Urteil des BGH vom 10.05.1994

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 284/04
Verkündet am:
21. September 2005
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 307 Abs. 1 Ba, 308 Nr. 4
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Versandhandelsunternehmens
gegenüber Verbrauchern verwendete Klausel
"Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen
einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu."
ist unter Berücksichtigung der sich daran anschließenden Sätze
"Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben.
Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berech-
tigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; …"
gemäß §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
BGH, Urteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 284/04 - OLG Hamburg
LG Hamburg
- 2 -
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die
Richter Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 9. Septem-
ber 2004 teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu ge-
fasst:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 24
des Landgerichts Hamburg vom 5. September 2003 wird zurück-
gewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des Unter-
lassungsklagengesetzes (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste
qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versand-
handelsunternehmen. Sie unterhält einen "Internetshop" und verwendet hierbei
vorformulierte Geschäftsbedingungen (nachstehend: AGB), die unter anderem
folgende Klauseln enthalten:
- 3 -
"3. Gewährleistung
[Abs. 3] Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir Ih-
nen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel
(Ersatzartikel) zu. Auch diesen können Sie bei Nichtgefallen innerhalb
von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel
nicht lieferbar sein, sind wir berechtigt, uns von der Vertragspflicht zur
Lieferung zu lösen; wir verpflichten uns gleichzeitig, Sie unverzüglich
über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und etwa erhaltene Gegenleis-
tungen unverzüglich zu erstatten."
Der Kläger hat von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, die vorste-
hend wiedergegebenen Klauseln in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Halbsatz 1
sowie zwei weitere Klauseln ihrer AGB in Verbrauchsgüterkaufverträge einzu-
beziehen und sich auf diese Klauseln bei der Abwicklung derartiger, nach dem
1. April 1977 geschlossener Verträge zu berufen. Das Landgericht (VuR
2004, 27) hat der Klage hinsichtlich der beiden oben zitierten Klauseln sowie
einer weiteren Klausel stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die
Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich der
Klausel in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 abgewiesen; die weitergehende Berufung der
Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelasse-
nen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen
Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Inter-
esse, ausgeführt:
- 4 -
Die Klausel "Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein, senden wir
Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen Artikel (Er-
satzartikel) zu" verstoße nicht gegen §§ 475 Abs. 1, 307, 308 Nr. 4 BGB. Ein
Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB könne nur bejaht werden, wenn zwischen dem
Verbraucher und der Beklagten bereits vor der Übersendung des Ersatzartikels
ein Vertrag über die bestellte Ware geschlossen werde. Der Vertrag komme
aber nicht schon aufgrund der Bestellung des Verbrauchers zustande, selbst
wenn diese elektronisch bestätigt werde. Im Internethandel liege regelmäßig ein
Leistungsversprechen des Verkäufers vor der Zusendung eines Artikels nicht
vor. Soweit der Kläger demgegenüber mögliche Fallgestaltungen eines Ver-
tragsschlusses vor der Lieferung der Ware aufzeige, handele es sich um selte-
ne Ausnahmefälle, von denen bei der Bewertung der Klausel nicht auszugehen
sei. Auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB könne nur bejaht werden, wenn
zwischen dem Verbraucher und der Beklagten vor der Lieferung der Ware ein
Vertrag zustande komme, was jedoch vor der Annahme durch den Verbraucher
nicht der Fall sei. Für die Zulässigkeit der Klausel spreche im übrigen § 241a
Abs. 3 BGB, wonach eine Ersatzlieferung nicht als unbestellte Leistung gelte.
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger kann gemäß §§ 1, 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UKlaG von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen,
die in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 der AGB ihres "Internetshops" enthaltene Klausel
über die Zusendung eines sogenannten Ersatzartikels in Verbrauchsgüterkauf-
verträgen (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verwenden und sich auf diese Klausel
bei der Abwicklung derartiger, nach dem 1. April 1977 geschlossener Kaufver-
träge zu berufen (vgl. zu letzterem BGHZ 127, 35, 37; BGH, Urteil vom
- 5 -
23. Januar 2003 - III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = WM 2003, 425, unter I 2).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klausel gemäß § 308
Nr. 4 BGB (dazu nachfolgend unter 1.) und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 in Verbin-
dung mit Satz 1 BGB unwirksam (dazu im weiteren unter 2.).
