Urteil des BGH vom 17.01.2002

BGH (bundesrepublik deutschland, stpo, beihilfe, diebstahl, aufhebung, schuldspruch, gesamtstrafe, täterschaft, umfang, hauptverhandlung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 450/01
vom
17. Januar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Bandendiebstahls u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwer-
deführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag -
am 17. Januar 2002 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Krefeld vom 16. Mai 2001 wird
a) das Verfahren in den Fällen III. 9, 15, 19 und 21 der Ur-
teilsgründe vorläufig eingestellt; im Umfang der Einstel-
lung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendi-
gen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur
Last;
b) das vorgenannte Urteil
aa) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Ange-
klagte des Bandendiebstahls in 14 Fällen, des ver-
suchten Bandendiebstahls und der Beihilfe zum
Diebstahl in zwei Fällen schuldig ist,
bb) im Ausspruch über die in den Fällen III. 6 und 12 der
Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie im
Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehöri-
gen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden
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Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandendiebstahls in
16 Fällen und wegen versuchten Bandendiebstahls in fünf weiteren Fällen zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich
der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts
gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg; im übrigen ist es
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in
seiner Antragsschrift genannten Gründen der Erfolg versagt. Ergänzend be-
merkt der Senat, daß entgegen der Auffassung der Revision auch kein Verstoß
gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK vorliegt, weil das Verfahren nach den
Grundsätzen der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Urteile vom 18. Oktober
2001 über die Individualbeschwerde Nr. 37225/97 - N.F.B. gegen die Bundes-
republik Deutschland; vom 26. April 1991 - 30/1990/221/283 - Asch gegen
Österreich = EuGRZ 1992, 474; vom 28. August 1992 - 39/1991/291/362 -
Artner gegen Österreich = EuGRZ 1992, 476) insgesamt nicht unfair war.
2. Die Sachrüge ist dagegen teilweise begründet.
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In den Fällen III. 6 und 12 der Urteilsgründe hat sich der Beschwerde-
führer nicht des gemeinschaftlich begangenen Bandendiebstahls (§§ 244 Abs.
1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht, da die frühere Mitangeklagte
S. und die anderweitig verfolgte O. die bei diesen
Taten entwendeten Textilien nicht als Bandenmitglieder, sondern für sich selbst
gestohlen haben. Diese Taten können deshalb nur als einfache Diebstähle ge-
wertet werden (vgl. BGH NStZ 2000, 30). Hierzu hat der Angeklagte nach den
getroffenen Feststellungen aber zumindest Beihilfe geleistet. Der Senat ändert
den Schuldspruch selbst ab, da ausgeschlossen werden kann, daß im Rahmen
einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden kön-
nen, die insoweit eine Verurteilung des Angeklagten als Mittäter rechtfertigen.
§ 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich der
Angeklagte gegen den geringeren Vorwurf der Beihilfe zum Diebstahl nicht
wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Im übrigen zieht die Revision erfolglos in Zweifel, daß der Beschwerde-
führer Mittäter der Bandendiebstähle war. Die Formulierungen auf Seite 36 des
Urteils lassen allerdings besorgen, daß das Landgericht die Entscheidung des
Großen Senats für Strafsachen vom 22. März 2001 (BGHSt - GSSt - 46, 321)
fehlerhaft dahin mißverstanden hat, daß die Mitgliedschaft in einer Bande mit
der Teilnahmeform der Täterschaft gleichzusetzen ist. Auch beim Bandendieb-
stahl gelten die allgemeinen Teilnahme- und Zurechnungsregeln (aaO S. 338).
Ein Bandenmitglied kann deshalb je nach den Umständen des Einzelfalls als
Mittäter oder als Gehilfe handeln. Die hierzu getroffenen konkreten Feststel-
lungen und weiteren Erwägungen belegen jedoch, daß das Landgericht hin-
sichtlich der bandenmäßig begangenen Taten im Ergebnis rechtsfehlerfrei von
einer Täterschaft des Angeklagten ausgegangen ist.
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Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der in den
Fällen III. 6 und 12 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie des Aus-
spruchs über die Gesamtstrafe.
Tolksdorf Rissing-van Saan Miebach
von Lienen Becker