Urteil des BGH vom 16.07.2013

BGH: marihuana, besitz, parkplatz, beihilfe, einziehung, haus, verfall, aufbewahrung, verfügungsgewalt, eigentum

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 144/13
vom
16. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführer am 16. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und T.
wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 20. August
2012, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststel-
lungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmit-
tel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum uner-
laubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier
Fällen (F. ) bzw. drei Fällen (T. ), den Angeklagten T. zudem
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu „Freiheitsstrafen“ von drei Jahren und drei Monaten
(F. ) bzw. zwei Jahren und sechs Monaten (T. ) verurteilt. Es hat
außerdem die Einziehung von sichergestellten Gegenständen, den Verfall von
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Wertersatz in Höhe von 450
€ und den erweiterten Verfall in Höhe von 2.200 €
angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Im November 2010 beauftragte der gesondert verfolgte K. den Ange-
klagten F. , gegen eine Entlohnung von 150
€ einen Pkw VW Polo von
einem Ikea-Parkplatz zur Wohnung des F. zu fahren und den Inhalt des
Kofferraums dort zu deponieren. In dem Kofferraum befand sich eine große Ta-
sche mit mindestens zehn Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von
mindestens 5 % THC. Der Angeklagte F. deponierte das Marihuana ge-
mäß vorheriger Absprache mit seinem Halbbruder, dem Angeklagten T. ,
in dessen Zimmer im selben Haus, zu dem beide Angeklagte ständig Zugang
hatten (Fall 1 der Urteilsgründe).
Am selben Tag holte der Angeklagte F. im Auftrag des K. gegen
eine Entlohnung von 150
€ erneut zwei Reisetaschen mit jeweils mindestens
zehn Kilogramm Marihuana mit mindestens 5 % Wirkstoffgehalt von dem Ikea-
Parkplatz und deponierte sie nach Absprache mit dem Angeklagten T.
wiederum in dessen Zimmer. Die Taschen enthielten außerdem zwei Ha-
schischplatten, die der Angeklagte F. herausnahm und gesondert im Zim-
mer des Angeklagten T. lagerte (Fall 2 der Urteilsgründe).
Am 6. Dezember 2010 übernahm der Angeklagte F. im Auftrag des
K. und gegen eine Entlohnung von 150
€ auf dem Ikea-Parkplatz erneut
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zwei Taschen mit jeweils mindestens sechs Kilogramm Marihuana mit mindes-
tens 5 % Wirkstoffgehalt und deponierte sie nach Absprache mit dem Angeklag-
ten T. in dessen Zimmer (Fall 5 der Urteilsgründe).
Am 13. Dezember 2010 fuhr der Angeklagte F. gemeinsam mit
K. zu dem Ikea-Parkplatz und übernahm zwei Taschen mit insgesamt zwölf
Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 9,3 % und 1,5 Kilogramm
cannabishaltigem Material. Auf der Fahrt zu seinem Haus, wo er das Marihuana
gemäß Absprache mit dem Angeklagten T. in dessen Zimmer lagern
wollte, wurde er von Polizeibeamten angehalten und festgenommen. Die Be-
täubungsmittel wurden sichergestellt (Fall 7 der Urteilsgründe).
Der Angeklagte T. gab von den bei ihm gelagerten Betäubungs-
mitteln mindestens viermal etwas an Kuriere des K. heraus. Wann genau
welche Mengen der bei den einzelnen Taten vom Angeklagten F. in das
Zimmer verbrachten Betäubungsmittel herausgegeben wurden, konnte nicht
festgestellt werden. Im Zimmer des Angeklagten T. wurden bei einer
Durchsuchung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens u.a. 73,7 g Marihuana
und 467,89 g cannabishaltiges Material sowie zwei Haschischplatten sicherge-
stellt.
II.
