Urteil des BGH vom 28.05.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 205/01
Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 138 Bb
Zur Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflich-
tender Mithaftung eines einkommens- und vermögenslosen Ehepartners.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 205/01 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil
des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 4. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufge-
hoben, als das Versäumnisurteil vom 8. Dezember
2000 gegen die Beklagte zu 1) aufrechterhalten und
ihre Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der
4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom
28. März 2000 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil
der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landge-
richts Wuppertal vom 28. März 2000 im Kostenpunkt
und insoweit abgeändert, als die Beklagte zu 1) zur
Zahlung von 597.255,45 DM nebst 6% Zinsen aus
596.370,72 DM seit dem 16. Juni 1999 verurteilt wor-
den ist.
Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewie-
sen.
Die Kosten erster Instanz sind wie folgt zu verteilen:
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Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen
Kosten der Klägerin tragen sie selbst 60%, die Be-
klagte zu 1) 1% und der Beklagte zu 2) 39%. Die au-
ßergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die
Klägerin zu 99% und diejenigen des Beklagten zu 2)
zu 22% zu erstatten. Ihre übrigen außergerichtlichen
Kosten tragen die Beklagten selbst.
Von den Kosten zweiter Instanz haben die Beklagten
die durch ihre Säumnis veranlaßten Kosten als Ge-
samtschuldner vorab zu tragen. Für die übrigen ent-
standenen Kosten gilt:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen
Kosten der Klägerin tragen sie selbst 49%, die Be-
klagte zu 1) 2% und der Beklagte zu 2) 49%. Die au-
ßergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat die
Klägerin zu 98% zu erstatten. Ihre übrigen außerge-
richtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.
Die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind
wie folgt zu verteilen:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen
Kosten der Klägerin tragen sie selbst 72% und der Be-
klagte zu 2) 28%. Die außergerichtlichen Kosten der
Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu erstatten. Der Be-
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klagte zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten
selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten vor allem noch über die Wirksamkeit einer
Mitverpflichtung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag. Dem liegt
folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 15. Juli 1994 gewährte die klagende Sparkasse dem Beklagten
zu 2), einem Immobilienmakler, ein variabel verzinsliches Darlehen über
800.000 DM zu einem Zinssatz von zunächst 6,75% p.a., rückzahlbar in
monatlichen Zins- und Tilgungsraten von anfänglich 5.170 DM. Der Ver-
trag wurde von der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte), seiner Ehe-
frau, mitunterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte mit
dem Kredit das von ihrem Ehemann am 19. April 1994 allein erworbene
Hausgrundstück finanziert werden. Gesichert wurden das Darlehen so-
wie alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten
Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer durch eine
Grundschuld über 1,07 Millionen DM an dem vom Ehemann der Beklag-
ten erworbenen Grundstück.
Nachdem mehrere Zins- und Tilgungsraten nicht geleistet worden
waren, kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom
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24. Mai 1996 fristlos. In der Folgezeit betrieb sie die Zwangsversteige-
rung der belasteten Immobilie und verrechnete den ihr zugeflossenen
Erlös von 730.101,86 DM vorrangig mit anderen Forderungen gegen den
Ehemann der Beklagten, so daß nur noch ein Betrag von 161.392,68 DM
auf das ausgereichte Darlehen entfiel.
Die vermögenslose Beklagte, die nach ihren Angaben zum Zeit-
punkt des Vertragsschlusses im sechsten Monat schwanger und deshalb
nicht mehr in der Lage war, ihrer mit maximal 1.200 DM brutto monatlich
vergüteten Halbtagstätigkeit im Büro ihres Ehemannes nachzugehen, ist
der Auffassung: Die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages stelle
eine sie finanziell kraß überfordernde und überdies wegen besonders
belastender Umstände sittenwidrige Schuldmitübernahme dar.
