Urteil des BGH vom 17.07.2013

UsedSoft II Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 129/08
Verkündet am:
17. Juli 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
UsedSoft II
UrhG § 69d Abs. 1
1. Hat der Inhaber des Urheberrechts dem Herunterladen der Kopie eines
Computerprogramms aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt,
sind der zweite oder jeder weitere Erwerber einer Lizenz zur Nutzung dieses
Computerprogramms nach § 69d Abs. 1 UrhG zur Vervielfältigung des Pro-
gramms berechtigt, wenn das Recht zur Verbreitung der Programmkopie er-
schöpft ist und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Wei-
terverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterge-
ladenen Programmkopie verbunden ist.
a) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts setzt voraus,
- dass der Urheberrechtsinhaber seine Zustimmung gegen Zahlung eines Ent-
gelts erteilt hat, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert
der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen;
- dass der Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber ein Recht eingeräumt hat,
die Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen;
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- dass Verbesserungen und Aktualisierungen, die das vom Nacherwerber her-
untergeladene Computerprogramm gegenüber dem vom Ersterwerber herun-
tergeladenen Computerprogramm aufweist, von einem zwischen dem Urhe-
berrechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag
gedeckt sind;
- dass der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar gemacht hat.
b) Der Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers her-
untergeladenen Programmkopie setzt nicht voraus, dass der Nacherwerber
einen Datenträger mit der „erschöpften“ Kopie des Computerprogramms er-
hält; vielmehr reicht es aus, wenn der Nacherwerber die Kopie des Compu-
terprogramms von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers auf seinen
Computer herunterlädt.
2. Wer sich darauf beruft, dass die Vervielfältigung eines Computerprogramms
nach § 69d Abs. 1 UrhG nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf,
trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen dieser
Bestimmung erfüllt sind.
3.
Das dem Nacherwerber der „erschöpften“ Kopie eines Computerprogramms
durch § 69d Abs. 1 UrhG vermittelte Recht zu dessen bestimmungsgemäßer
Benutzung kann nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen
werden, die dieses Recht dem Ersterwerber vorbehalten.
4. Was zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Computerprograms nach
§ 69d Abs. 1 UrhG gehört, ergibt sich aus dem zwischen dem Urheberrechts-
inhaber und dem Ersterwerber geschlossenen Lizenzvertrag.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - I ZR 129/08 - OLG München
LG München I
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Born-
kamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 3. Juli 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin entwickelt und vertreibt Computersoftware, insbesondere
Datenbanksoftware, die von Unternehmen, Behörden und Organisationen ge-
nutzt wird. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungs-
rechte an diesen Programmen. Sie ist außerdem Inhaberin von deutschen und
Gemeinschaftswortmarken
„Oracle“, die unter anderem für Computersoftware
eingetragen sind.
Die Klägerin vertreibt ihre Software in 85% der Fälle per Download über
das Internet. Dabei erhält der Kunde von der Klägerin keinen Datenträger, son-
dern lädt die Software unmittelbar von der Internetseite der Klägerin auf seinen
Computer herunter. Mit dem Erwerb der Software wird dem Kunden entweder
ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht (Perpetual License) gegen eine einma-
lige Zahlung oder - seltener - ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht (Fixed Term
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License) gegen wiederkehrende Zahlungen eingeräumt. Bei den Programmen
handelt es sich um sogenannte Client-Server-Software. Das Nutzungsrecht an
ihnen umfasst die Befugnis, die Software dauerhaft auf einem Server zu spei-
chern und einer bestimmten Anzahl von Nutzern dadurch Zugriff zu gewähren,
dass sie in den Arbeitsspeicher ihrer Arbeitsplatzrechner geladen wird. Im
Rahmen eines Software-Pflegevertrags können aktualisierte Versionen der
Software (Updates) und Programme, die der Fehlerbehebung dienen (Patches),
von der Internetseite der Klägerin heruntergeladen werden. Auf Wunsch werden
die Programme auch auf CD-ROM oder DVD ausgeliefert.
Die Lizenzverträge der Klägerin enthalten unter
„Rechtseinräumung“ fol-
gende Bestimmung:
Mit der Zahlung für Services haben Sie ausschließlich für Ihre internen Ge-
schäftszwecke ein unbefristetes, nicht ausschließliches, nicht abtretbares und
gebührenfreies Nutzungsrecht für alles, was Oracle entwickelt und Ihnen auf
der Grundlage dieses Vertrags überlässt.
Die frühere Beklagte (nachfolgend
„die Beklagte“), über deren Vermögen
im Laufe des Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren mit dem jetzigen Be-
klagten als Verwalter eröffnet worden ist, handelt mit
„gebrauchten“ Softwareli-
zenzen. Im Oktober 2005 bewarb sie mit der nachfolgend wiedergegebenen
Anzeige eine
„ORACLE SONDERAKTION“, bei der sie „bereits benutzte“ Li-
zenzen für Programme der Klägerin anbot. Dabei wies sie darauf hin, alle Li-
zenzen seien aktuell, da die Wartung noch bestehe; die Rechtmäßigkeit des
Verkaufs werde durch ein Notartestat bestätigt. In dem Notartestat heißt es, es
habe eine Bestätigung des ursprünglichen Lizenznehmers vorgelegen, wonach
er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze
und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe.
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Die Beklagte veranlasst dadurch Kunden, die noch nicht im Besitz der
aktuellen Softwareversion sind, die Software nach dem Erwerb der Lizenzen
von der Internetseite der Klägerin auf Datenträger herunterzuladen. Kunden, die
bereits über die Software verfügen und Lizenzen für zusätzliche Nutzer hinzu-
kaufen, veranlasst die Beklagte damit, die Software in den Arbeitsspeicher der
Arbeitsplatzrechner weiterer Anwender zu laden.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze dadurch das Urhe-
berrecht an diesen Programmen, dass sie die Erwerber
„gebrauchter“ Lizenzen
dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen.
Die Benutzung der Bezeichnung
„ORACLE“ beim Angebot dieser Lizenzen ver-
letze darüber hinaus ihre Markenrechte. Die Werbung für den Kauf der Lizen-
zen sei schließlich irreführend.
