Urteil des BGH vom 28.07.2003

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, anschlag, bruder, blutrache, antrag, stgb, ige, bindung, stpo, zeitpunkt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 9/04
vom
23. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. März 2004 be-
schlossen:
1.
Der Antrag des Angeklagten, ihm zur Nachholung der
verspätet angebrachten Verfahrensrügen zur Begrün-
dung seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 28. Juli 2003 (Revisionsbegründung von
Rechtsanwältin S. vom 28. November 2003) Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird aus
den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesan-
walts vom 16. Februar 2004 zurückgewiesen.
2.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeich-
nete Urteil wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrecht-
fertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-
klagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Wertung des Schwurgerichts, die Tötung des
Tatopfers beruhe auf niedrigen Beweggründen im Sinne
des § 211 Abs. 2 StGB, ist auf der Grundlage der Recht-
sprechung zur Tötung aus Blutrache in objektiver Hin-
sicht nicht zu beanstanden. Gleiches gilt angesichts der
Sozialisation des in der Bundesrepublik aufgewachse-
nen Angeklagten aber auch in subjektiver Hinsicht. Dar-
an ändert hier - wie das Landgericht eingehend darge-
legt hat - seine noch bestehende gefühlsmäßige Bin-
dung an kurdisch-jezidische Wertvorstellungen nichts.
- 3 -
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Angeklagte
bei Ausübung der Tat innerlich noch unter dem Eindruck
des Anschlags auf seinen ältesten Bruder gestanden
und ihn dies maßgeblich zur Begehung der Tat veran-
laßt hätte. Daß der Angeklagte in dieser Weise durch
den von einem Verwandten des Tatopfers verübten An-
schlag auf seinen Bruder, an dem das Tatopfer mögli-
cherweise beteiligt war, noch persönlich betroffen war,
hat das Landgericht aber gerade ausgeschlossen. Diese
Wertung begegnet schon deshalb keinen Bedenken,
weil der Bruder des Angeklagten den Anschlag, der
Auslöser der Blutrache war, ohne schwerwiegende Ver-
letzungen überlebt hat und der Anschlag im Zeitpunkt
der Tat bereits fast ein Jahr zurücklag.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels
und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren ent-
standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible