Urteil des BGH vom 01.02.2002

BGH (rechtliches gehör, verhandlung, grundstück, stellungnahme, gebäude, schneider, sache, befangenheit, minderung, mangel)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 361/00
Verkündet am:
1. Februar 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. Oktober 2000 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger betreibt in früher als Milchviehställen genutzten Gebäuden,
die er von ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften im
Jahr 1992 erworben hat, einen Einkaufsmarkt. Die in den 70er und 80er Jahren
errichteten Gebäude befinden sich zum Teil auf dem Grundstück des Klägers,
überwiegend jedoch auf dem angrenzenden Grundstück der Beklagten.
Der Kläger verlangt die Feststellung, daß die Beklagte nach dem Sa-
chenrechtsbereinigungsgesetz verpflichtet ist, ihr Grundstück an ihn zu ver-
kaufen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Be-
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klagten hat das Oberlandesgericht nach Einholung eines Sachverständigen-
gutachtens diese Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Hier-
gegen richtet sich die Revision des Klägers. Die Beklagte beantragt die Zu-
rückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Ankaufsberechtigung des Klägers.
Die Beklagte könne den Abschluß eines Kaufvertrages jedenfalls deshalb ver-
weigern, weil die Restnutzungsdauer der Gebäude weniger als 25 Jahre betra-
ge. Diese Beurteilung ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen des
beauftragten Sachverständigen.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
1. Die Revision rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe den Anspruch
des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
Der Kläger hat gegen das schriftliche Gutachten Einwände erhoben, in
erster Linie die Einholung eines Obergutachtens beantragt und hilfsweise den
Antrag gestellt, den Sachverständigen zum Termin zur mündlichen Verhand-
lung zu laden, um ihn zu den vorgebrachten Einwänden zu befragen. Das Be-
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rufungsgericht hat daraufhin die Einholung eines schriftlichen Ergänzungsgut-
achtens angeordnet. Die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom
11. August 2000 nahm der Kläger zum Anlaß, den Sachverständigen wegen
Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Das Ablehnungsgesuch hat das Be-
rufungsgericht mit Beschluß vom 15. September 2000 zurückgewiesen.
Der Kläger hat danach mit Schriftsatz vom 19. September 2000 weitere
Einwände gegen das schriftliche Ergänzungsgutachten vorgebracht und sich
dabei auf die entsprechenden Ausführungen eines von ihm eingeschalteten
Sachverständigen gestützt sowie im einzelnen insbesondere dargelegt, warum
ihm die vom gerichtlichen Sachverständigen vorgenommene Minderung der
Restnutzungsdauer als Folge der von ihm gesehenen Bauschäden nicht nach-
vollziehbar sei. Dazu hätte der Sachverständige geladen oder zu ergänzender
Stellungnahme aufgefordert werden müssen (BVerfG NJW 1998, 2273). Das ist
nicht geschehen und von der Revision zu Recht gerügt. Der Kläger hat dies
zwar nicht auch in der Schlußverhandlung vom 26. September 2000 gerügt.
Sein Rügerecht ist jedoch dadurch nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO verloren ge-
gangen, weil ihm der Mangel erst durch die Entscheidungsgründe des Beru-
fungsurteils bekannt wurde (BGH, Urt. v. 16. Juli 1998, I ZR 32/96, NJW 1999,
363, 364).
2. Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler. Es ist
zumindest nicht auszuschließen, daß eine Anhörung des Sachverständigen zu
ergänzenden Feststellungen hinsichtlich der Restnutzungsdauer im Sinne des
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§ 31 Abs. 1 SachenRBerG führt. Dies wird das Berufungsgericht zu prüfen ha-
ben. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Wenzel
Schneider
Krüger
Klein
Gaier