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Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ord-
nungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,
1. Dritte zu veranlassen, Oracle Software zu vervielfältigen, indem Dritten durch
einen vermeintlichen Erwerb von Lizenzen, insbesondere durch den Hinweis
auf den aktuellen Wartungsstand, der Eindruck vermittelt wird, dass sie zur
Nutzung und korrespondierenden Vervielfältigung berechtigt seien;
2. im geschäftlichen Verkehr mit Software das Zeichen ORACLE zu benutzen,
insbesondere, unter dem Zeichen Software oder Softwarelizenzen anzubie-
ten oder das Zeichen im Geschäftsverkehr oder in der Werbung für Software
zu benutzen;
3. für Lizenzen von Oracle-Software mit den Worten
-
„Oracle Sonderaktion“,
-
„Große Oracle Sonderaktion“,
-
„Der rechtmäßige Verkauf wird durch ein Notartestat bestätigt“ oder
-
„Jetzt begehrte ORACLE-Lizenzen sichern“
zu werben.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Mün-
chen I, ZUM 2007, 409). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben
(OLG München, ZUM 2009, 70). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision,
deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die
Abweisung der Klage. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver-
mögen der früheren Beklagten hat der jetzige Beklagte das Verfahren als Insol-
venzverwalter aufgenommen.
Mit Beschluss vom 3. Februar 2011 hat der Senat dem Gerichtshof der
Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG
über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vor-
gelegt (GRUR 2011, 418 = WRP 2011, 480 - UsedSoft I):
1. Ist derjenige, der sich auf eine Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung der
Kopie eines Computerprogramms berufen kann,
„rechtmäßiger Erwerber“ im
Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG?
2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Erschöpft sich das Recht zur
Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms nach Art. 4 Abs. 2 Halb-
satz 1 der Richtlinie 2009/24/EG, wenn der Erwerber die Kopie mit Zustim-
mung des Rechtsinhabers durch Herunterladen des Programms aus dem In-
ternet auf einen Datenträger angefertigt hat?
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3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage bejaht wird: Kann sich auch derje-
nige, der eine
„gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, für das Erstellen ei-
ner Programmkopie als
„rechtmäßiger Erwerber“ nach Art. 5 Abs. 1 und
Art. 4 Abs. 2 Halbsatz 1 der Richtlinie 2009/24/EG auf eine Erschöpfung des
Rechts zur Verbreitung der vom Ersterwerber mit Zustimmung des Rechtsin-
habers durch Herunterladen des Programms aus dem Internet auf einen Da-
tenträger angefertigten Kopie des Computerprogramms berufen, wenn der
Ersterwerber seine Programmkopie gelöscht hat oder nicht mehr verwendet?
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom
3. Juli 2012 (C-128/11, GRUR 2012, 904 = WRP 2012, 1074 - UsedSoft/Oracle)
wie folgt entschieden:
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerpro-
grammen ist dahin auszulegen, dass das Recht auf die Verbreitung der Ko-
pie eines Computerprogramms erschöpft ist, wenn der Inhaber des Urheber-
rechts, der dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser
Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zah-
lung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen
Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu
erzielen, auch ein Recht, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen,
eingeräumt hat.
2. Die Art. 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG sind dahin auszule-
gen, dass sich der zweite und jeder weitere Erwerber einer Nutzungslizenz
auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie
berufen können und somit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als
rechtmäßige Erwerber einer Programmkopie anzusehen sind, die vom Ver-
vielfältigungsrecht nach dieser Vorschrift Gebrauch machen dürfen, wenn der
Weiterverkauf dieser Lizenz mit dem Weiterverkauf einer von der Internetsei-
te des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden
ist und die Lizenz dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber ohne
zeitliche Begrenzung und gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wurde,
das es diesem ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie
seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei in vollem Um-
fang begründet. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es auf die Gründe
des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat ausgeführt:
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Der Klägerin stehe der mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Unterlas-
sungsanspruch aus § 97 Abs. 1, § 69c Nr. 1 UrhG zu. Die in Rede stehenden
Computerprogramme seien urheberrechtlich geschützt. Die Klägerin sei Inhabe-
rin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der Software.
Die Beklagte veranlasse ihre Kunden, die Programme der Klägerin nach dem
Erwerb der Lizenzen zu vervielfältigen. Dazu seien die Kunden der Beklagten
nicht berechtigt. Die Beklagte könne ihren Kunden keine zur Vervielfältigung be-
rechtigenden Nutzungsrechte übertragen. Die Nutzungsrechte der Klägerin sei-
en nicht erschöpft. Die Herstellung neuer Vervielfältigungsstücke könne auch
nicht auf § 69d Abs. 1 UrhG gestützt werden.
Der Antrag zu 2, der Beklagten die Benutzung des Zeichens
„ORACLE“
im geschäftlichen Verkehr mit Software zu untersagen, sei nach § 14 Abs. 5,
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a GMV begründet. Die Be-
klagte könne sich wegen des gleichzeitigen Verstoßes gegen die ausschließli-
chen urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin nicht auf die Schranken-
regelung des § 23 Nr. 2 MarkenG berufen. Da sie ihren Kunden ein rechtliches
Nullum verkaufe, könne sie auch den Erschöpfungseinwand des § 24 Abs. 1
MarkenG nicht erheben.
Der Antrag zu 3 auf Unterlassung näher bezeichneter Werbeaussagen
sei gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 UWG gerechtfertigt. Die Werbeaussagen
seien irreführend, da die Beklagte ihren Kunden keine Lizenzrechte verschaffe.
B. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht
wegen Fehlens einer Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Zu-
rückweisung der Berufung gegen die Verurteilung der Beklagten nach den An-
trägen zu 2 und 3 wendet.
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Die Revision ist gemäß § 552 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen,
wenn sie nicht in der gesetzlichen Form begründet ist. Die Revisionsbegrün-
dung muss gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die bestimmte Be-
zeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung
(§ 546 ZPO) ergibt. Betrifft die angegriffene Entscheidung - wie hier - mehrere
prozessuale Ansprüche, so ist grundsätzlich für jeden Anspruch eine den An-
forderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO genügende Begrün-
dung der Revision erforderlich (vgl. zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO BGH, Ur-
teil vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, GRUR 2006, 429, 432 = WRP 2006,
584 - Schlank-Kapseln).
Die Revision der Beklagten hat nicht eigens ausgeführt, weshalb die Zu-
rückweisung der Berufung gegen ihre Verurteilung nach dem Antrag zu 2 (mar-
kenrechtlicher Unterlassungsanspruch) und dem Antrag zu 3 (wettbewerbs-
rechtlicher Unterlassungsanspruch) auf einer Rechtsverletzung beruht. Das war
aber auch nicht erforderlich.
Beruht die Entscheidung über eine Mehrheit von Ansprüchen auf einem
einheitlichen, allen Ansprüchen gemeinsamen Grund, so genügt es, wenn die
Revisionsbegründung diesen einheitlichen Grund insgesamt angreift (vgl. zu
§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aF BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91,
GRUR 1995, 693, 695 = WRP 1994, 387 - Indizienkette; Urteil vom 22. Januar
1998 - I ZR 177/95, GRUR 1998, 587, 588 f. = WRP 1998, 512 - Bilanzanalyse
Pro 7; zu § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO BGH, Urteil vom 14. Juni 2012
- IX ZR 150/11, NJW-RR 2012, 1207 Rn. 10 mwN). So verhält es sich hier.
