Urteil des BGH vom 23.06.2010

BGH (missbrauch, stgb, stpo, wohnung, umzug, gesamtstrafe, anordnung, nachteil, verhandlung, anhörung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 206/10
vom
23. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 27. November 2009 in den Fällen 3 und 4 der Urteils-
gründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den jeweils zugehö-
rigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-
ne andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwie-
sen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs ei-
ner Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit se-
xuellem Missbrauch eines Kindes und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit
sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von weiteren Vorwürfen des sexuel-
len Missbrauchs hat es den Angeklagten freigesprochen. Die auf die Sachrüge
gestützte Revision des Angeklagten hat in den Fällen 3 und 4 Erfolg; im Übri-
gen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Urteilsfeststellungen belegen im Fall 3 nicht zweifelsfrei, dass die
Tat zum Nachteil eines Kindes begangen worden ist. Während in den beiden
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ersten ausgeurteilten Fällen festgestellt ist, dass S. zur Tatzeit zehn oder
elf Jahre alt war, ist den Urteilsgründen hinsichtlich der dritten Tat lediglich zu
entnehmen, dass sie vor dem Umzug in eine andere Wohnung am 16. März
2004 stattgefunden hat. S. wurde aber bereits am 4. Februar 2004 14
Jahre alt. Damit kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Tatrichter
rechtsfehlerhaft eine Tat, die nach dem 14. Geburtstag S. s begangen
worden ist, als tateinheitlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes gewertet hat.
Es bedarf daher insoweit neuer Feststellungen.
2. Im Fall 4 der Urteilsgründe sind die Voraussetzungen des tateinheitlich
ausgeurteilten § 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB a. F. durch die Feststellungen nicht be-
legt. Gegen eine Ausnutzung der fehlenden Fähigkeit des Opfers zur sexuellen
Selbstbestimmung spricht vielmehr, dass die Geschädigte dem Angeklagten
regelmäßig erklärt hat, dass sie das nicht wolle und er aufhören solle. Das Urteil
war daher auch insoweit aufzuheben.
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3. Mit den Einzelstrafen für die genannten Fälle entfällt auch die Ge-
samtstrafe.
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4. Der neue Tatrichter wird angesichts der festgestellten chronischen Al-
koholabhängigkeit des Angeklagten und des festgestellten Umstands, dass die
Taten vor diesem Hintergrund zu sehen sind, die Anordnung einer Maßregel
nach § 64 StGB zu prüfen haben.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Schmitt Krehl