Das Landgericht hat der Klage zum großen Teil stattgegeben und
die beklagten Eheleute wegen des geltend gemachten Darlehensrück-
zahlungsanspruchs als Gesamtschuldner zur Zahlung von
597.255,45 DM zuzüglich Zinsen verurteilt. Ihre Berufungen sind erfolg-
los geblieben. Von den beiden Revisionen ist nur die der Beklagten an-
genommen worden.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt bezüglich des
ihr gegenüber geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs zur
Abweisung der Klage.
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I.
Das Berufungsgericht hat die Mitunterzeichnung des Darlehens-
vertrages durch die Beklagte für eine wirksame Mithaftungserklärung ge-
halten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die von der Beklagten übernommene Mithaftung überfordere sie
trotz fehlenden eigenen Einkommens und Vermögens nicht in krasser
Weise. Eine andere Betrachtungsweise lasse die Besonderheit außer
acht, daß das Darlehen nicht für lange Zeit habe aufgenommen werden
müssen, sondern nur deshalb, weil der Kaufpreis von 3,3 Millionen DM
für die von ihrem Ehemann veräußerte Gesellschaftsbeteiligung noch
nicht bezahlt worden sei. Daß die Kaufpreisforderung schon bei der Kre-
ditaufnahme endgültig uneinbringlich gewesen sei, sei von der Beklagten
nicht schlüssig vorgetragen. Vor allem stehe der Annahme einer krassen
finanziellen Überforderung entgegen, daß sie aufgrund der mit ihrem
Ehemann getroffenen Vereinbarungen über die Mithaftungsübernahme
im Innenverhältnis einen gleich hohen Aufwendungserstattungs- oder
Ausgleichsanspruch erworben habe. Diese Ansprüche seien zum Zeit-
punkt des Vertragsschlusses durchaus realisierbar gewesen, weil die
Eheleute damals noch die Kaufpreiszahlung für die veräußerten Ge-
schäftsanteile erwartet hätten. Außerdem sei nicht schlüssig vorgetra-
gen, daß die Beklagte nicht bereits bei Abgabe der Mithaftungserklärung
mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwiegereltern habe rechnen
können. Dagegen sprächen zumindest die erheblichen Geldbeträge über
rund 800.000 DM, die diese ihr ab Dezember 1995, also schon vor der
Inanspruchnahme durch die Klägerin hätten zukommen lassen. Den Be-
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weis, daß die Mithaftungsübernahme nach einer verharmlosenden Erklä-
rung der Klägerin nur "pro forma" habe erfolgen sollen oder von ihr er-
zwungen worden sei, sei die Beklagte schuldig geblieben.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentli-
chen Punkten nicht stand.
Die durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages über
800.000 DM übernommene Mithaftung der Beklagten verstößt, wie die
Revision zutreffend rügt, gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sit-
ten und ist damit nichtig. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die ein-
kommens- und vermögenslose Beklagte sei nicht finanziell kraß überfor-
dert, ist unhaltbar.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Be-
rufungsgerichts, daß die Beklagte durch die Mitunterzeichnung des Dar-
lehensvertrages nach dem Willen aller Beteiligten keine gleichberech-
tigte Kreditnehmerin, sondern bloße Mithaftende werden sollte.
a) Echter Mitdarlehensnehmer ist nach der ständigen Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes - sachliches
und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im
wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die
Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGHZ 146, 37,
41; Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, WM 1998, 2366 f.
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und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Ob die-
se Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich
ausschließlich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhält-
nissen auf seiten der Mitdarlehensnehmer. Die kreditgebende Bank hat
es daher nicht in der Hand, etwa durch eine im Darlehensvertrag ge-
wählte Formulierung wie z.B. "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller",
"Mitschuldner" oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem
gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den
Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (st.Rspr., siehe
z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 224
m.w.Nachw.). Danach durfte das Berufungsgericht die Willenserklärung
der Beklagten bei wertender Betrachtung gemäß §§ 133, 157 BGB
durchaus als Schuldmitübernahme deuten. Zwar hat es seine Auffassung
nicht einmal ansatzweise begründet, sondern eine Mitgläubiger- und
gleichgründige Gesamtschuldnerschaft der Eheleute offenbar erst gar
nicht in Betracht gezogen. Da in dieser Frage weiterer Sachvortrag der
Prozeßparteien nicht zu erwarten ist, kann der erkennende Senat aber
die gebotene Vertragsauslegung selbst vornehmen (vgl. etwa BGHZ 124,
39, 45).
b) Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden
diente die Kreditaufnahme über 800.000 DM ausschließlich zur Finanzie-
rung des Kaufpreises für das nur vom Ehemann der Beklagten bereits
vor Abschluß des Darlehensvertrags erworbene Hausgrundstück. Dafür,
daß die Beklagte gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der
Darlehensvaluta als im wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei
mitbestimmen durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise
Gebrauch gemacht hat, ist nichts ersichtlich. Nach ihrer unwiderlegten
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Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, daß sie, die mit dem Kauf
der "Jugendstilvilla" nicht einverstanden war, aufgrund der mit ihrem
Ehemann getroffenen Vereinbarung lediglich die Mithaftung für das Dar-
lehen übernehmen sollte. Der Umstand, daß die zu finanzierende Immo-
bilie bis zur Zwangsversteigerung durch die Klägerin von der ganzen
Familie der Beklagten bewohnt wurde, deutet entgegen der Auffassung
der Revisionserwiderung keineswegs darauf hin, daß die Beklagte
gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin sein sollte, sondern lenkt nur
den Blick auf einen regelmäßig nicht einmal zuverlässig feststellbaren
und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil der Beklagten aus der Kre-
ditaufnahme.
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, überforderte
die Mithaftungsübernahme die Beklagte von Anfang an finanziell in kras-
ser Weise, ohne daß sich für die Klägerin entlastende Momente finden
lassen.
a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des
IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche
Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen
Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die
von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfänd-
baren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Siche-
rungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finan-
zieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne
Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, daß der dem
Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für
ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit
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dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich
anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 47;
BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411;
Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125,
126, vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224 und vom
14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, Umdruck S. 6 und - XI ZR 81/01, Umdruck
S. 6, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) So ist es hier. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der
Beklagten war sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im sechsten
Monat schwanger, nicht mehr halbtags in dem Betrieb ihres Ehemannes
als Bürokraft tätig und infolgedessen ohne eigenes Einkommen. Da eine
ganztätige Berufsausübung mit einem erheblich höheren Monatsgehalt
als die vorher bezogenen 1.200 DM brutto in absehbarer Zeit nicht reali-
stisch erschien und ein eigenes nennenswertes Vermögen nicht vorhan-
den war, konnte sie aus der maßgebenden Sicht eines rational handeln-
den Kreditgebers voraussichtlich auch zukünftig nicht einmal die im
Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen von mehr als 4.000 DM monatlich
allein aufbringen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen
auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen, eine krasse
finanzielle Überforderung der Beklagten zu verneinen.
aa) Darauf, ob der gesamte Kredit nach dem Willen der Vertrags-
schließenden schon nach kurzer Zeit mit dem Erlös aus dem Verkauf der
Gesellschaftsbeteiligung des Ehemannes der Beklagten wieder zurück-
gezahlt werden sollte, kommt es - wie die Revision zu Recht geltend
macht - nicht entscheidend an. Wenn das Berufungsgericht von der Be-
klagten den Nachweis verlangt, daß die Kaufpreisforderung über
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3,3 Millionen DM bereits bei Abgabe der sonst ruinösen Mithaftung end-
gültig uneinbringlich gewesen sei, verkennt es, daß bei der Beurteilung
der finanziellen Überforderung allein auf die Leistungsfähigkeit des Mit-
haftenden abzustellen ist (BGHZ 146, 37, 43; BGH, Urteil vom
27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 412) und die Mithaf-
tungserklärung gerade dann zum Tragen kommen soll, wenn der Haupt-
schuldner (unvorhergesehen) seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Im
übrigen enthält der Darlehensvertrag, der die Zinsanpassung für einen
Zeitraum von 10 Jahren regelt, keinerlei Hinweis darauf, daß es sich
nach dem ursprünglichen Willen der Vertragsparteien nur um eine kurz-
fristige Zwischenfinanzierung handeln sollte.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Be-
klagten habe als bloße Mithaftende jedenfalls zum Zeitpunkt des Ver-
tragsschlusses im Innenverhältnis ein die krasse finanzielle Überforde-
rung voll ausgleichender Aufwendungsersatz- oder Ausgleichsanspruch
gegen ihren primär haftenden Ehemann zugestanden, trägt die getroffe-
ne Entscheidung nicht. Eine Bürgschaft oder Mithaftung wird, wie dar-
gelegt, von dem Betroffenen regelmäßig für den Fall der Zahlungsunfä-
higkeit des Hauptschuldners oder anderer vergleichbarer Leistungshin-
dernisse übernommen. Nach gefestigter Rechtsprechung sowohl des IX.