Das Berufungsurteil beruht hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin gel-
tend gemachten Ansprüche auf der Annahme, die Beklagte habe ihren Kunden
nicht die erforderlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Computer-
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programmen übertragen. Das Berufungsgericht hat gemeint, aus diesem Grund
sei das Urheberrecht an den Computerprogrammen verletzt (Antrag zu 1),
komme wegen des Eingriffs in die Rechte an den Marken eine Berufung auf die
Schrankenregelungen des § 23 Nr. 2 MarkenG und des § 24 Abs. 1 MarkenG in
Betracht (Antrag zu 2) und sei die Werbung irreführend (Antrag zu 3). Es reicht
daher zur Begründung der Revision gegen die Verurteilung nach den Anträgen
zu 2 und 3 aus, dass die Beklagte bereits im Rahmen der Begründung der Re-
vision gegen die Verurteilung nach dem Antrag zu 1 dargelegt hat, weshalb die
in Rede stehende Annahme des Berufungsgerichts nach ihrer Ansicht rechts-
fehlerhaft ist.
C. Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des
Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit
der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin
erhobenen Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des Urheberrechts an
den in Rede stehenden Computerprogrammen (dazu I), wegen Verletzung des
Markenrechts an den für Computersoftware eingetragenen Wortmarken
„Oracle“ (dazu II) und wegen Verstoßes gegen das lauterkeitsrechtliche Irrefüh-
rungsverbot (dazu III) nicht bejaht werden.
I. Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme
des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch
aus § 97 Abs. 1, § 69c Nr. 1 UrhG auf Unterlassung zu, Dritte zur Vervielfälti-
gung ihrer Software zu veranlassen.
1. Die Computerprogramme, die in der beanstandeten Werbung der Be-
klagten für den Erwerb gebrauchter Softwarelizenzen genannt sind, sind nach
den Feststellungen des Landgerichts, auf die sich das Berufungsgericht bezo-
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gen hat und die von der Revision nicht angegriffen worden sind, als individuelle
geistige Werkschöpfungen nach § 69a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützt.
2. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des Landgerichts Inhaberin
der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den Programmen.
Ihr steht daher im Falle von Urheberrechtsverletzungen ein Unterlassungsan-
spruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu.
3. Die Beklagte haftet für - unterstellt - unrechtmäßige Vervielfältigungs-
handlungen ihrer Kunden als Störer auf Unterlassung.
a) Als Störer kann wegen einer Urheberrechtsverletzung auf Unterlas-
sung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu
sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des
Urheberrechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte er-
streckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorge-
nommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten
voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer
Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (st.
Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841
Rn. 19 = WRP 2009, 1139 - Cybersky; Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08,
GRUR 2010, 633 Rn. 19 = WRP 2010, 912 - Sommer unseres Lebens; Urteil
vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 25 = WRP 2011, 1469
- Automobil-Onlinebörse).
Da die Beklagte ihre Kunden nach den Feststellungen des Landgerichts
durch das Angebot
„gebrauchter“ Lizenzen dazu veranlasst, Computerpro-
gramme der Klägerin nach dem Erwerb solcher Lizenzen von deren Internetsei-
te auf Datenträger herunterzuladen oder in die Arbeitsspeicher weiterer Ar-
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beitsplatzrechner hochzuladen, kann sie auf Unterlassung in Anspruch genom-
men werden, soweit ihre Kunden dadurch unbefugt in das nach § 69c Nr. 1
UrhG ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung
der Computerprogramme eingreifen. Die Beklagte trüge damit willentlich und
adäquat kausal dazu bei, dass ihre Kunden die ausschließlichen Nutzungsrech-
te der Klägerin verletzen. Da sie die Gefahr von Rechtsverletzungen zudem ge-
zielt herbeiführte, wäre ihr eine Haftung auch zuzumuten.
b) Für den Unterlassungsanspruch kommt es nicht darauf an, ob Kunden
der Beklagten die in Rede stehenden Computerprogramme der Klägerin bereits
vervielfältigt und damit das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin verletzt
haben. Der Anspruch auf Unterlassung besteht gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG
auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Auch ein Störer kann
vorbeugend auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (BGH, Urteil vom
19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 41 - Internet-Versteigerung II;
BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 14 - Cybersky). Die Werbung der Beklagten für den
Kauf
„gebrauchter“ Lizenzen begründet die ernsthafte und greifbare Gefahr sol-
cher - unterstellt - widerrechtlichen Vervielfältigungen.
4. Kunden der Beklagten, die Computerprogramme der Klägerin von de-
ren Internetseite auf einen Server oder ein anderes Speichermedium herunter-
laden oder von ihrem Server oder einem anderen Speichermedium in den Ar-
beitsspeicher weiterer Computer hochladen, greifen dadurch in das ausschließ-
liche Recht der Klägerin aus § 69c Nr. 1 UrhG ein, die Computerprogramme
dauerhaft oder vorübergehend zu vervielfältigen (vgl. BGH, GRUR 2011, 418
Rn. 11 bis 13 - UsedSoft I, mwN). Dazu sind sie zwar weder aufgrund eines
ihnen von der Beklagten wirksam übertragenen Rechts zur Vervielfältigung der
Computerprogramme (vgl. BGH, GRUR 2011, 418 Rn. 14 und 15 - UsedSoft I,
mwN) noch - soweit das Laden der Software in den Arbeitsspeicher weiterer
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Arbeitsplatzrechner in Rede steht - aufgrund der Schrankenregelung des § 44a
UrhG (vgl. BGH, GRUR 2011, 418 Rn. 16 und 17 - UsedSoft I, mwN) berech-
tigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, Kunden der Beklagten könnten sich
auch nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 69d Abs. 1 UrhG berufen, weil der
Vertrag zwischen der Klägerin und dem Ersterwerber eine Übertragung von
Nutzungsrechten an Dritte untersage und eine Vervielfältigung des Computer-
programs nur auf dem Server des Ersterwerbers gestatte, hält jedoch einer
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach § 69d Abs. 1 UrhG bedarf die Vervielfältigung eines Computer-
programms, soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen,
nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsge-
mäße Benutzung des Computerprogramms durch jeden zur Verwendung eines
Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigten notwendig ist. Die Rege-
lung des § 69d Abs. 1 UrhG setzt die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
2009/24/EG (bzw. die gleichlautende Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 der Vorgän-
gerrichtlinie 91/250/EWG) ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkon-
form auszulegen. Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG bedarf die
Vervielfältigung eines Computerprogramms in Ermangelung spezifischer ver-
traglicher Bestimmungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie
für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den
rechtmäßigen Erwerber notwendig ist.
b) Hat der Inhaber des Urheberrechts (wie hier die Klägerin) dem Herun-
terladen der Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet auf einen Da-
tenträger zugestimmt, sind nach der vom Senat eingeholten Vorabentscheidung
des Gerichtshofs der Europäischen Union der zweite oder jeder weitere Erwer-
ber einer Lizenz zur Nutzung dieses Computerprogramms (wie die Kunden der
Beklagten als Erwerber „gebrauchter“ Softwarelizenzen) im Sinne von Art. 5
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Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG als rechtmäßige Erwerber einer Programmko-
pie (und im Sinne des § 69d Abs. 1 UrhG als zur Verwendung eines Vervielfäl-
tigungsstücks des Programms Berechtigte) anzusehen, die vom Vervielfälti-
gungsrecht nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG (und nach § 69d
Abs. 1 UrhG) Gebrauch machen dürfen, wenn das Recht zur Verbreitung der
Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist und
der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber mit dem Weiterverkauf der von
der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmko-
pie verbunden ist (vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 88 und 72 - UsedSoft/
Oracle).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Urheberrechtsinhaber un-
geachtet anderslautender vertraglicher Bestimmungen weder dem Weiterver-
kauf der Kopie noch dem Herunterladen der Kopie durch den Erwerber wider-
sprechen. Insbesondere kann er sich - anders als das Berufungsgericht ange-
nommen hat - nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Vertrag zwischen dem
Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber lediglich ein Nutzungsrecht ein-
räume, das nicht abtretbar sei und ausschließlich den internen Geschäftszwe-
cke der Klägerin diene und damit eine Übertragung von Nutzungsrechten an
Dritte untersage und eine Vervielfältigung des Computerprograms nur auf dem
Server des Ersterwerbers gestatte (vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 77, 84, 23
- UsedSoft/Oracle).
Die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG und des
§ 69d Abs. 1 UrhG enthalten insofern einen zwingenden Kern, als urheberrecht-
lich relevante Nutzungen, die für die vertragsgemäße Verwendung des Pro-
gramms unerlässlich sind, nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden können
(vgl. zum - unbeachtlichen - vertraglichen Ausschluss der Beseitigung eines
Programmfehlers durch Dritte BGH, Urteil vom 24. Februar 2000 - I ZR 141/97,
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GRUR 2000, 866, 868 = WRP 2000, 1306 - Programmfehlerbeseitigung, mwN;
vgl. auch Urteil vom 24. Oktober 2002 - I ZR 3/00, BGHZ 152, 233, 243 - CPU-
Klausel). Desgleichen kann das dem
Nacherwerber der „erschöpften“ Kopie ei-
nes Computerprogramms durch Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG und
§ 69d Abs. 1 UrhG vermittelte Recht zu dessen bestimmungsgemäßer Benut-
zung nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen werden, die die-
ses Recht dem Ersterwerber vorbehalten.
c) Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, die Entscheidung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union sei nicht bindend, weil sie auf Annahmen be-
ruhe, die in die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten eingriffen (dazu aa) und
gegen den WIPO-Urheberrechtsvertrag vom 20. Dezember 1996 (WCT) ver-
stießen (dazu bb).
aa) Der Gerichtshof hat zur Beantwortung der Frage, ob und unter wel-
chen Umständen das im vorliegenden Fall in Rede stehende Herunterladen ei-
ner Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet mit Zustimmung des
Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung dieser
Kopie im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG führen kann (EuGH,
GRUR 2012, 904 Rn. 35 bis 72 - UsedSoft/Oracle), zunächst geprüft, ob die
Vertragsbeziehung zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber
als „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie
2009/24/EG angesehen werden kann, mit dem sich das Recht auf die Verbrei-
tung dieser Kopie erschöpft (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 38 bis 49 - UsedSoft/
Oracle). Dabei
ist er davon ausgegangen, „Verkauf“ sei nach einer allgemein
anerkannten Definition eine Vereinbarung, nach der eine Person ihre Eigen-
tumsrechte an einem ihr gehörenden körperlichen oder nichtkörperlichen Ge-
genstand gegen Zahlung eines Entgelts an eine andere Person abtritt; daraus
hat er geschlossen, durch das Geschäft, das nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie
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2009/24/EG zu einer Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung einer Kopie des
Computerprogramms führe, müsse das Eigentum an dieser Kopie übertragen
worden sein (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 42 - UsedSoft/Oracle). Schließlich
hat er festgestellt, das Eigentum an der Kopie eines Computerprogramms wer-
de unter den hier vorliegenden Umständen übertragen, wenn der Kunde der
Beklagten, der die Kopie herunterlade und mit der Beklagten einen Lizenzver-
trag über die Kopie abschließe, gegen Zahlung eines Entgelts ein unbefristetes
Recht zur Nutzung diese Kopie erhalte (vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 43 bis
46 - UsedSoft/Oracle).
Die Klägerin wendet dagegen ein, die Annahme des Gerichtshofs, wo-
nach dem Erwerber Eigentum an unkörperlichen Kopien eingeräumt werde, sei
nicht bindend, weil sie in die den Mitgliedstaaten nach Art. 345 AEUV als Rege-
lungsmaterie vorbehaltene Eigentumsordnung eingreife und damit aus den
Grenzen der dem Gerichtshof eingeräumten Hoheitsakte ausbreche. Was Ge-
genstand des Eigentumsrechts sei, wie es erworben und übertragen werde,
richte sich nach den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Nach deutschem
Recht gebe es kein Eigentum an nichtkörperlichen Gegenständen. Die auf der
Voraussetzung einer möglichen Eigentumsübertragung an nichtkörperlichen
Gegenständen beruhenden Schlussfolgerungen zur Erschöpfung des Verbrei-
tungsrechts und der Berechtigung zur Vervielfältigung entbehrten daher einer
tragfähigen Grundlage und seien gleichfalls nicht bindend.
Dieser Einwand ist nicht begründet. Entgegen der Ansicht der Klägerin
hat der Gerichtshof nicht bestimmt, was unter
„Eigentum“ oder „Übertragung
des Eigentums“ im Sinne des deutschen Rechts zu verstehen sein soll. Der Ge-
richtshof ist vielmehr davon ausgegangen, der Wortlaut der Richtlinie 2009/24/
EG
verweise in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs „Verkauf“ in Art. 4 Abs. 2
der Richtlinie 2009/24/EG nicht auf die nationalen Rechtsvorschriften und sei
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daher für die Anwendung dieser Richtlinie als autonomer Begriff des Unions-
rechts anzusehen, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen sei
(vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 39 bis 41 - UsedSoft/Oracle). Er hat daher
ersichtlich auch den zur
Definition des Begriffs „Verkauf“ verwendeten Begriff
der „Übertragung des Eigentums“ als autonomen Begriff des Unionsrechts an-
gesehen, der - anders als im deutschen Recht - die Einräumung eines unbefris-
teten Nutzungsrechts an einer nichtkörperlichen Programmkopie umfasst (vgl.
EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 47 bis 49 - UsedSoft/Oracle).
bb) Der Gerichtshof hat ferner im Rahmen der Prüfung, ob und unter
welchen Umständen das im vorliegenden Fall in Rede stehende Herunterladen
einer Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet mit Zustimmung des
Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung dieser
Kopie im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG führen kann (EuGH,
GRUR 2012, 904 Rn. 35 bis 72 - UsedSoft/Oracle), den Einwand der Klägerin
und der Europäischen Kommission zurückgewiesen, wonach das Zugänglich-
machen einer Programmkopie auf der Internetseite des Inhabers des Urheber-
rechts eine „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der
Richtlinie 2001/29/EG darstelle, die gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/
EG nicht die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung der Kopie bewirke
(EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 50 bis 52 - UsedSoft/Oracle). Er hat in diesem
Zusammenhang ausgeführt, aus Art. 6 Abs. 1 WCT, in dessen Licht die Art. 3
und 4 der Richtlinie 2001/29/EG nach Möglichkeit auszulegen seien, gehe her-
vor, dass ein
e „[Handlung] der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der
Richtlinie 2001/29/EG durch eine Eigentumsübertragung zu einer Handlung der
Verbreitung im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2001/29/EG werde, die, wenn die
Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG erfüllt seien,
ebenso wie der „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2
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- 18 -
der Richtlinie 2009/24/EG zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen
könne (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 60 - UsedSoft/Oracle).
Die Klägerin macht geltend, diese Beurteilung verstoße gegen den
WIPO-Urheberrechtsvertrag. Aus Art. 6 WCT und der vereinbarten Erklärung zu
Art. 6 und 7 WCT ergebe sich, dass die Übertragung des
„Eigentums“ an einem
unkörperlichen Gegenstand nicht zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts füh-
ren könne. Die davon abweichende Beurteilung des Gerichtshofs sei nicht bin-
dend. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Europäische Union
seien Vertragspartner des WIPO-Urheberrechtsvertrags; dieser sei sowohl in
Deutschland geltendes Recht als auch integraler Bestandteil der Unionsrechts-
ordnung. Als völkerrechtlicher Vertrag sei er sowohl gegenüber einer Auslegung
der Richtlinie als auch gegenüber einer richtlinienkonformen Auslegung natio-
nalen Rechts vorrangig.
Auch dieser Einwand ist nicht begründet. Computerprogramme sind nach
Art. 4 Satz 1 WCT als Werke der Literatur geschützt. Die Urheber von Werken
der Literatur und Kunst haben nach Art. 6 Abs. 1 WCT das ausschließliche
Recht zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer Werke
durch Verkauf oder sonstige Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugäng-
lich gemacht werden (Verbreitungsrecht). Den Vertragsparteien des WIPO-
Urheberrechtsvertrages steht es gemäß Art. 6 Abs. 2 WCT frei, gegebenenfalls
zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sich dieses Recht nach dem
ersten mit Erlaubnis des Urhebers erfolgten Verkauf des Originals oder eines
Vervielfältigungsstücks oder der ersten sonstigen Eigentumsübertragung er-
schöpft. Nach der vereinbarten Erklärung zu Art. 6 und 7 WCT beziehen sich
die in Art. 6 WCT im Zusammenhang mit dem Verbreitungsrecht verwendeten
Ausdrücke „Vervielfältigungsstück“ und „Original und Vervielfältigungsstück“
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ausschließlich auf Vervielfältigungsstücke, die als körperliche Gegenstände in
Verkehr gebracht werden.
Diese Bestimmungen des WIPO-Urheberrechtsvertrages hindern den
Gerichtshof nicht daran, Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG bindend dahin
auszulegen, dass er auch die Weiterveräußerung von Vervielfältigungsstücken
umfasst, die als nichtkörperliche Gegenstände in Verkehr gebracht worden
sind. Die Vertragspartner des WIPO-Urheberrechtsvertrages haben das Ver-
breitungsrecht des Art. 6 Abs. 1 WCT als Mindestrecht zu gewährleisten (vgl.
Katzenberger in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., Vor §§ 120 ff.
UrhG Rn. 53). Der Europäischen Union ist es daher nicht verwehrt, für die Ur-
heber von Computerprogrammen ein weitergehendes Verbreitungsrecht vorzu-
sehen, das sich auf die Verbreitung nichtkörperlicher Programmkopien er-
streckt. Ihr steht es ferner frei zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen
sich ein solches Verbreitungsrecht erschöpft. Die entsprechende Auslegung
des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG durch den Gerichtshof verstößt da-
her nicht gegen die Bestimmungen des WIPO-Urheberrechtsvertrages.
d) Die Beurteilung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus ande-
ren Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Klägerin macht ohne Erfolg gel-
tend, die Zurückweisung der Revision sei bereits deshalb gerechtfertigt, weil die
Beklagte ihren Kunden nicht von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers
heruntergeladene Programmkopien, sondern allein Lizenzen zur Nutzung der
Software verkaufe.
aa) Die Berechtigung eines Kunden der Beklagten, der eine
„gebrauchte“
Nutzungslizenz für ein Computerprogramm der Klägerin erworben hat, dieses
Computerprogramm als im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtline 2009/24/EG
rechtmäßiger Erwerber zu vervielfältigen, setzt nach der Entscheidung des Ge-
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richtshofs der Europäischen Union allerdings voraus, dass der Weiterverkauf
der Lizenz durch die Beklagte an den Kunden mit dem Weiterverkauf der von
der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmko-
pie verbunden ist (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 88 - UsedSoft/Oracle).
Dabei kann, wie die Klägerin mit Recht geltend macht,
der Begriff „Wei-
terverkauf der Lizenz“ nicht dahin verstanden werden, dass damit der Weiter-
verkauf des Nutzungsrechts am Computerprogramm gemeint ist, das der Urhe-
berrechtsinhaber dem Ersterwerber mit dem Lizenzvertrag eingeräumt hat.
