Urteil des BGH vom 16.06.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 157/08 Verkündet
am:
16. Juni 2009
Holmes,
Justizangestelle
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Aa
Die mangelnde Mitwirkung des Patienten an einer medizinisch gebotenen Be-
handlung schließt einen Behandlungsfehler nicht aus, wenn der Patient über
das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist.
BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08 - OLG Frankfurt/Main
LG
Frankfurt/Main
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juni 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll,
Wellner und Pauge und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2008 im Kos-
tenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers
hinsichtlich der Beklagten zu 1, 2 und 3 zurückgewiesen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das
auch über die Kosten der Revision und des Verfahrens der Nicht-
zulassungsbeschwerde hinsichtlich der Beklagten zu 4 zu ent-
scheiden haben wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger wurde am 25. März 1999 wegen eines Hypophysentumors in
der Klinik der Beklagten zu 1 von den Beklagten zu 2 und 3 operiert. Am 3. April
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1999 wurde er nach Hause entlassen. Am 5. April 1999 begann er körperlich
abzubauen. Die diensthabende Ärztin empfahl der Ehefrau telefonisch, den
Kläger wieder in die Klinik zu bringen, falls sich sein Zustand weiter verschlech-
tere. Am 6. April 1999 suchte der Kläger in geschwächtem Zustand und im
Rollstuhl sitzend in Begleitung seiner Ehefrau erneut die Klinik auf. Die Beklagte
zu 4 veranlasste eine MRT, die einen normalen Befund nach erfolgter Operati-
on eines Hypophysentumors ergab. Der Beklagte zu 3 riet die stationäre Auf-
nahme an und verordnete eine Infusionsbehandlung. Der Kläger lehnte dies ab
und begab sich wieder nach Hause. Am nächsten Tag wurde er notfallmäßig
wieder in die Klinik eingeliefert, nachdem er beim Aufstehen aus dem Bett ge-
fallen war und nicht mehr sprechen konnte. Der Beklagte zu 3 veranlasste die
Verlegung auf die Intensivstation, wo ein Schlaganfall diagnostiziert wurde.
Der Kläger, der bis zum 30. April 2000 vollständig arbeitsunfähig und da-
nach eingeschränkt arbeitsfähig war, hat die Beklagten zu 1 bis 4 auf Ersatz
materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landge-
richt hat die Klage nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengut-
achtens abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung hinsichtlich der
Beklagten zu 4 als unzulässig verworfen und das Rechtsmittel im Übrigen nach
Einholung eines medizinischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen
als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelasse-
nen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Beklagten zu 1
bis 3 weiter. Die ursprünglich auch hinsichtlich der Beklagten zu 4 eingelegte
Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger zurückgenommen.
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Entscheidungsgründe:
I.
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Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die nach der Operation bis
zur Entlassung des Klägers festgestellten Laborwerte keine Hinweise auf eine
Dehydration ergeben hätten. Deshalb sei es nicht behandlungsfehlerhaft gewe-
sen, dass dem Kläger das einer Austrocknung entgegenwirkende Medikament
"Minirin" weder mitgegeben noch verordnet worden sei. Die Beklagten hätten
aber gegen ihre Verpflichtung zur therapeutischen Aufklärung verstoßen und
damit einen Behandlungsfehler begangen, als sie den Kläger bei seiner Entlas-
sung am 3. April 1999 nicht in der gebotenen Form über die Gefahren einer
Dehydration und auch nicht darüber aufgeklärt hätten, dass er sich bei entspre-
chenden Anzeichen sofort wieder in die Klinik bzw. zu seinem Hausarzt bege-
ben müsse. Der Kläger habe jedoch nicht bewiesen, dass der fehlende Hinweis
auf die Gefahr der Austrocknung und die nicht erfolgte Gabe von "Minirin" für
seinen eventuellen Hirninfarkt bzw. die eingetretenen Durchblutungsstörungen
mit den daraus resultierenden Folgen ursächlich gewesen seien. Eine Umkehr
der Beweislast finde insoweit nicht statt, da der unterbliebene Hinweis keinen
groben, sondern nur einen einfachen Behandlungsfehler darstelle.
