Urteil des BGH vom 26.10.2000

BGH (stgb, blutalkoholkonzentration, vergewaltigung, werkzeug, schuldspruch, zeitpunkt, dauer, rückrechnung, verhalten, geschlechtsverkehr)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 433/00
vom
26. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbun-
desanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Oktober
2000 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Hildesheim vom 15. Juni 2000 wird als unbegründet ver-
worfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revi-
sionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des An-
geklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO); jedoch wird der
Schuldspruch dahin berichtigt, daß der Angeklagte der Verge-
waltigung und der vorsätzlichen unerlaubten Ausübung der tat-
sächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstlade-
kurzwaffe schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, daß das sachverständig beratene Land-
gericht trotz der Alkoholisierung des Angeklagten eine erheblich verminderte
Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB ausgeschlossen hat. An Stelle der dem
Urteil zu Grunde gelegten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,2 ‰ ist
unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(vgl. BGHSt 35, 308 ff., 314; 37, 231 ff., 237; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkon-
zentration 25; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 20 Rdn. 9 f.) von einer maxi-
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malen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,8 ‰ (Alkoholabbau von
8 Stunden x 0,2 ‰ zuzüglich 0,2 ‰ Sicherheitszuschlag) auszugehen. Dies
gefährdet hier jedoch den Bestand des Strafausspruchs nicht, weil es unter den
vorliegenden Umständen auf die genaue Höhe des Blutalkoholwertes nicht an-
kommt. Der maximalen Blutalkoholkonzentration kommt wegen der langen
Dauer der Rückrechnung bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,0 ‰ zum
Zeitpunkt der Blutentnahme nur eine geringe Indizwirkung zu (vgl. BGHSt 35,
308, 315). Die in dem angefochtenen Urteil aufgeführten aussagekräftigen
psychodiagnostischen Kriterien - Verhalten während und nach der Tat, gute
Erinnerungsfähigkeit - schließen eine erhebliche alkoholbedingte Beeinträchti-
gung der Steuerungsfähigkeit aus (vgl. BGHSt 43, 66 ff.; Tröndle/Fischer, aaO
§ 20 Rdn. 9 j).
Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer den Qualifikationstatbestand des § 177
Abs. 3 Nr. 2 StGB bejaht. Zwar ging der Angeklagte, als er die Geschädigte mit
den Handfesseln an das Bett fesselte und sie dadurch in ihren Abwehrmöglich-
keiten stark beeinträchtigte, von deren Einverständnis mit sexuellen Handlun-
gen aus. Er hat aber nach den Feststellungen im weiteren Verlauf des Ge-
schehens die Fesselung bewußt zur Überwindung des von ihm erkannten Wi-
derstandes der Frau gegen sexuelle Handlungen ausgenutzt, indem er die
Fesselung trotz ihrer eindringlichen Bitten nicht löste, gewaltsam ihre Ober-
schenkel auseinanderdrückte und den Geschlechtsverkehr gegen ihren aus-
drücklich erklärten Willen vollzog. Ein Beisichführen im Sinne des § 177 Abs. 3
Nr. 2 StGB liegt auch dann vor, wenn ein nicht gefährliches Werkzeug oder
Mittel bei der Tat verwendet wird (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 3 Nr. 2 i.d.F.
6. StrRG Werkzeug 1 und § 250 Abs. 1 Nr. 1 b i.d.F. 6. StrRG Werkzeug/Mittel
1).
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Im Hinblick auf die gesetzliche Deliktsüberschrift und die Legaldefinition des
§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB ergeht der Schuldspruch wegen Vergewaltigung (vgl.
BGH NStZ 1998, 510; Tröndle/Fischer, aaO § 177 Rdn. 20).
Kutzer Rissing-van Saan Pfister
von Lienen Becker