Urteil des BGH vom 12.11.2007

BGH (rechtliches gehör, vorweggenommene beweiswürdigung, sache, untreue, tag, geschäftsführer, höhe, beteiligung, zpo, substantiierung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 259/06
vom
12. November 2007
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. November 2007
durch die Richter Dr.
Kurzwelly, Kraemer, Caliebe, Dr.
Reichart und
Dr. Drescher
beschlossen:
I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Ur-
teil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom
25. Oktober 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als die Berufung gegen das klageabweisende Urteil der
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Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom
22. Februar 2006 hinsichtlich des Beklagten zu 4 in Höhe ei-
nes Teilbetrages von 24.200,00 € ("Zahlung am Tag der Insol-
venzantragsstellung an die G. AG") nebst 5 % Zinsen über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. September 2003
zurückgewiesen worden ist.
II. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewie-
sen.
III. Der Kläger trägt die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbe-
schwerdeverfahrens, die außergerichtlichen Kosten des Be-
klagten zu 3 im Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerde-
verfahren und 14/15 der außergerichtlichen Kosten des Be-
klagten zu 4 im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die weitergehenden, nicht
durch die vorstehende Kostenentscheidung (III) erfassten Kos-
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ten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
V. Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens:
Für die Gerichtskosten 335.788,19 €; für die außergerichtli-
chen Kosten 359.988,19 €, davon 4.151,60 € im Verhältnis
zum Beklagten zu 3.
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist hinsichtlich der Abwei-
sung seiner Klage gegenüber dem Beklagten zu 4 in Höhe von 24.200,00 €
nebst Zinsen begründet und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Auf-
hebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht (1); das weitergehende Rechtsmittel hat hingegen keinen Er-
folg (2).
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1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches
Gehör in entscheidungserheblicher Weise dadurch verletzt, dass es hinsichtlich
der vom damaligen Geschäftsführer der Schuldnerin, B. , am Tag der
Insolvenzeröffnung veranlassten Auszahlung von 24.200,00 € an die G. AG
den durch Zeugen unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers zu dem Vorwurf,
der Beklagte zu 4 habe sich insoweit als Teilnehmer an einer Untreue B.
schadensersatzpflichtig gemacht (§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i.V.m.
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§ 266 StGB), als nicht ausreichend substantiiert übergangen hat. Es hat sich
durch offensichtlich verfahrensfehlerhafte Überspannung der Anforderungen an
die Substantiierung der Kenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrich-
terlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie
Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das
geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen.
Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so
kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl.
Sen.Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524; Sen.Urt. v. 25. Juli
2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in
die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen nach
weiteren Einzelheiten zu befragen. So liegt es hier.
Der Kläger hat ersichtlich seiner Vortragslast für das Bestehen eines
Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten zu 4 wegen dessen Beteili-
gung an einer von dem Zeugen B. als Geschäftsführer gegenüber der
Schuldnerin begangenen Untreue gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 BGB i.V.m. § 266
StGB genügt. Nach dem Vorbringen des Klägers hat sich der Zeuge B.
dadurch einer Untreue schuldig gemacht, dass er als Geschäftsführer der
Schuldnerin noch am 30. Juni 2003, dem Tag der Beantragung der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens, unter Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflich-
ten in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin fast deren gesamtes noch
vorhandenes Kontoguthaben in Höhe von 24.200,00 € an deren Gesellschafte-
rin, die G. AG, überwiesen hat, ohne dass dieser Zahlung eine Gegenleis-
tung oder ein fälliger Anspruch gegenübergestanden hat.
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Der Kläger hat zudem hinreichende Tatsachen für eine Teilnahme des
Beklagten zu 4 an dieser behaupteten unerlaubten Handlung des Geschäftsfüh-
rers B. und damit für seine eigene Haftung nach § 830 Abs. 2 BGB
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vorgetragen. Danach soll nämlich der Beklagte zu 4 dem Zeugen B. in
einem Gespräch die Anweisung erteilt haben, Teile des Anlage- und Umlauf-
vermögens der Schuldnerin an die Gesellschafterin zu übertragen. Darunter sei
auch zu verstehen gewesen, das Konto der Schuldnerin am 30. Juni 2003 zu-
gunsten der Gesellschafterin "abzuräumen". Einer näheren Darlegung des In-
halts dieses Gesprächs durch den Kläger bedurfte es entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts nicht. Es war vielmehr Sache des Tatrichters, den Zeugen zu
weiteren Einzelheiten zu befragen. Soweit das Berufungsgericht von einer Be-
weisaufnahme auch deshalb abgesehen hat, weil nach seiner Auffassung der
Vortrag des Klägers im Widerspruch dazu stehe, dass der Beklagte zu 4 ge-
genüber dem Zeugen später eine Schließung des Betriebes verlangt habe, liegt
hierin außerdem eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es für die Substantiie-
rung des Tatsachenvortrags des Klägers ohne Bedeutung, ob der Zeuge
B. zu der ihm vorgeworfenen Tat auch ohne Anweisung des Beklagten
zu 4 bereits bereit war oder erst durch die Weisung des Beklagten zu 4 dazu
bestimmt wurde. Denn in beiden Varianten ist eine Beteiligung des Beklagten
zu 4 an einer unerlaubten Handlung des Geschäftsführers anzunehmen: Ent-
weder handelte es sich um eine Anstiftung oder eine (psychische) Beihilfe, für
die der Beklagte zu 4 gemäß § 830 Abs. 2 BGB gleichermaßen als "Beteiligter"
einzustehen hat.
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Der - streitige - Vortrag des Klägers zur Beteiligung des Beklagten zu 4
an einer Untreue des Geschäftsführers der Schuldnerin ist für die behauptete
Schadensersatzpflicht auch entscheidungserheblich. Zutreffend weist der Klä-
ger in seiner Nichtzulassungsbeschwerde darauf hin, dass in der Übertragung
des letzten verbliebenen Geldvermögens der Schuldnerin auf ihre Gesellschaf-
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terin ohne Gegenleistung ein Vermögensschaden der Schuldnerin im Sinne der
§§ 823 Abs. 2, 826 BGB liegt.
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Das Berufungsgericht wird daher nunmehr die angebotenen Beweise
- ggf. nach Ergänzung des diesbezüglichen wechselseitigen Parteivortrags - zu
erheben haben.
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2. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen,
weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt,
nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien
hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entschei-
dung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung ei-
ner einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen auch
hinsichtlich der weitergehenden Beschwerde geprüft und insoweit für nicht
durchgreifend erachtet.
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Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2,
2. Halbs. ZPO abgesehen.
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Kurzwelly Kraemer Caliebe
Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 22.02.2006 - 8 O 13451/04 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 25.10.2006 - 4 U 875/06 -