Für den Nachmittag des 6. April 1999 lasse sich ein Behandlungsfehler
nicht feststellen. Die von dem Beklagten zu 3 vorgesehenen Schritte, nämlich
eine sofortige Infusion und weitere diagnostische Maßnahmen, wären geeignet
gewesen, der Austrocknung entgegen zu wirken und den Hormonmangel zu
erkennen. Da der Kläger zu dieser Behandlung nicht bereit gewesen sei, schei-
de ein Behandlungsfehler aus. Das gelte selbst dann, wenn ihm und seiner da-
maligen Ehefrau die Risiken eines Flüssigkeitsmangels nicht deutlich gemacht
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worden seien. Es sei weder erforderlich noch möglich gewesen, den Kläger zur
Behandlung in der Klinik zu zwingen. Jedenfalls habe der Kläger nicht bewie-
sen, dass eine etwaige unzureichende Aufklärung über die Notwendigkeit einer
stationären Behandlung für den eingetretenen Gesundheitsschaden ursächlich
gewesen sei. Eine Umkehr der Beweislast komme auch insoweit nicht in Be-
tracht, denn eine unzureichende Aufklärung über die Risiken eines Flüssig-
keitsmangels sei kein grober, sondern allenfalls ein einfacher Behandlungsfeh-
ler.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
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1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht
keinen Behandlungsfehler darin gesehen hat, dass dem Kläger bei seiner Ent-
lassung am 3. April 1999 das einer Austrocknung entgegenwirkende Medika-
ment "Minirin" weder mitgegeben noch verordnet worden ist. Diese Beurteilung
entspricht den insoweit übereinstimmenden Bewertungen der beiden medizini-
schen Sachverständigen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Beru-
fungsgericht das Unterlassen eines deutlichen Hinweises auf die Gefahren ei-
ner Dehydration und auf die Notwendigkeit, sich bei entsprechenden Anzeichen
sofort wieder in die Klinik oder zum Hausarzt zu begeben, nicht als groben,
sondern als einfachen Behandlungsfehler eingestuft und deshalb eine Umkehr
der Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit dieses Fehlers für den eingetrete-
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nen Gesundheitsschaden des Klägers (Hirninfarkt oder Durchblutungsstörun-
gen) verneint hat.
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a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine
nicht hinreichende therapeutische Aufklärung einen ärztlichen Behandlungsfeh-
ler darstellen kann (Senatsurteil vom 27. Juni 1995 - VI ZR 32/94 - VersR 1995,
1099, 1100). Die Einstufung eines solchen ärztlichen Fehlverhaltens als einfa-
cher oder grober Fehler richtet sich nach den gesamten Umständen des Einzel-
falls, deren Würdigung weitgehend im tatrichterlichen Bereich liegt. Dabei hat
das Gericht die von ihm vorzunehmende Beurteilung anhand der vom Sachver-
ständigen unterbreiteten Fakten zu treffen (Senatsurteile vom 10. November
1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294; vom 23. März 1993 - VI ZR 26/92 -
VersR 1993, 836, 837; vom 29. Mai 2001 - VI ZR 120/00 - VersR 2001, 1030;
vom 19. Juni 2001 - VI ZR 286/00 - VersR 2001, 1115 f.; vom 3. Juli 2001
- VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116 f. und vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 -
VersR 2002, 1026, 1027 f.). Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Beru-
fungsgericht den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt und ob es bei
der Gewichtung dieses Fehlers erheblichen Prozessstoff außer Betracht gelas-
sen oder verfahrensfehlerhaft gewürdigt hat (ständige Rechtsprechung: vgl.
etwa Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01 - aaO m.w.N.).
b) Vorliegend gründet sich die tatrichterliche Bewertung auf nicht hinrei-
chende medizinische Darlegungen des Sachverständigen. Nach den vom Beru-
fungsgericht getroffenen Feststellungen war die Aufklärung des Klägers hin-
sichtlich der Risiken einer Dehydration sowie der Notwendigkeit, sich bei ent-
sprechenden Anzeichen umgehend in ärztliche Behandlung zu begeben, unzu-
reichend. Den darin liegenden Behandlungsfehler hat das Berufungsgericht un-
ter Hinweis auf die Ausführungen des zweitinstanzlichen Sachverständigen
Prof. Dr. R. B. nicht als groben, sondern (nur) als einfachen Fehler eingestuft.
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Wie die Revision mit Recht geltend macht, findet sich in dem schriftlichen
Sachverständigengutachten von Prof. Dr. R. B. zu dieser Frage lediglich die
Aussage, es könne kein ärztliches Fehlverhalten festgestellt werden, das einem
Neurochirurgen schlechterdings nicht unterlaufen dürfe. Diese Einschätzung
des Sachverständigen vermittelt keinerlei Fakten, sondern stellt eine nicht nä-
her begründete Wertung dar, die in keiner Weise nachvollziehbar ist. Sie steht
zudem in Widerspruch zu den Ausführungen des erstinstanzlich beauftragten
Sachverständigen Prof. Dr. H. B., der den unterlassenen Hinweis als schwer-
wiegend eingestuft und erklärt hat, dass so etwas eigentlich nicht passieren
dürfe. Diesen Widerspruch hätte das Berufungsgericht - gegebenenfalls durch
mündliche Anhörung der Sachverständigen - aufklären müssen (vgl. Senatsur-
teile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482; vom
27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 1969; vom 9. Januar
1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647, 648; vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 -
VersR 2001, 859, 860 und vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02 - VersR 2004,
790, 791; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - IV ZR 220/92 - VersR 1994, 162,
163).
Soweit das Berufungsgericht ausführt, dem erstinstanzlichen Sachver-
ständigen Prof. Dr. H. B. sei deshalb nicht zu folgen, weil er den Hinweis auf die
Austrocknungsgefahr noch nicht einmal als dokumentationspflichtig ansehe,
weist die Revision mit Recht darauf hin, dass das Bestehen oder Nichtbestehen
einer Dokumentationspflicht hinsichtlich eines erforderlichen Hinweises nichts
darüber aussagt, ob das Unterbleiben eines solchen Hinweises ein einfacher
oder ein grober Behandlungsfehler ist. Ob Prof. Dr. H. B. den mündlichen Hin-
weis auf die Austrocknungsgefahr tatsächlich für nicht dokumentationspflichtig
gehalten hat, wogegen im Übrigen seine mündlichen Ausführungen bei seiner
persönlichen Anhörung vor dem Landgericht sprechen könnten, ist deshalb in
diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
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Die Revision beanstandet zudem mit Recht, dass das Berufungsgericht
gemeint hat, gegen die Annahme eines nicht groben Behandlungsfehlers spre-
che auch der Umstand, dass die diesbezügliche Problematik in dem Entlas-
sungsbericht für den Hausarzt angesprochen worden sei. Diese richterliche Be-
urteilung steht in Widerspruch zu den vorangehenden Ausführungen im Beru-
fungsurteil, in denen es heißt, die in dem an den Hausarzt gerichteten hand-
schriftlichen Entlassungsbrief enthaltene Empfehlung einer weiteren endokrino-
logischen Kontrolle genüge nicht zur hinreichenden Aufklärung des Klägers,
weil der Brief nicht an ihn gerichtet gewesen sei, sich möglicherweise auch in
einem verschlossenen Umschlag befunden habe und sich dem Kläger als me-
dizinischem Laien nicht habe erschließen können, dass mit der genannten
Empfehlung auf die Gefahr eines diabetis insipidus hingewiesen worden sei.