Denn dieses vertragliche Nutzungsrecht ist nach den Bestimmungen des zwi-
schen der Klägerin und ihren Kunden geschlossenen
Lizenzvertrages „nicht ab-
tretbar“. Die Kunden der Klägerin konnten das Recht zur Vervielfältigung der
Programme daher nicht wirksam auf die Beklagte übertragen; die Beklagte
konnte dieses Recht folglich auch nicht auf ihre Kunden weiterübertragen (vgl.
BGH, GRUR 2011, 418 Rn. 15 - UsedSoft I
). Mit dem Begriff „Weiterverkauf der
Lizen
z“ ist vielmehr gemeint, dass die Nacherwerber mit dem Erwerb der „er-
schöpften“ Programmkopie unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 der
Richtlinie 2009/24/EG das gesetzliche Recht zur bestimmungsgemäßen Nut-
zung des Computerprogramms erlangen.
bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin setzt ein Weiterverkauf der von
der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmko-
pie nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union
aber nicht voraus, dass die Beklagte ihren Kunden einen Datenträger mit einer
„erschöpften“ Kopie des Computerprogramms übergibt. Vielmehr liegt ein sol-
cher Weiterverkauf auch dann vor, wenn der Kunde die ihm von der Beklagten
verkaufte Kopie des Computerprogramms von der Internetseite des Urheber-
rechtsinhabers auf seinen Computer herunterlädt (D. Ulmer/Hoppen, GRUR-
Prax 2012, 569, 571; aA Hansen/Wolff-Rojczyk, GRUR 2012, 908, 910). Der
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von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung
des Urheberrechts an den in Rede stehenden Computerprogrammen ist daher
nicht bereits deshalb begründet, weil die Beklagte ihren Kunden keine Daten-
träger mit diesen Computerprogrammen übergibt.
Der Gerichtshof hat ausgeführt, für die Frage, ob es sich bei der mit dem
Abschluss eines Lizenzvertrags einhergehende Übertragung einer Kopie eines
Computerprogramms an einen Kunden durch den Urheberrechtsinhaber um ei-
nen „Erstverkauf einer Programmkopie“ handele, spiele es keine Rolle, ob dem
Kunden die Kopie des Computerprogramms vom Rechtsinhaber über das Her-
unterladen von dessen Internetseite oder über einen materiellen Datenträger
wie eine CD-ROM oder DVD zur Verfügung gestellt werde (EuGH, GRUR 2012,
904 Rn. 47 - UsedSoft/Oracle); beide Formen der Veräußerung eines Compu-
terprogramms seien auch wirtschaftlich gesehen vergleichbar (EuGH, GRUR
2012, 904 Rn. 61 - UsedSoft/Oracle). Er hat weiter ausgeführt, das Verbrei-
tungsrecht des Urheberrechtsinhabers sei mit dem Erstverkauf einer körperli-
chen oder nichtkörperlichen Kopie seines Computerprogramms in der Union
durch ihn oder mit seiner Zustimmung nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/
EG erschöpft; deshalb könne er dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr wi-
dersprechen; der zweite und jeder weitere Erwerber dieser Kopie sei als im
Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG
„rechtmäßiger Erwerber“ be-
rechtigt, die ihm vom Vorerwerber verkaufte Kopie auf seinen Computer herun-
terzuladen (vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 77, 80 und 81 - UsedSoft/Oracle).
Es kann daher auch für die Frage, ob die mit dem Abschluss eines Li-
zenzvertrags einhergehende Übertragung einer Kopie eines Computerpro-
gramms an einen Nacherwerber durch einen Vorerwerber einen Weiterverkauf
einer Programmkopie darstellt, keine Rolle spielen, ob dem Nacherwerber die
Kopie des Computerprogramms über einen materiellen Datenträger wie eine
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CD-ROM oder DVD oder über das Herunterladen von der Internetseite des
Rechtsinhabers zur Verfügung gestellt wird.
II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne gemäß
§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV verlan-
gen, dass die Beklagte es unterlässt, das Zeichen
„ORACLE“ im geschäftlichen
Verkehr mit Software zu benutzen, kann danach gleichfalls keinen Bestand ha-
ben.
1. Die Beklagte hat allerdings das mit den Wortmarken der Klägerin iden-
tische Zeichen „ORACLE“ ohne deren Zustimmung in der Werbung zur Be-
zeichnung von Computersoftware und damit für Waren benutzt, die mit denen
identisch sind, für die die Wortmarken der Klägerin eingetragen sind (§ 14
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV).
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne sich nicht
mit Erfolg auf den Erschöpfungseinwand nach § 24 Abs. 1 MarkenG bzw.
Art. 13 GMV berufen. Danach hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, ei-
nem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser
Marke von ihm im Inland bzw. in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht
worden sind. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte könne sich hier-
auf nicht berufen, weil sie ihren Kunden tatsächlich keine Lizenzrechte, sondern
ein rechtliches Nullum verkaufe, bezüglich dessen eine markenrechtliche Er-
schöpfung nicht eintreten könne.
Diese Beurteilung hält einer Nachprüfung nicht stand. Die bislang ge-
troffenen Feststellungen rechtfertigen - wie ausgeführt (vgl. Rn. 28 ff.) - nicht die
Annahme, die Kunden der Beklagten hätten mit dem Erwerb von Programmko-
pien nicht das Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Computerpro-
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gramme erlangt. Die markenrechtliche Erschöpfung knüpft zwar - wie die Kläge-
rin mit Recht geltend macht - an den Vertrieb eines körperlichen Gegenstands
an. Soweit sich das Verbreitungsrecht des Urhebers auf nichtkörperliche Kopien
von Computerprogrammen erstrecken und hinsichtlich solcher Kopien erschöp-
fen kann, kann jedoch in entsprechender Anwendung von § 24 Abs. 1 MarkenG
auch das Recht des Markeninhabers erschöpft sein, seine Marke für solche
Produkte zu benutzen.
3. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Beklagte könne
sich nicht mit Erfolg auf die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG oder des
Art. 12 Buchst. b GMV berufen. Danach ist die Benutzung der Marke als Anga-
be über Merkmale oder Eigenschaften der angebotenen Produkte zulässig, so-
fern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 23 Nr. 2 MarkenG)
oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht
(Art. 12 Buchst. b GMV). Das Berufungsgericht hat gemeint, die zuletzt genann-
te Voraussetzung liege nicht vor, weil die Beklagte mit ihrem Angebot auf eine
Verletzung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Klägerin hinwirke.
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Für die Beurteilung, ob die Benutzung eines Zeichens gegen die guten Sitten
verstößt oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel ent-
spricht, ist es zwar nicht relevant, ob die Zeichenbenutzung im Zusammenhang
mit einer Urheberrechtsverletzung steht (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember
2010 - I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 Rn. 60 - Perlentaucher; Urteil vom
27. März 2013 - I ZR 100/11, GRUR 2013, 631 Rn. 37 = WRP 2013, 778
- AMARULA/Marulablu). Die Bestimmungen des § 23 Nr. 2 MarkenG und des
Art. 12 Buchst. b GMV sind jedoch in Fällen nicht anwendbar, in denen ein Drit-
ter die Marke - wie hier - für Waren benutzt, die unter dieser Marke vom Inhaber
der Marke im Inland bzw. in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden
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sind. Die Bestimmungen des § 24 Abs. 1 MarkenG und des Art. 13 GMV stellen
in ihrem Anwendungsbereich gegenüber den Vorschriften des § 23 Nr. 2 Mar-
kenG und des Art. 12 Buchst. b GMV vorrangige Sonderregelungen dar (vgl.
auch BGH, Urteil vom 14. April 2011 - I ZR 33/10, GRUR 2011, 1135 Rn. 28 =
WRP 2011, 1602 - GROSSE INSPEKTION FÜR ALLE).
III. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne von der
Beklagten nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1
und 2 Nr. 1 UWG Unterlassung der mit dem Antrag zu 3 angegriffenen Werbe-
aussagen verlangen. Dabei ist das Berufungsgericht zwar ohne Rechtsfehler
davon ausgegangen, die Beklagte erwecke mit den Werbeaussagen
„Oracle
Sonderaktion
“, „Große Oracle Sonderaktion“, „Der rechtmäßige Verkauf wird
durch ein Notartestat bestätigt
“ und „Jetzt begehrte ORACLE-Lizenzen sichern“
bei ihren Kunden den Eindruck, sie übertrage ihnen mit den angebotenen Li-
zenzen wirksam die für eine Nutzung der Computerprogramme erforderlichen
Nutzungsrechte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dieser Eindruck sei
unzutreffend, hält einer Nachprüfung jedoch nicht stand. Es kann aufgrund der
bislang getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, die Beklagte
verschaffe ihren Kunden mit dem Weiterverkauf der Programmkopien nicht das
Recht zur Nutzung der Computerprogramme.
D. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-
heben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da noch weitere
Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Parteien im Blick auf
die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Gelegenheit
zu ergänzendem Sachvortrag haben müssen. Die Sache ist daher zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 ZPO).
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E. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
I. Da die Beklagte sich darauf beruft, dass die Vervielfältigung der Com-
puterprogramme nach § 69d Abs. 1 UrhG nicht der Zustimmung des Rechtsin-
habers bedarf, trägt sie nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind
(vgl. Stieper, ZUM 2012, 668, 670).
II. Hat der Inhaber des Urheberrechts (wie hier die Klägerin) dem Herun-
terladen der Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet auf einen Da-
tenträger zugestimmt, sind - wie oben (Rn. 28 ff.) ausgeführt - der zweite oder
jeder weitere Erwerber einer Lizenz zur Nutzung dieses Computerprogramms
(wie
die Kunden der Beklagten als Erwerber „gebrauchter“ Softwarelizenzen) im
Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG als rechtmäßige Erwerber ei-
ner Programmkopie (und im Sinne des § 69d Abs. 1 UrhG als zur Verwendung
eines Vervielfältigungsstücks des Programms Berechtigte) anzusehen, die vom
Vervielfältigungsrecht nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG (und nach
§ 69d Abs. 1 UrhG) Gebrauch machen dürfen, wenn das Recht zur Verbreitung
der Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist
(dazu sogleich unter 1 bis 4) und der Weiterverkauf der Lizenz an den Erwerber
mit dem Weiterverkauf der von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers
heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist (dazu bereits oben unter
Rn. 41 ff.).
1. Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers
setzt in Fällen, in denen er - wie hier - dem Herunterladen der Kopie eines
Computerprogramms zugestimmt hat, zunächst voraus, dass er seine Zustim-
mung gegen Zahlung eines Entgelts erteilt hat, das es ihm ermöglichen soll, ei-
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ne dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergü-
tung zu erzielen (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 72 - UsedSoft/Oracle).
Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, diese Voraussetzung sei hier
nicht erfüllt. Die Urheberrechtsinhaber hätten bislang nicht damit rechnen müs-
sen, dass der Handel mit „gebrauchter“ Software in der Europäischen Union
derart erleichtert werde, wie nunmehr durch das Urteil des Gerichtshofs der Eu-
ropäischen Union geschehen. Eine Berücksichtigung des Gebrauchtmarkts als
zweitem Vertriebsweg führe zwangsläufig zu höheren Abgabepreisen des Her-
stellers gegenüber dem Ersterwerber. Sie habe nach ihren Lizenzverträgen je-
weils nur nicht abtretbare Nutzungsrechte eingeräumt und daher ihre Lizenzge-
bühren jeweils ohne Berücksichtigung einer Weiterveräußerung der Software
und deren Nutzung durch einen Zweiterwerber bemessen. Eine Preiserhöhung
werde sie erst vornehmen können, wenn das vorliegende Verfahren rechtskräf-
tig abgeschlossen sei und sie den Umfang der Einbußen durch den Gebraucht-
handel endgültig abschätzen könne.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Gerichtshof nicht darauf ab-
gestellt, ob der Rechtsinhaber tatsächlich eine dem wirtschaftlichen Wert der
Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung erhalten hat; vielmehr reicht es
nach den Vorgaben des Gerichtshofs aus, dass der Rechtsinhaber die Möglich-
keit hatte, beim Erstverkauf der betreffenden Kopie eine angemessene Vergü-
tung zu erzielen (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 62 und 63 - UsedSoft/Oracle).
Die Klägerin hatte diese Möglichkeit, weil sie ihre Zustimmung zum Herunterla-
den der Kopie von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen konnte. Dabei
konnte sie die Höhe des Entgelts nach dem Umfang des eingeräumten Nut-
zungsrechts und insbesondere der vereinbarten Nutzungsdauer bemessen.
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2. Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers
setzt weiter voraus, dass er dem Erwerber ein Recht eingeräumt hat, diese Ko-
pie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 72
- UsedSoft/Oracle). Nach den Feststellungen des Landgerichts räumt die Kläge-
rin ihren Kunden entweder ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht (Perpetual
License) gegen eine einmalige Zahlung oder - seltener - ein zeitlich begrenztes
Nutzungsrecht (Fixed Term License) gegen wiederkehrende Zahlungen ein. Die
Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin ihren
Kunden an den hier in Rede stehenden Computerprogrammen unbefristete
Nutzungsrechte eingeräumt hat.
