Urteil des BGH vom 06.04.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 56/99
vom
6. April 2000
in der Grundbuchsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
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DDR: GesO § 7 Abs. 3 Satz 1; GBO § 22
Die durch einstweilige Verfügung zwangsweise erlangte Vormerkung zur Sicherung
des Anspruchs auf Eintragung einer Sicherungshypothek hat in der Gesamtvoll-
streckung generell keinen Bestand und ist aus diesem Grund einem Berichtigungs-
verfahren nach § 22 GBO grundsätzlich zugänglich.
BGH, Beschl. v. 6. April 2000 - V ZB 56/99 - OLG Dresden
LG Leipzig
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2000 durch den Vor-
sitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider und
Dr. Lemke
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden der Be-
schluß der 12. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom
2. August 1999 und der Beschluß des Amtsgerichts - Grundbuch-
amt - Leipzig vom 2. März 1999 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den bisherigen Beden-
ken gegen die Löschung der in der Dritten Abteilung des Teilei-
gentumsgrundbuchs eingetragenen Vormerkung zur Sicherung
eines Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek auf-
grund der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Leipzig vom
4. Februar 1998 Abstand zu nehmen.
Geschäftswert: 90.445 DM.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 ist Verwalter in dem am 24. August 1998 eröffneten
Gesamtvollstreckungsverfahren der L. B. GmbH. Diese ist Eigentümerin eines
Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von L. , Blatt . Für die Be-
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teiligte zu 2 wurde dieses im Wege der einstweiligen Verfügung am
19. Februar 1998 durch Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des An-
spruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen einer Forderung in
Höhe von 90.445 DM belastet.
Der Beteiligte zu 1 hat unter Vorlage des Eröffnungsbeschlusses die
Löschung der Vormerkung beantragt. Ferner hat er von der Schuldnerin mit
Dritten geschlossene, dem Grundbuchamt vorliegende, aber noch nicht vollzo-
gene Kaufverträge über auf dem Grundstück errichtete Eigentumswohnungen
genehmigt. Das Grundbuchamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Er-
innerung und Beschwerde sind erfolglos geblieben. Die weitere Beschwerde
möchte das Oberlandesgericht Dresden zurückweisen. Daran sieht es sich
aber durch die Beschlüsse des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom
13. Februar 1996 (ZIP 1996, 467) und des Brandenburgischen Oberlandesge-
richts vom 6. November 1995 (DtZ 1997, 33) gehindert und hat deshalb die
Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft.
Das vorlegende Gericht hält die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1
Satz 1 GBO für eine Berichtigung des Grundbuchs im Falle der Eröffnung ei-
nes Gesamtvollstreckungsverfahrens für nicht gegeben und meint, eine Lö-
schung der Vormerkung komme nur nach § 894 BGB aufgrund einer Bewilli-
gung durch die Beteiligte zu 2 in Betracht. Mit der Vorlage des Beschlusses
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über die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens sei der Nachweis der
Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO
geführt. Das Vollstreckungsverbot und die Rückschlagsperre des § 7 Abs. 3
Satz 1 GesO finde nämlich auf Masseschulden keine Anwendung. Der Nach-
weis, daß es sich bei dem durch die Hypothek zu sichernden Anspruch nicht
um eine Masseschuld handele, könne in der Regel nicht durch Urkunden in der
Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO erbracht werden.
Demgegenüber haben das Thüringer Oberlandesgericht in Jena und das
Brandenburgische Oberlandesgericht in den angeführten Beschlüssen die
Auffassung vertreten, die Unrichtigkeit des Grundbuchs stehe wegen § 7
Abs. 3 Satz 1 GesO aufgrund der Vorlage des Eröffnungsbeschlusses im Sinne
des § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO fest, wenn der Verwalter einen Antrag im Zusam-
menhang mit der Verwertung des Grundstücks im Rahmen der Gesamtvoll-
streckung stelle.
Es geht mithin um die Auslegung bundesgesetzlicher, das Grundbuch-
recht betreffender Bestimmungen. Dies trägt die Vorlage.
III.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO) und hat in der Sa-
che Erfolg. Der Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung der
Vormerkung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO aufgrund des vorgelegten Eröff-
nungsbeschlusses ist begründet.
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1. Mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens ist das
Grundbuch unrichtig geworden, soweit darin eine Vormerkung zur Sicherung
eines Anspruchs der Beteiligten zu 2 auf Einräumung einer Sicherungshypo-
thek eingetragen ist. Vormerkungen, die in der Vollziehung einer einstweiligen
Verfügung eingetragen worden sind, stellen nicht beendete Zwangsvollstrek-
kungsmaßnahmen dar und verlieren deshalb in der Gesamtvollstreckung nach
§ 7 Abs. 3 Satz 1 GesO ihre Wirksamkeit (BGHZ 130, 347, 349 ff; BGH, Urt. v.