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c) Da nicht auszuschließen ist, dass die Bewertung der unzureichenden
Aufklärung als einfacher Behandlungsfehler möglicherweise anders ausgefallen
wäre, wenn sich das Berufungsgericht auf ausreichende Tatsachengrundlagen
gestützt hätte, kann die damit begründete Ablehnung einer Umkehr der Beweis-
last hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs für den eingetretenen Gesund-
heitsschaden keinen Bestand haben.
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3. Die Revision wendet sich mit Recht auch gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, dass sich für den 6. April 1999 kein Behandlungsfehler fest-
stellen lasse. Sie macht geltend, die mangelnde Mitwirkung (non-compliance)
des Klägers an der erforderlichen stationären Behandlung schließe einen Be-
handlungsfehler deshalb nicht aus, weil der Kläger über das Risiko einer Nicht-
behandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden sei.
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a) Das Berufungsgericht folgt der Bewertung des zweitinstanzlichen
Sachverständigen Prof. Dr. R. B., der die von dem Beklagten zu 3 an diesem
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Tag verordnete Infusionsbehandlung in Verbindung mit weiterer Diagnostik als
sachgerecht bezeichnet hat. Es lässt offen, ob der Kläger auf die besonderen
Gefahren hingewiesen worden sei, die angesichts seines Gesundheitszustands
bei einem Verlassen des Krankenhauses bestanden, unterstellt aber zugunsten
des Klägers, dass dieser nicht ausdrücklich auf das Risiko von Spätschäden
infolge eines Flüssigkeitsmangels hingewiesen worden sei. Darin sieht es je-
doch deshalb keinen Behandlungsfehler, weil Prof. Dr. R. B. in seinem Gutach-
ten ausgeführt habe, es sei nicht erforderlich und auch nicht möglich gewesen,
den Kläger zur Behandlung in der Klinik zu zwingen. Dem kann nicht gefolgt
werden. Das Berufungsgericht verkennt, dass es für die Frage, ob den Ärzten
der Beklagten zu 1 ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, nicht darauf an-
kommt, ob der Kläger zu einer stationären Aufnahme hätte gezwungen werden
können oder müssen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Kläger über de-
ren Notwendigkeit nicht in der gebotenen Weise informiert worden ist. Wie der
erkennende Senat für den Fall der therapeutischen Aufklärung entschieden hat,
kann dem Patienten die Nichtbefolgung ärztlicher Anweisungen oder Empfeh-
lungen mit Rücksicht auf den Wissens- und Informationsvorsprung des Arztes
gegenüber dem medizinischen Laien nur dann als Obliegenheitsverletzung oder
Mitverschulden angelastet werden, wenn er diese Anweisungen oder Empfeh-
lungen auch verstanden hat (Senatsurteile vom 17. Dezember 1996 - VI ZR
133/95 - VersR 1997, 449, 450 und vom 24. Juni 1997 - VI ZR 94/96 - VersR
1997, 1357). Dass dies beim Kläger der Fall gewesen sei, lässt sich den Aus-
führungen in dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, zumal das Beru-
fungsgericht zugunsten des Klägers unterstellt, dass jedenfalls das Risiko von
Spätschäden durch Flüssigkeitsmangel nicht ausdrücklich zur Sprache gekom-
men sei. Dass sich der Beklagte zu 3 trotz des reduzierten Allgemeinzustands
des Klägers mit diesem unterhalten konnte, lässt entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts für sich allein nicht darauf schließen, dass diesem die Ge-
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fährlichkeit einer Nichtbehandlung bewusst war, als er sich dazu entschloss, die
Klinik zu verlassen.
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b) Entgegen der Auffassung der Revision führt die mangelnde Aufklärung
über die Erforderlichkeit einer weiteren Behandlung nicht ohne Weiteres zu ei-
ner Beweislastumkehr zugunsten des Patienten, wenn dessen mangelnde Mit-
wirkung auf dem Aufklärungsfehler beruht. Der Umstand, dass die vom Arzt
geschuldete therapeutische Beratung zu den selbstverständlichen ärztlichen
Behandlungspflichten gehört (Senatsurteil BGHZ 107, 222, 227 m.w.N.), recht-
fertigt es für sich allein nicht, der Behandlungsseite die Beweislast dafür aufzu-
erlegen, dass die Verletzung dieser Pflicht für die eingetretene Gesundheits-
schädigung nicht ursächlich geworden ist. Nach gefestigter Rechtsprechung ist
eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwi-
schen ärztlichem Fehler und einem eingetretenen Gesundheitsschaden nur
dann gerechtfertigt, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behand-
lungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen
Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint,
weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. u.a. Senatsurteil
vom 3. Juli 2001 - VI ZR 418/99 - VersR 2001, 1116, 1117). Die Umkehr der
Beweislast stellt keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden
dar, sondern knüpft daran an, dass wegen des Gewichts des Behandlungsfeh-
lers die Aufklärung des Behandlungsgeschehens in besonderer Weise er-
schwert worden sein kann (st. Rspr.; vgl. u.a. Senatsurteil vom 24. September
1996 - VI ZR 303/95 - VersR 1996, 1535, 1536). Diese Voraussetzung ist aber
entgegen der Auffassung der Revision bei einer fehlerhaften therapeutischen
Aufklärung nicht von vornherein zu bejahen, sondern hängt auch hier vom je-
weiligen Einzelfall ab. Deshalb trägt der Patient - wie bei jedem anderen Be-
handlungsfehler auch - grundsätzlich die Beweislast für den Ursachenzusam-
menhang zwischen der unterlassenen Behandlung und dem Gesundheitsscha-
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den (Senatsurteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122).
Eine Beweislastumkehr ist wie auch sonst bei Behandlungsfehlern nur gerecht-
fertigt, wenn sich der bei der therapeutischen Aufklärung unterlaufene Pflich-
tenverstoß des Arztes als grober Behandlungsfehler darstellt (vgl. Senatsurteil
BGHZ 159, 48, 53 ff. m.w.N.).
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c) Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, dass der in einer etwaigen unzureichenden therapeutischen
Aufklärung liegende Behandlungsfehler jedenfalls kein grober, sondern nur ein
einfacher Fehler sei. Auch für diese tatrichterliche Bewertung fehlt es an hinrei-
chenden medizinischen Darlegungen des Sachverständigen. Das Berufungsge-
richt verweist zur Begründung seiner Beurteilung lediglich auf seine vorherge-
henden Ausführungen zur Ablehnung einer Umkehr der Beweislast bezüglich
der Folgen der unzureichenden therapeutischen Aufklärung des Klägers bei
seiner Entlassung am 3. April 1999. Inwieweit der Sachverständige Prof. Dr. R.
B., dem das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gefolgt ist, zu der un-
zureichenden Aufklärung über die Erforderlichkeit und Dringlichkeit der stationä-
ren Aufnahme des Klägers am 6. April 1999 Stellung genommen hat, wird nicht
dargelegt. Wie die Revision mit Recht geltend macht, hat sich Prof. Dr. R. B. zu
der Frage der Erforderlichkeit einer Aufklärung über das Risiko des Unterblei-
bens einer stationären Behandlung überhaupt nicht geäußert. Bei dieser Sach-
lage durfte das Berufungsgericht, das eigene medizinische Sachkunde nicht
dargelegt hat, einen groben Behandlungsfehler auch in diesem Punkt nicht oh-
ne ausreichende tatsächliche Feststellungen verneinen.
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4. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderli-
chen Feststellungen nachgeholt werden können.
Müller Zoll Wellner
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 21.06.2006 - 2/4 O 90/02 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 27.05.2008 - 8 U 180/06 -