1. Die streitige Klausel ("Sollte ein bestimmter Artikel nicht lieferbar sein,
senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und preislich gleichwertigen
Artikel (Ersatzartikel) zu.") enthält einen gemäß § 308 Nr. 4 BGB unzulässigen
Änderungsvorbehalt. Nach dieser Bestimmung ist in Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene
Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Ver-
einbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interes-
sen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist.
a) Die Voraussetzungen des § 308 Nr. 4 BGB liegen hier vor. Die in Re-
de stehende Klausel berechtigt die Beklagte, eine versprochene Leistung zu
ändern oder von ihr abzuweichen, weil sie der Beklagten nach der gebotenen
objektiven Auslegung das Recht einräumt (dazu sogleich unter aa), dem Kun-
den einen "Ersatzartikel" als vertragsgemäße Leistung zu übersenden, wenn
zuvor ein Kaufvertrag über die vom Verbraucher auf der Internetseite der Be-
klagten bestellte Ware zustande gekommen ist (dazu anschließend unter bb).
aa) Die Klausel ist, wie der Senat wegen ihrer bundesweiten Verwen-
dung selbst feststellen kann (vgl. BGHZ 139, 190, 198 m.w.Nachw.), dahin aus-
zulegen, dass die Beklagte sich ein vertragliches Recht zur Lieferung eines Er-
satzartikels vorbehält. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem ob-
jektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von ver-
ständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der
normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Ver-
- 6 -
ständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders
zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 ff. m.w.Nachw.).
Der Wortlaut der Klausel ist danach allerdings nicht eindeutig. Einerseits
kann die Formulierung, die Beklagte "sende" in Einzelfällen einen Ersatzartikel
zu, als bloße Ankündigung verstanden werden. Dafür spricht die abweichende
Fassung der Klausel im übernächsten Satz (Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 der
AGB), wonach die Beklagte ausdrücklich "berechtigt" ist, sich von der "Ver-
tragspflicht zur Lieferung" zu lösen, wenn ein bestellter Artikel oder Ersatzartikel
nicht lieferbar sein sollte. Andererseits steht der Wortlaut der Klausel aus der
Sicht eines verständigen Kunden der Auslegung nicht entgegen, dass sich die
Beklagte das Recht zur Lieferung eines Ersatzartikels als vertragsgemäße Leis-
tung vorbehält. Das folgt aus dem Umstand, dass die Klausel unter der Über-
schrift "Gewährleistung" steht. Dies legt aus der Sicht des Kunden die Annahme
nahe, dass die Beklagte nicht lediglich die Lieferung einer anderen als der be-
stellten Sache ankündigen will, was im Falle eines vorherigen Vertragsschlus-
ses nach § 434 Abs. 3 BGB eine vertragswidrige Leistung wäre, sondern dass
die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Beklagten als vertragsgemäße
Leistung gelten soll, die der Kunde nach dem sich anschließenden Satz 2
("auch") nur unter Einhaltung der gemäß Nr. 1 der AGB für die Lieferung be-
stellter Artikel geltenden Rückgabefrist von 14 Tagen zurückweisen kann. Im
Übrigen hat die Beklagte selbst in dem vorliegenden Verfahren nicht geltend
gemacht, die Klausel sei im Sinne einer bloßen Ankündigung zu verstehen.
Die Mehrdeutigkeit der Klausel ist durch eine objektive, an ihrem Wort-
laut und Regelungszusammenhang sowie den Verständigungsmöglichkeiten
der typischerweise angesprochenen Kunden orientierte Auslegung nicht zu be-
seitigen. Die somit verbleibenden Zweifel gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB
(früher § 5 AGBG) zu Lasten der Beklagten. Dies führt jedenfalls im - hier vor-
- 7 -
liegenden - Verbandsklageverfahren dazu, dass von der sogenannten kunden-
feindlichsten Auslegung auszugehen ist (BGHZ 139, 190, 199; 158, 149, 155,
jeweils m.w.Nachw.). Bei der Prüfung der Wirksamkeit der in Rede stehenden
Klausel ist daher die Auslegung zugrunde zu legen, dass die Beklagte sich ein
vertragliches Recht zur Lieferung eines Ersatzartikels vorbehält.
bb) Aus der Sicht eines verständigen und juristisch nicht vorgebildeten
Kunden erfasst die Formularbestimmung auch den Fall, dass vor der Lieferung
des Ersatzartikels bereits ein Kaufvertrag über die bestellte Ware abgeschlos-
sen worden ist. Dem Wortlaut der Klausel lässt sich nicht entnehmen, dass der
Beklagten lediglich dann ein Recht zur Lieferung eines anderen als des bestell-
ten Artikels zustehen soll, wenn noch kein Kaufvertrag mit dem Kunden zustan-
de gekommen ist. Vielmehr ist das formularmäßig eingeräumte Recht zur Zu-
sendung des Ersatzartikels allein davon abhängig, dass ein bestimmter Artikel
nicht lieferbar ist. Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber bei der Beurteilung der Wirk-
samkeit der Klausel die von ihrem Wortlaut erfasste Möglichkeit eines Vertrags-
schlusses vor der Lieferung unberücksichtigt gelassen. Zwar haben völlig fern
liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechts-
verkehrs nicht ernsthaft zu befürchten ist, auch im Verbandsklageverfahren au-
ßer Betracht zu bleiben (BGHZ 91, 55, 61; BGH, Urteil vom 10. Mai 1994
- XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798 = WM 1994, 1283 unter II 2 b bb m.w.Nachw.).
Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
Allerdings dürfte die Ansicht der Beklagten zutreffen, dass die Warenprä-
sentation auf ihrer Internetseite noch kein gemäß § 145 BGB verbindliches An-
gebot, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio
ad offerendum) darstellt. In diesem Falle ist das Vertragsangebot in der Waren-
- 8 -
bestellung des Kunden zu sehen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2005
- VIII ZR 79/04, NJW 2005, 976 = WM 2005, 659 unter II A 1). Es mag auch
richtig sein, dass im Versandhandel grundsätzlich erst die Übersendung des
bestellten Artikels als konkludente Annahmeerklärung zu werten ist. Sendet die
Beklagte dem Kunden unter diesen Umständen einen anderen als den bestell-
ten Artikel zu, gilt diese Änderung gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung der
Bestellung verbunden mit einem neuen Antrag der Beklagten, einen Kaufver-
trag über die von ihr ausgewählte Ware zu schließen. Ein Vertrag über diese
geänderte Leistung kommt dann nur zustande, wenn der Kunde das neue An-
gebot annimmt.
Gleichwohl erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass in bestimmten
Fällen schon vor der Zusendung des bestellten Artikels oder eines Ersatzarti-
kels ein Vertrag zustande kommt. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die
auf der Internetseite der Beklagten vorgesehene Bestätigung der Bestellung,
deren Wortlaut das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, so formuliert wäre,
dass sie aus der Sicht eines verständigen Kunden nicht nur als Bestätigung des
Zugangs seines Kaufangebots, sondern als dessen Annahme zu verstehen wä-
re. Des weiteren zeigt die Revision die durchaus nahe liegende Möglichkeit auf,
dass ein Kunde mehrere Artikel bestellt, die Beklagte jedoch lediglich einen Teil
der bestellten Ware übersendet und dem Kunden die Lieferung der restlichen
Ware für einen späteren Zeitpunkt ankündigt. Eine solche Mitteilung wäre vom
objektiven Empfängerhorizont des Kunden aus regelmäßig als rechtsverbindli-
ches Lieferversprechen und demgemäß als Annahme seines Kaufangebots
hinsichtlich der bestellten, aber noch nicht gelieferten Artikel zu werten. Dass
die Beklagte in Übereinstimmung damit selbst einen Kaufvertragsschluss vor
Übersendung der bestellten Ware oder eines Ersatzartikels für möglich hält,
ergibt sich aus Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 der AGB. Dort heißt es nämlich,
- 9 -
dass die Beklagte, sollte ein "bestellter Artikel oder Ersatzartikel" nicht lieferbar
sein, berechtigt ist, sich "von der Vertragspflicht zur Lieferung" zu lösen.
b) Der mithin durch die streitige Klausel begründete Änderungsvorbehalt
hinsichtlich der Lieferung eines Ersatzartikels ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB un-
wirksam. Danach ist ein formularmäßiger Änderungsvorbehalt nur zulässig,
wenn er unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den ande-
ren Vertragsteil zumutbar ist. Damit wird eine Abwägung zwischen den Interes-
sen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung
und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbar-
ten Leistung des Verwenders verlangt. Die Zumutbarkeit einer Leistungsände-
rungsklausel ist dann zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für
das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils über-
wiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der
Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen
kann, und erfordert im allgemeinen auch, dass für den anderen Vertragsteil zu-
mindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsände-
rungen besteht (BGHZ 158, 149, 154 f.).
Diesen Anforderungen wird die in Rede stehende Klausel nicht gerecht.
Zwar berücksichtigt sie die Interessen des Kunden insoweit, als sich die Beklag-
te lediglich die Zusendung qualitativ und preislich gleichwertiger Artikel vorbe-
hält. Dies trägt dem Interesse des Kunden, nur die von ihm bestellte Ware als
vertragsgemäße Erfüllung (§§ 433 Abs. 1, 362 Abs. 1 BGB) annehmen zu müs-
sen, jedoch nicht in jedem Falle hinreichend Rechnung. In der Formularbe-
stimmung ist nicht berücksichtigt, dass zahlreiche Artikel - etwa Bekleidungsge-
genstände - vom Kunden nach seinen individuellen Wünschen und Bedürfnis-
sen ausgewählt werden. Demgegenüber belässt die in der Klausel allein vorge-
gebene Beschränkung auf gleichwertige Qualität und gleichen Preis der Beklag-
- 10 -
ten einen weiten Spielraum für Abweichungen von der bestellten Ware, die dem
Kunden im Einzelfall unzumutbar sein können. Dies trifft etwa für das vom Klä-
ger gebildete Beispiel zu, wonach die Klausel es zulässt, dem Kunden anstelle
der bestellten, nicht lieferbaren braunen Schuhe qualitativ und preislich ent-
sprechende schwarze Schuhe zu liefern.
Das berechtigte Interesse des Kunden, eine solche von der Bestellung
abweichende Leistung nicht als vertragsgemäße Erfüllung annehmen zu müs-
sen, wird auch nicht dadurch gewahrt, dass der Kaufvertrag nach Nr. 1 der AGB
auf Probe abgeschlossen und dem Kunden nach Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 der AGB
für den ersatzweise gelieferten Gegenstand ein Rückgaberecht innerhalb von
14 Tagen eingeräumt wird. Hierdurch wird der Kunde schlechter gestellt als
nach der gesetzlichen Regelung. Gemäß § 434 Abs. 3 BGB steht es einem
Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer - wie im Falle der Zusendung eines
Ersatzartikels - eine andere Sache liefert. Der Käufer einer mangelhaften Sache
kann nach näherer Maßgabe des § 437 BGB Nacherfüllung, Schadensersatz
oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen, vom Vertrag zurücktreten
und den Kaufpreis mindern. Diese Rechte können ohne zeitliche Beschränkung
bis zu der durch die Einrede der Verjährung gezogenen Grenze von mindestens
zwei Jahren (§ 438 BGB) ausgeübt werden. Dagegen steht dem Kunden nach
Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 der AGB im Falle der Lieferung eines Ersatzartikels lediglich
ein Rückgaberecht zu, das zudem auf 14 Tage befristet ist. Daraus folgt in Ver-
bindung mit Nr. 1 der AGB, dass der Kunde nach Ablauf von 14 Tagen nicht
mehr einwenden kann, die Ware sei nicht vertragsgemäß, weil der auf Probe
geschlossene Kaufvertrag nach Ablauf der Rückgabefrist mit dem hinsichtlich
des Ersatzartikels geänderten Inhalt wirksam wird; denn nach Ablauf dieser
Frist gilt das Schweigen des Käufers als Billigung der ihm übersandten Ware
(§ 454 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 455 Satz 2 BGB).
- 11 -
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die streitige Klau-
sel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Satz 1 auch dann un-
wirksam, wenn die AGB der Beklagten dahin zu verstehen sein sollten, dass ein
Vertrag grundsätzlich nicht vor der Zusendung eines Ersatzartikels zustande
kommt. Bei einer solchen Auslegung verstößt die Klausel gegen das Transpa-
renzgebot, weil sie nicht klar und verständlich ist und den Kunden hierdurch
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Ein solcher Verstoß liegt unter anderem dann vor, wenn eine Formularbestim-
mung die Rechtslage unzutreffend darstellt und es dem Verwender ermöglicht,
begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in ihr getroffene Regelung abzu-
wehren (st.Rspr. zum früheren § 9 Abs. 1 AGBG, BGHZ 119, 152, 170; 145,
203, 220 f., jew. m.w.Nachw.).
So liegt es hier. Die Klausel ist - insbesondere im Zusammenhang mit
dem nachfolgenden Satz, wonach der Ersatzartikel bei Nichtgefallen innerhalb
von 14 Tagen zurückgegeben werden kann - geeignet, bei einem juristisch nicht
vorgebildeten Kunden den Eindruck zu erwecken, die Lieferung des Ersatzarti-
kels stelle eine vertragsgemäße Leistung der Beklagten dar, die lediglich durch
Ausübung des befristeten Rückgaberechts zurückgewiesen werden könne. Eine
solche Klauselgestaltung kann einen rechtsunkundigen Besteller im Einzelfall
davon abhalten, die Ware zurückzugeben, wenn die Frist von zwei Wochen ab-
gelaufen ist. Hierzu wäre der Kunde nach der gesetzlichen Regelung jedoch
berechtigt, weil es ihm freisteht, ein neues Angebot der Beklagten (§ 150 Abs. 2
BGB) nicht anzunehmen und die ohne vertragliche Grundlage gelieferte Ware
ohne Einhaltung einer Frist zurückzugeben. Dies ergibt sich auch aus § 241a
Abs. 1 BGB, wonach durch die Lieferung unbestellter Sachen durch einen Un-
ternehmer an einen Verbraucher ein Anspruch gegen diesen nicht begründet
wird. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Voraussetzun-
gen des § 241a Abs. 3 BGB nicht gegeben. Danach liegt eine unbestellte Leis-
- 12 -
tung nicht vor, wenn dem Verbraucher statt der bestellten eine nach Qualität
und Preis gleichwertige Leistung angeboten und er darauf hingewiesen wird,
dass er zur Annahme nicht verpflichtet ist und die Kosten der Rücksendung
nicht zu tragen hat. Einen solchen Hinweis enthält die streitige Klausel nicht.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit
das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Klausel in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1
der AGB abgewiesen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur Endent-
scheidung reif. Daher ist das Berufungsurteil im vorbezeichneten Umfang auf-
zuheben, und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist
insgesamt zurückzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Dr. Deppert
Ball
Dr. Leimert
Wiechers
Dr. Wolst