als auch des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Senat
BGHZ 146, 37, 43 m.w. Nachw.) ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit
der Personalsicherheit daher die bei Vertragsabschluß vielleicht noch
vorhandene Finanzkraft des Darlehensnehmers grundsätzlich nicht zu
berücksichtigen, sondern nur das pfändbare Einkommen und Vermögen
des Sicherungsgebers. Davon ausgehend ist von vornherein ausge-
schlossen, daß schuldrechtliche Befreiungs- oder Regreßansprüche des
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Bürgen oder Mithaftenden gegen den Hauptschuldner, zumal wenn sie
- wie hier - völlig ungesichert sind, bei der Prüfung der Wirksamkeit der
Bürgschaft oder Mithaftung eine Rolle spielen.
cc) Rechtsfehlerhaft ist auch die Berücksichtigung von Zuwendun-
gen der Schwiegereltern bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der
Beklagten. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand keine hinrei-
chend gesicherte Aussicht der Beklagten auf eine gegenüber der Darle-
henssumme ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung durch ihre
Schwiegereltern. Denn abgesehen davon, daß die Gelder nach ihrem
unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst ab Dezember 1995, also nach
der bereits im Sommer 1994 abgegebenen Mithaftungserklärung geflos-
sen sind, handelt es sich durchweg um Leistungen, auf die sie keinen
Anspruch hatte und die auch nicht, wie es grundsätzlich erforderlich ge-
wesen wäre (vgl. BGHZ 132, 328, 336), zum Gegenstand von Verhand-
lungen über ihre künftig zu erwartende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
gemacht worden sind.
dd) An der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten än-
dert schließlich auch die von ihrem Ehemann bestellte Grundschuld über
1,07 Millionen DM nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs sind anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers
- vor allem dingliche Sicherheiten - grundsätzlich nur dann zu berück-
sichtigen, wenn sie das Mithaftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich
gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken (vgl. etwa
BGHZ 136, 347, 352 f.; Senat BGHZ 146, 37, 44 m.w.Nachw.). Diese
engen Voraussetzungen erfüllt die Grundschuld, die - insoweit rechtlich
unbedenklich - nicht nur das Darlehen über 800.000 DM, sondern auch
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alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Klägerin gegen den
Ehemann der Beklagten sichern sollte, nicht (vgl. Nobbe/Kirchhof
BKR 2001, 5, 10).
c) Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs (siehe z.B. Senat BGHZ 146, 37, 45; Urteil vom 4. Dezember
2001 - XI ZR 56/01, aaO S. 225) lag es demnach bei der Klägerin, im
einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, daß die Beklagte die rui-
nöse Mithaftung entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht aus
emotionaler Bindung an ihren Ehemann, sondern aufgrund eines im we-
sentlichen autonomen und eigenverantwortlichen Entschlusses über-
nommen hat. Dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder den Umständen zu
entnehmen.
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III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO
a.F.). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat
in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) und die
Klage gegen die Beklagte abweisen, soweit sie sich auf Rückzahlung des
restlichen Darlehens richtet.
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen