben unange-
tastet. Durch die Quote erhielten die Gläubiger mehr, als ihnen bei Nichtan-
nahme des Plans zuflösse. Bei einer Verfahrensdauer von sechs Jahren und
einer freien Masse von geschätzten 90.300 € ergäbe sich eine Quote von nur
0,11012 v. H., die zudem erst in mehreren Jahren gezahlt würde. Der gestal-
tende Teil des Plans sieht einen Verzicht der Gläubiger auf sämtliche Forde-
rungen und im Gegenzug eine Quote von 1,9129 v. H. auf alle festgestellten
oder noch feststellbaren nicht nachrangigen Forderungen vor, soweit diese
nicht werthaltig gesichert sind.
In dem besonderen Prüfungstermin vom 18. August 2005 hat der Insol-
venzverwalter die Forderung des zu 1 beteiligten Gläubigers (fortan: nur Gläu-
biger) unter laufender Nummer 33 der Tabelle nachträglich in Höhe von insge-
samt 10.387.772,16 € als Hauptforderung aus Darlehen sowie Zinsen und Kos-
ten anerkannt und darauf hingewiesen, dass der Gläubiger die Hauptforderung
aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung geltend mache. Weitere
482.977,29 € Zinsen hat der Insolvenzverwalter bestritten.
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Nach Erörterung des Plans vor dem Insolvenzgericht haben die anwe-
senden Gläubiger darüber abgestimmt. Die Verfahrensbevollmächtigte des
Gläubigers hat beantragt, "die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen
gemäß § 251 InsO". Zur Begründung hat sie zu Protokoll gegeben, dass dem
Gläubiger bei Annahme des Insolvenzplans die Möglichkeit abgeschnitten wer-
de, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens wegen der Forderung aus vorsätz-
lich begangener unerlaubter Handlung zu vollstrecken. Dies hat der Gläubiger
mit Schriftsatz vom 22. August 2005 näher ausgeführt. In dem am 25. August
2005 fortgesetzten Abstimmungstermin hat das Insolvenzgericht festgestellt,
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dass die für die Annahme erforderlichen Kopf- und Summenmehrheiten zustan-
de gekommen sind und der Schuldner dem Plan nicht widersprochen hat. Mit
Beschluss vom selben Tage hat es - unter Zurückweisung des Versagungsan-
trags des Gläubigers - den Plan bestätigt. Gegen die Bestätigung hat der Gläu-
biger sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde
nicht abgeholfen, das Landgericht hat sie zurückgewiesen. Hiergegen wendet
sich der Gläubiger mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Bei der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde prüft der Bundes-
gerichtshof nach § 574 Abs. 2 ZPO ebenso wie bei der Nichtzulassungsbe-
schwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach
§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (BGH, Beschl.
v. 29. September 2005 - IX ZB 430/02, WM 2006, 59, 60). Danach hat die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des
Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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1. In Bezug auf den in § 251 InsO verankerten Minderheitenschutz stellt
sich keine grundsätzliche Rechtsfrage.
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a) Das Landgericht meint, der Antrag des Gläubigers, die Bestätigung
des Insolvenzplans zu versagen, sei bereits unzulässig, weil dieser es versäumt
habe, seinen Widerspruch spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu
Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären (vgl. § 251 Abs. 1 Nr.1 InsO).
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aa) Nach der Sitzungsniederschrift vom 18. August 2005 sei, so das Be-
schwerdegericht, ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wor-
den. Der Gläubiger habe keinen Widerspruch erklärt. Dies sei selbst dann uner-
lässlich, wenn der Gläubiger - wie hier - zuvor gegen den Plan votiert habe. Die
Unterscheidung zwischen dem Widerspruch und dem Antrag gemäß § 251 In-
sO ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift; der Widerspruch sei danach
zwingende Tatbestandsvoraussetzung. Demgegenüber hält die Rechtsbe-
schwerde einen ausdrücklich erklärten Widerspruch in der Form des § 251
Abs. 1 Nr.1 InsO für entbehrlich, wenn der Gläubiger den Antrag, die Bestäti-
gung des Insolvenzplans zu versagen, bereits im Abstimmungstermin gestellt
hat.
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bb) Für die von der Rechtsbeschwerde vertretene einschränkende Aus-
legung des Wortlauts des § 251 Abs. 1 Nr. 1 InsO sprechen Sinn und Zweck
des Widerspruchserfordernisses. Es soll der Rechtssicherheit dienen (vgl. BT-
Drucks. 12/2443 S. 211 unter Bezugnahme auf S. 210). Der erforderliche Wi-
derspruch "spätestens im Abstimmungstermin" entspricht der für den Schuldner
geltenden Regelung des § 247 Abs. 1 InsO. Danach gilt dessen Zustimmung
als erteilt, wenn er dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich
oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widerspricht. Durch das Zusammenspiel
beider Vorschriften ist sichergestellt, dass bei Schluss des Abstimmungstermins
für den Schuldner und für die Gläubiger gleichermaßen Klarheit geschaffen ist,
ob der Insolvenzplan am Widerspruch eines der Beteiligten scheitern kann. Die
Erklärungspflicht verhindert zugleich eine unnötige Verzögerung des Verfah-
rens. Denn der Versagungsantrag des Gläubigers, für den keine Frist vorgese-
hen ist, kann gestellt werden, bis die Bestätigung des Plans rechtskräftig ge-
worden ist (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 212; MünchKomm-InsO/Sinz, § 251
Rn. 6). Überraschend gestellte Versagungsanträge ohne vorherigen Wider-
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spruch würden gegebenenfalls die Anberaumung eines neuen Prüfungstermins
erfordern. Die dadurch bedingte Verzögerung des Verfahrensablaufs - wie hier -
kann nicht eintreten, wenn der Gläubiger den Versagungsantrag schon im Ter-
min stellt und begründet. Dementsprechend hat der Senat in einem ähnlich ge-
lagerten Fall die formelle Beschwer des Rechtsmittelführers, die vorausgesetzt
hätte, dass er dem Plan vor seiner Bestätigung widersprochen hat, nicht für er-
forderlich gehalten (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Juli 2005 - IX ZB 266/04, ZIP 2005,
1648, 1649).
b) Die Rechtsfrage wird jedoch nicht entscheidungserheblich, weil das
Beschwerdegericht, ohne Grundsatzfragen zu berühren und ohne Divergenz
eine Schlechterstellung des Gläubigers (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit
Abs. 2 InsO) nicht als glaubhaft angesehen hat.
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aa) Es ist schon nicht glaubhaft, dass die von dem Rechtsbeschwerde-
führer angemeldete Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung
herrührt.
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(1) Der zugrunde liegende Prüfungsmaßstab ist hinreichend klar. Er er-
gibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Bestätigung ist zu versagen, wenn
die Schlechterstellung eines Gläubigers wahrscheinlicher ist als die Nicht-
schlechterstellung. Nach § 251 Abs. 2 InsO ist der Antrag des Gläubigers nur
zulässig, wenn die Schlechterstellung glaubhaft gemacht ist. Da eine Schlech-
terstellung durch den Insolvenzplan im Streitfall nur vorstellbar ist, wenn eine
Restschuldbefreiung die Forderung des Gläubigers nicht ergriffe, muss - neben
anderen Voraussetzungen - die behauptete Vorsatztat in diesem Sinne wahr-
scheinlich sein.
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(2) Der Gläubiger hat den von ihm behaupteten Eingehungsbetrug nicht
glaubhaft gemacht. Er hat sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf das
an ihn gerichtete Schreiben des Schuldners vom 29. Januar/13. Februar 2003
bezogen. Der Schuldner hat zu diesem "Geständnis" unter Beweisantritt vorge-
tragen, dass die darin enthaltenen Angaben, die sachlich nicht zuträfen, ihm
von der vorinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers unter An-
drohung der Verhaftung und einer seine Existenz vernichtenden bundesweiten
Pressekampagne wörtlich in die Feder diktiert worden seien. Dies ergebe sich
auch aus der ungelenken Schrift und den Streichungen im Text. Um dies aufzu-
klären, wären aufwendige Ermittlungen durch das Insolvenzgericht nötig, die
erst angezeigt sind, wenn der Antrag zulässig ist. Das Schreiben ist deshalb
kein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung.
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bb) Das Beschwerdegericht hat weiter angenommen, dass die Schlech-
terstellung des Gläubigers im Hinblick auf § 227 Abs. 1 InsO selbst dann nicht
wahrscheinlich sei, wenn hinsichtlich seiner Forderung keine Restschuldbefrei-
ung einträte. Auch in diesem Punkt ist ein Eingreifen des Rechtsbeschwerdege-
richts nicht angezeigt.
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(1) Über die Verweisungsnorm des § 4 InsO richtet sich die Form der
Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist im Rah-
men der Glaubhaftmachung eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen
kann, unstatthaft.
