Urteil des BGH vom 03.05.2006

BGH (stadt, bad, berufliche tätigkeit, einheitliche auslegung, beauftragter, funktion, gemeinde, aufgaben, rechtsfrage, zulassung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwSt (B) 6/06
vom
20. März 2007
in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren
wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-
Räntsch sowie die Rechtsanwälte Dr. Wosgien, Professor Dr. Quaas und
Dr. Martini am 20. März 2007 beschlossen:
Die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft dagegen, dass
der 2. Senat des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz die Revisi-
on gegen sein Urteil vom 3. Mai 2006 nicht zugelassen hat, wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsanwaltskammer hat die Kosten des Rechtsmittels der
Beschwerdeführerin und die dem Rechtsanwalt dadurch entstan-
denen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
Der Rechtsanwalt ist vom Anwaltsgericht wegen eines Verstoßes gegen
§ 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu einem Verweis und einer Geldbuße von 2000 € ver-
urteilt worden. Auf seine Berufung hat ihn der Anwaltsgerichtshof
durch Urteil vom 3. Mai 2006 freigesprochen. Die Revision gegen das Ur-
teil hat er nicht zugelassen. Die Generalstaatsanwaltschaft K. hat gegen
das Urteil fristgerecht „Revision“, die als Nichtzulassungsbeschwerde auszule-
gen ist, eingelegt und diese binnen Monatsfrist nach Zustellung des Urteils be-
gründet.
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Der Anwaltsgerichtshof hat entsprechend dem Anwaltsgericht folgendes
festgestellt:
Der Rechtsanwalt ist vom Landkreis Bad K. als staatlicher Beauftragter
für Organe der Stadt Bad M. bestellt worden. Er soll-
te insbesondere die städtischen Kurbetriebe liquidieren bzw. einer wirtschaftli-
chen Nutzung zu führen. Zur Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen wurden
zwei Verträge zwischen dem Landkreis und dem Rechtsanwalt geschlossen, in
denen auf die Bestellung des Rechtsanwalts als staatlicher Beauftragter für die
Organe Bürgermeister, Stadtrat und das Teilorgan "Kurbetriebsausschuss" Be-
zug genommen wurde. U. a. wurde die Haftung nach beamtenrechtlichen
Grundsätzen geregelt. Abgerechnet sollte nicht nach der BRAGO, sondern
nach dem zeitlichen und sachlichen Aufwand werden.
Der Rechtsanwalt erteilte im Rahmen dieser Aufgaben einer Frau H.
ein Mandat, das insbesondere den Verkauf der Kurbetriebe umfasste. In der
Präambel zu diesem Vertrag heißt es, dass die Stadt Bad M.
unter staatlicher Zwangsverwaltung steht und die Staatsaufsicht einen
Beauftragten gemäß § 124 der Gemeindeordnung eingesetzt hat. Die Präambel
unterschrieben hatte der Rechtsanwalt mit dem Zusatz „Staatsbeauftragter“. In
der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Stadt und Frau
H. über deren geltend gemachte Forderungen gegenüber der Stadt. In
dieser Auseinandersetzung vertrat der Rechtsanwalt als anwaltlicher Vertreter
die Stadt und rechnete mit Gebühren nach der BRAGO ab.
Entgegen
dem
Anwaltsgericht ist der Anwaltsgerichtshof entsprechend
der Einlassung des Rechtsanwalts davon ausgegangen, dass dieser bei der
Erteilung des Akquisitionsmandats an Frau H. auf Grund eines anwalt-
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lichen Dauerberatungsvertrags mit dem Landkreis Bad K. (an anderer
Stelle heißt es mit der Stadt Bad M. ) tätig geworden sei.
Er hat u. a. ausgeführt: „ Die Tätigkeit als Beauftragter für die Stadt Bad
M. gibt dem Rechtsanwalt nicht die Stellung eines Beamten,
Bürgermeisters oder eine vergleichbare Funktion. Der Rechtsanwalt erfüllt auch
keine hoheitliche Tätigkeit, sondern wird auf dem Gebiet des Fiskalprivatrechts
tätig. Der Rechtsanwalt hat von der Stadt Bad M. ein Dauer-
mandat erhalten, das er wahrnimmt… Die vereinbarten vertraglichen Regelun-
gen sprechen eindeutig dafür, dass der Rechtsanwalt die Tätigkeit als Beauf-
tragter für die Stadt Bad M. in seiner Eigenschaft als Anwalt aus-
führt…“
Die Generalstaatsanwaltschaft K. sieht eine Frage von grundsätzli-
cher Bedeutung im Folgenden:
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Bedeutet die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Staatlichen Beauftrag-
ten für die Organe einer Stadt im Sinne der §§ 124 Abs. 1, 118 Abs. 1 GemO
lediglich die Übertragung eines anwaltlichen Dauermandats oder ist die als
Staatlicher Beauftragter entfaltete entgeltliche Tätigkeit als berufliche Tätigkeit
außerhalb seiner Anwaltstätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO zu wer-
ten?