Die Revisionen der Angeklagten haben Erfolg, weil die Annahme von vier
selbständigen Taten einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung verwirklicht der gleichzeitige Besitz
verschiedenartiger Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes
von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 1978
– 1 StR 173/78; Beschluss vom 19. August 1982 – 1 StR 87/82, StV 1982, 525;
Urteil vom 8. April 1997
– 1 StR 65/97, NStZ-RR 1997, 227; Urteil vom 11. De-
zember 2003
– 3 StR 375/03, NStZ-RR 2004, 146, 148; Beschluss vom 12. Ok-
tober 2004
– 4 StR 358/04, NStZ 2005, 228). Gegenüber dem täterschaftlich
begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
ger Menge tritt er zurück (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996
– 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 165 f.; Beschluss vom 2. Oktober 2008
– 3 StR 352/08, NStZ-RR 2009, 58). Er hat deshalb mangels Wertgleichheit
nicht die Kraft, selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG
erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Be-
schluss vom 17. Mai 1996
– 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 166; Weber, BtMG,
4. Aufl., § 29 Rn. 1380). Beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz
von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Beihilfe zum Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge behält der Besitz aber einen
eigenen Unrechtsgehalt und tritt nicht zurück, es besteht vielmehr Tateinheit
(st. Rspr.; u.a. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008
– 3 StR 352/08, NStZ-RR
2009, 58; Weber, aaO, Rn. 1373 mwN). Der unerlaubte Besitz von Betäu-
bungsmitteln hat in diesen Fällen demgemäß auch die Kraft, an sich selbstän-
dige Fälle der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht gerin-
ger Menge zur Tateinheit zu verklammern.
2. Die Feststellungen lassen besorgen, dass die Angeklagten eine tat-
sächliche Verfügungsgewalt zumindest zeitweise gleichzeitig über Betäubungs-
mittel aus mehr als nur einer der festgestellten Taten ausgeübt haben. Es er-
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scheint naheliegend, dass jedenfalls die im Fall 1 und 2 der Urteilsgründe am
selben Tag übernommenen Betäubungsmittel gleichzeitig aufbewahrt wurden,
und dass es sich bei den beiden beim Angeklagten T. nach der Tat 7 der
Urteilsgründe sichergestellten Haschischplatten um diejenigen aus Fall 2 der
Urteilsgründe gehandelt hat.
Der Senat hat davon abgesehen, den Schuldspruch selbst zu ändern.
Obgleich das Landgericht nicht feststellen konnte, wann genau welche Mengen
an Dritte herausgegeben wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der
neue Tatrichter weiter gehende Feststellungen zur zeitgleichen Aufbewahrung
von Betäubungsmitteln aus verschiedenen Taten zu treffen vermag. Soweit der
Angeklagte T. im Fall 7 der Urteilsgründe Betäubungsmittel aus früheren
Taten im Besitz hatte, würde allerdings die allein zeitgleiche Zusage der Aufbe-
wahrung weiterer Betäubungsmittel nicht ausreichen, um auch diese Beihilfe-
handlung zur Tateinheit zu verbinden.
III.
Sollte der neue Tatrichter wiederum eine Tatbeteiligung der Angeklagten
feststellen, wird er Gelegenheit haben, die Eigentumsverhältnisse der sicherge-
stellten Taschen in den Blick zu nehmen. Eine Einziehung gemäß § 74 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter zum Zeitpunkt der letzten tat-
richterlichen Entscheidung Eigentümer der Sache ist; im Übrigen kommt eine
Einziehung eines im Eigentum eines anderen Tatbeteiligten stehenden Gegen-
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standes nur in Betracht, wenn der andere die Verwendung gebilligt oder leicht-
fertig zu ihr beigetragen hat (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 74 Rn. 12a).
Mutzbauer
Roggenbuck
RiBGH Dr. Franke ist infolge
Urlaubs ortsabwesend und
daher an der Unterschrifts-
leistung gehindert.
Mutzbauer
Bender
Quentin