15. Juli 1999, IX ZR 239/98, NJW 1999, 3122, 3124). Die deshalb eingetretene
Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO (BGHZ
130, 347, 354) hat der Beteiligte zu 1, durch den das Grundstück verwertet
wird, durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsbeschlusses in
der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO nachgewiesen (vgl. KG, ZIP 1996, 645,
646; OLG Jena, ZIP 1996, 467, 468; OLG Brandenburg, DtZ 1997, 33, 34; LG
Meiningen, ZIP 1996, 647; Kohler in: Bauer/von Oefele, Grundbuchordnung
§ 22 Rdn. 206; Knothe, ebenda § 29 Rdn. 65; Smid, GesO, 3. Aufl. § 7
Rdn. 64; Mitlehner, ZIP 1995, 1428, 1429; Böhringer, DtZ 1996, 258, 259; Hol-
zer, ZIP 1996, 780, 781; Paulus, EWiR 1996 § 7 GesO 2/96; Soehring, WuB VI
G. § 7 GesO 1.96; Lüke, EWiR 1996 § 7 GesO 6/96).
2. Die gegenteilige Auffassung des vorlegenden Gerichts (vgl. ferner
OLG Dresden, Rpfleger 1999, 442; LG Schwerin, Rpfleger 1996, 168; LG
Magdeburg, ZIP 1995, 2005, 2006; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 4. Aufl.
§ 7 Rdn. 31 a; Hess/Binz/Wienberg, GesO 4. Aufl. § 7 Rdn. 31 p; Keller, Rpfle-
ger 1997, 45, 48, 50 f; Haarmeyer, EWiR 1996 § 7 GesO 8/96; Braun, EWiR
1996 § 7 GesO 1/96; Pape, KTS 1996, 231, 241 ff; vgl. ferner Bestelmeyer, DtZ
1997, 274, 280) vermag nicht zu überzeugen.
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Sie geht zwar zutreffend davon aus, daß das Vollstreckungsverbot des
§ 7 Abs. 3 GesO und die angeordnete Rückschlagsperre auf Masseschulden
keine Anwendung finden. Richtig ist auch, daß der Gesamtvollstreckungsver-
walter bei einem nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrag die Erfüllung
wählen kann und dadurch eventuell die Werklohnforderungen Masseverbind-
lichkeiten werden. Zutreffend ist schließlich, daß der Nachweis dafür, daß der
Vertrag nicht oder nicht vollständig erfüllt war, der Gesamtvollstreckungsver-
walter die Erfüllung gewählt hat und hierdurch eine Masseverbindlichkeit ent-
standen ist, in der Regel nicht durch Urkunden in der Form des § 29 GBO ge-
führt werden kann. Hierauf kommt es aber bei der Frage, ob das Grundbuch
nach § 22 GBO berichtigt werden kann, nicht an. Entscheidend ist vielmehr,
daß die im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgte Eintragung der Vormer-
kung eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1
GesO darstellt, die als solche mit dem im Eröffnungsbeschluß genannten Zeit-
punkt ihre Wirksamkeit verliert. Diese Rechtsfolge geht der in § 9 Abs. 1 Satz 3
GesO getroffenen Anordnung vor (BGH, Urt. v. 15. Juli 1999, IX ZR 239/98,
NJW 1999, 3122, 3124). Die durch einstweilige Verfügung zwangsweise er-
langten Vormerkungen zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer
Bauhandwerkersicherungshypothek haben daher in der Gesamtvollstreckung
generell keinen Bestand und sind aus diesem Grund einem Berichtigungsver-
fahren nach § 22 GBO grundsätzlich zugänglich.
Soweit die Rechtsprechung annimmt, daß die Unwirksamkeit zwar ab-
solut, jedoch nur insofern und solange wirkt, als sie zum Schutz der Gesamt-
vollstreckungsgläubiger erforderlich ist (BGH, Urt. v. 15. Juli 1999, aaO,
S. 3124), und der Gesamtvollstreckungsverwalter von einer Löschungsbewilli-
gung nur dann Gebrauch machen darf, wenn die Berichtigung im Zusammen-
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hang mit einer infolge der Verwertung des Grundstücks in das Grundbuch ein-
zutragenden Rechtsänderung steht (BGHZ 130, 347, 355), bedarf es keiner
Entscheidung, ob dementsprechend eine Berichtigung nach § 22 GBO nur
dann verfolgt werden kann, wenn mit der Vorlage des Eröffnungsbeschlusses
zugleich die Eintragung einer Rechtsänderung beantragt wird. Denn dieser
Tatbestand wäre hier durch den Antrag auf grundbuchamtlichen Vollzug der
Urkunden über den Kaufvertrag vom 19. August 1997 gegeben.
Wenzel
Vogt
Tropf
Schneider
Lemke