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Der Anwaltsgerichtshof hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt, dass die dem Rechtsanwalt
übertragene Funktion eines Beauftragten gemäß § 124 GemO Rh.-Pf. nicht als
anwaltliche Tätigkeit gewertet werden kann, und beantragt, die Revision zuzu-
lassen, weil die Frage, welche Rechtsstellung der nach einer Gemeindeordnung
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von der Rechtsaufsichtsbehörde bestellte Beauftragte innehat, der Klärung und
Entscheidung bedarf.
II.
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Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 145 Abs. 3 BRAO), aber nicht begründet.
Nach § 145 Abs. 2 BRAO darf der Anwaltsgerichtshof die Revision nur
zulassen, wenn er über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufs-
pflichten entschieden hat, die von grundsätzlicher Bedeutung sind, deren Be-
antwortung also über den Einzelfall hinausweist. Eine Entscheidung über eine
solche Frage liegt auch dann vor, wenn er stillschweigend von einer bestimm-
ten Rechtsansicht über diese Frage ausgegangen ist (vgl. BGHSt 17, 21 f.).
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Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist nicht gegeben, wenn deren Be-
antwortung selbstverständlich oder die Frage bereits geklärt ist.
1. Nach § 124 GemO Rh.-Pf. kann die Aufsichtsbehörde zur Aufrechter-
haltung einer gesetzmäßigen Verwaltung in der Gemeinde einen Beauftragten
bestellen. Dieser kann alle oder einzelne Aufgaben der Gemeindeorgane auf
Kosten der Gemeinde wahrnehmen (§ 124 Abs. 2 GemO Rh.-Pf.). Durch die
Beauftragung wird ein öffentlich-rechtliches Verhältnis besonderer Art begrün-
det. Der Beauftragte ist bei der Durchführung seines Auftrags an die Weisungen
der Rechtsaufsichtsbehörde gebunden (vgl. Nr. 5 VwV zu dem vergleichbaren
§ 124 GemO BW), er ist vom Staatswillen abhängig (Pappermann, DVBl. 1972,
753, 754). Der Beauftragte ist Träger hoheitlicher Gewalt, auf ihn gehen die Zu-
ständigkeiten des Gemeindeorgans über, die in der Aufsichtsverfügung aufge-
führt sind (Kuntze/Schmidt, Komm. z. GemO BW, 4. Aufl. § 124 Rdn. 1, 11).
Wird ein Rechtsanwalt, was möglich ist (Pappermann, aaO S. 755; Kunt-
ze/Schmidt, aaO § 124 Rdn. 17), als Staatsbeauftragter bestellt, führt dies zu
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keiner anderen Beurteilung. Zu Recht hat der Generalbundesanwalt darauf hin-
gewiesen, dass ein als Staatsbeauftragter bestellter Rechtsanwalt, der in dieser
Funktion tätig wird, eine öffentlich-rechtliche, nicht aber eine anwaltliche, d. h.
eine durch den Grundsatz der Staatsunabhängigkeit gekennzeichnete Tätigkeit
ausübt. Dass einzelne Aufgaben, die der Staatsbeauftragte wahrzunehmen hat,
unter Umständen auch einem Rechtsanwalt auf Grund eines Mandats übertra-
gen werden könnten, steht dem nicht entgegen. Dies hat der Anwaltsgerichts-
hof, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, verkannt.
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bedarf es der
Zulassung der Revision zur Klärung dieser Rechtsfrage jedoch nicht.
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Die Rechtsstellung des von der Aufsichtsbehörde einer Gemeinde einge-
setzten Staatsbeauftragten ergibt sich aus dem Gesetz. Dass der Staatsbeauf-
tragte - wie sich schon aus der Bezeichnung ergibt - eine staatliche Funktion
erfüllt, ist auch in der verwaltungsrechtlichen Literatur nicht umstritten (Schmidt-
Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht 12. Aufl. 1. Kap. IV 2 a Rdn. 42; Ach-
tenberger/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht Bd. II 2. Aufl.
Rdn. 122, 123). Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtsfrage - etwa
um eine einheitliche Auslegung und Anwendung zu gewährleisten - danach
nicht zu. Die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall rechtfertigt die Zulas-
sung der Revision nicht.
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Die
Kostenentscheidung
beruht auf § 473 Abs. 1, 2 StPO, §§ 116, 198
BRAO.
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Hirsch Otten Ernemann Schmidt-Räntsch
Wosgien Quaas Martini
Vorinstanz:
AGH Koblenz, Entscheidung vom 03.05.2006 - 2 AGH 2/06 -