3. Im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang, der zwischen der
Kopie auf der Internetseite des Urheberrechtsinhabers in der jeweils verbesser-
ten und aktualisierten Version auf der einen und der entsprechenden Nutzungs-
lizenz auf der anderen Seite besteht, erfasst die Erschöpfung des Verbreitungs-
rechts die Kopie des verbesserten und aktualisierten Computerprogramms; der
neue Erwerber ist daher als im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
2009/24/EG „rechtmäßiger Erwerber“ berechtigt, die Kopie des verbesserten
und aktualisierten Computerprogramms von der Internetseite des Urheber-
rechtsinhabers herunterzuladen (EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 84 und 85
- UsedSoft/Oracle). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese Verbesse-
rungen und Aktualisierungen des Computerprogramms von einem zwischen
dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Wartungs-
vertrag gedeckt sind (vgl. EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 64 bis 68 - Used-
Soft/Oracle). Soweit die Beklagte ihre Kunden veranlasst, verbesserte und ak-
tualisierte Fassungen der Computerprogramme von der Internetseite der Kläge-
rin herunterzuladen, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese
Voraussetzung erfüllt ist.
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4. Der Ersterwerber, der eine körperliche oder nichtkörperliche Pro-
grammkopie weiterverkauft, an der das Recht des Urheberrechtsinhabers auf
Verbreitung nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG erschöpft ist, muss
zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs seine eigene Kopie unbrauchbar machen.
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts berechtigt ihn daher nicht dazu, die
von ihm erworbene Lizenz, falls sie für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl
von Nutzern gilt, aufzuspalten und das Recht zur Nutzung des betreffenden
Computerprogramms nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl weiterzuver-
kaufen und die auf seinem Server installierte Kopie weiter zu nutzen. Außerdem
ist der Erwerber solcher abgespaltenen Nutzungsrechte nicht berechtigt, den
Kreis der Nutzer einer bereits auf seinem Server installierten Kopie im Blick auf
den Erwerb dieser zusätzlichen Nutzungsrechte auszuweiten. Die Wirkung der
Erschöpfung des Verbreitungsrechts der beim Ersterwerber installierten Kopie
erstreckt sich nicht auf die beim Nacherwerber bereits installierte Kopie (vgl.
EuGH, GRUR 2012, 904 Rn. 69 bis 71 und 86 - UsedSoft/Oracle). Daraus folgt
zweierlei:
a) Zum einen kann sich der Nacherwerber einer Kopie des Computer-
programms nur dann mit Erfolg auf eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts
an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber seine Kopie unbrauchbar ge-
macht hat (vgl. Stieper, ZUM 2012, 668, 670). Es ist deshalb Sache der Beklag-
ten, darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, dass die Kunden der
Klägerin ihre Kopien der von der Beklagten weiterverkauften Computerpro-
gramme unbrauchbar machen. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ergibt sich
nicht bereits daraus, dass die Beklagte ihren Kunden ein Notartestat übergibt,
aus dem sich lediglich ergibt, dass dem Notar eine Erklärung des ursprüngli-
chen Lizenznehmers vorgelegen hat, wonach er rechtmäßiger Inhaber der Li-
zenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig
bezahlt habe.
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b) Zum anderen verletzen die Kunden der Beklagten, die bereits über ei-
ne auf ihrem Server installierte Kopie des Computerprogramms verfügen und
abgespaltene Lizenzen für zusätzliche Nutzer hinzukaufen, das Urheberrecht
an diesem Computerprogramm, wenn sie die Software im Blick auf den Erwerb
dieser zusätzlichen Lizenzen in den Arbeitsspeicher der Arbeitsplatzrechner
weiterer Anwender laden und damit vervielfältigen. Nach den Feststellungen
des Landgerichts kommt es nach dem Geschäftsmodell der Beklagten zu einer
Zunahme der Vervielfältigungsstücke des Werkes, da eine Vervielfältigung auf
dem Server des Ersterwerbers erhalten bleibt und eine neue Vervielfältigung
auf dem Server des Zweiterwerbers erstellt wird. Es ist Sache der Beklagten,
darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, dass es bei den hier in Rede
stehenden Computerprogrammen nicht zu solchen Vervielfältigungen kommt.
III. Die Bestimmung des § 69d Abs. 1 UrhG setzt schließlich ebenso wie
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG voraus, dass keine besonderen (§ 69d
Abs. 1 UrhG) oder spezifischen (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG) ver-
traglichen Bestimmungen vorliegen (dazu 1) und die Vervielfältigung des Com-
puterprogramms für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerpro-
gramms notwendig ist (dazu 2).
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1.
Das dem Nacherwerber der „erschöpften“ Kopie eines Computerpro-
gramms durch Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2000/24/EG und § 69d Abs. 1 UrhG
vermittelte Recht zu dessen bestimmungsgemäßer Benutzung kann - wie oben
(Rn. 30 ff.) ausgeführt - nicht durch spezifische (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
2009/24/EG) oder besondere (§ 69d Abs. 1 UrhG) vertragliche Bestimmungen
ausgeschlossen werden, die dieses Recht dem Ersterwerber vorbehalten.
2. Auch der Nacherwerber, der sein Nutzungsrecht aus § 69d Abs. 1
UrhG herleitet und nicht über ein vertragliches, vom Rechtsinhaber herrühren-
des Nutzungsrecht verfügt (vgl. oben Rn. 42 f.), ist nur zu Handlungen berech-
tigt, die für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms not-
wendig sind. Was die bestimmungsgemäße Nutzung des Computerprograms
ist, ergibt sich aus dem zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Erster-
werber geschlossenen Lizenzvertrag (vgl. Loewenheim in Schricker/Loewen-
heim aaO § 69d UrhG Rn. 7 mwN). Die Klägerin macht daher mit Recht gel-
tend, dass die ernstliche Gefahr einer Verletzung des Urheberrechts an Compu-
terprogrammen besteht, wenn einem Nacherwerber nicht das Original oder eine
Kopie des zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Ersterwerber getroffe-
nen Lizenzvertrages überreicht wird, dem sich der Umfang der Nutzungsrechte
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entnehmen lässt. Die Beklagte trägt deshalb die Darlegungs- und Beweislast
dafür, dass ihren Kunden die zur Feststellung der bestimmungsgemäßen Nut-
zung erforderlichen Informationen in geeigneter Weise erteilt werden.
Bornkamm
Pokrant
Büscher
Koch
Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 15.03.2007 - 7 O 7061/06 -
OLG München, Entscheidung vom 03.07.2008 - 6 U 2759/07 -