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(2) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, es stelle einen Gehörsverstoß dar,
wenn das Beschwerdegericht hinsichtlich der Ermittlung des hypothetischen
Pfändungsfreibetrages des Schuldners von dessen - bestrittenen - Angaben
ausgehe und sich über den Antrag des Gläubigers, ein Sachverständigengut-
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achten einzuholen, hinwegsetze, trifft angesichts der vorgenannten verfahrens-
rechtlichen Besonderheiten nicht zu. Aus der von der Rechtsbeschwerde ange-
führten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 19. Februar 2003
- IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400 f) ergibt sich nichts anderes. Die dort behan-
delten Substantiierungspflichten betreffen das ordentliche Klageverfahren und
beziehen sich nicht auf die hier erforderliche Glaubhaftmachung durch präsente
Beweismittel.
Es ergibt sich auch nicht von selbst, dass der Gläubiger nach Ablauf der
Wohlverhaltensperiode seine Forderung im Vollstreckungswege in höherem
Maße durchsetzen kann als nach dem Insolvenzplan.
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2. Das Beschwerdegericht meint, es lasse sich nicht feststellen, dass
eine unlautere Verhaltensweise des Schuldners für die Annahme des Insol-
venzplans im Sinne des § 250 Nr. 2 InsO ursächlich gewesen sei. Die Nichtan-
gabe einer etwaigen Kontoverbindung in den eidesstattlichen Versicherungen
von Mai 2003 und Juli 2004 habe keine Planrelevanz im Sinne des § 250 Nr. 2
InsO erlangt. Entscheidend sei die Vermögenslage des Schuldners im August
2005 gewesen. Diese im Wesentlichen tatrichterliche Würdigung bedarf eben-
falls keiner Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof.
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a) Die Rechtsbeschwerde sieht einen Gehörsverstoß darin, dass die Be-
schwerdekammer den Vortrag des Gläubigers zu weiteren Kontoverbindungen
des Schuldners, die in den im Insolvenzplan erwähnten Vermögensverzeichnis-
sen nicht aufgeführt seien, als unerheblich gewertet hat. Hierbei handelt es sich
um jeweils bei der C. geführte Konten des Schuldners Nr.
sowie der E .
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Ein Gehörsverstoß, der die Entscheidung des Landgerichts beeinflusst
haben könnte, ist nach der Begründung der Rechtsbeschwerde insoweit nicht
erkennbar.
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aa) In der am 9. Juli 2004 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung
wird das Konto des Schuldners angegeben. Ein unredliches Verhalten, das die
Gläubiger insoweit beeinflusst haben könnte, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht
auf.
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bb) Hinsichtlich der Konten der E. hatte der Schuldner mit
Schriftsatz vom 26. Oktober 2005 vorgetragen, dass die in den eidesstaatlichen
Versicherungen vermisste Kontoverbindung zuletzt Anfang 2004 einen Sollsal-
do von 4.636,33 € ausgewiesen habe. Der Insolvenzverwalter hat hierzu ausge-
führt, auf Nachfrage habe ihm keiner der Beteiligten darlegen können, dass die
nicht angeführten Konten Guthaben aufgewiesen hätten. Das Beschwerdege-
richt, dem die Ermittlungsakten, auf die sich der Gläubiger insoweit bezogen
hat, vorlagen, hat bei dieser Sachlage der Nichterwähnung der Konten der
E. rechtsfehlerfrei nicht das Gewicht beigemessen, welches den
Schluss auf eine unlautere Herbeiführung der Annahme des Plans rechtfertigte.
Sich aufdrängende - weiterführende - Erkenntnismöglichkeiten, die das Gericht
zu Lasten des Gläubigers übergangen haben könnte, zeigt die Rechtsbe-
schwerde nicht auf.
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b) Sie beanstandet hierzu weiter, der vom Beschwerdegericht verlangte
Nachweis, dass die Verheimlichung von Vermögensgegenständen durch den
Schuldner kausal für die Zustimmung der Gläubiger geworden sei, könne prak-
tisch nicht geführt werden. Es hätte deshalb allenfalls darauf abgestellt werden
dürfen, ob die Verheimlichung objektiv von einem solchen Gewicht gewesen
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sei, dass die Gläubiger dem Plan im Falle ihrer Kenntnis nicht zugestimmt hät-
ten. Diese Rechtsfrage stellt sich nicht. Das Beschwerdegericht hat dem Vor-
trag des Gläubigers in Verbindung mit den Ermittlungsakten und den Ergebnis-
sen der Prüfungstermine keine gewichtigen Anhaltspunkte für ein unlauteres
Verhalten entnehmen können. Dies verantwortet der Tatrichter und gibt keine
Veranlassung zu grundsätzlichen Rechtsausführungen durch das Rechtsbe-
schwerdegericht.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet
wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung
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des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen
(§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Ganter Raebel Kayser
Cierniak
Fischer
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 25.08.2005 - 107 IN 5647/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 06.01.2006 - 86 T 446/05 -