Urteil des BGH vom 25.04.2013

BGH: alkohol, sachbeschädigung, unterbringung, drogenkonsum, abhängigkeit, gesamtstrafe, trunkenheit, könig, untersuchungshaft, überprüfung

5 StR 146/13
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2013
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil
des Landgerichts Cottbus vom 30. August 2012, soweit es
ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenaus-
spruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tatmehrheitlich began-
gener Körperverletzung, Diebstahls, Bedrohung und Sachbeschädigung so-
wie wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und seine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die mit der Sachrüge
geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersicht-
lichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO un-
begründet.
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1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen durch-
greifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Rechts-
folgenausspruch hat hingegen keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat im Rahmen der Strafrahmenwahl bei allen Ta-
ten des Angeklagten trotz nicht ausschließbarer erheblich verminderter Steu-
erungsfähigkeit aufgrund vorangegangenen Alkohol- und Betäubungsmittel-
konsums eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abge-
lehnt, weil es ihm bewusst gewesen sei, dass er „insbesondere für den Fall
des Konsumierens von Alkohol aggressiv reagieren und sich daher der Ge-
fahr der Begehung von Straftaten aussetzen“ würde. Dies hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
b) Zwar können Umstände, welche die Schuld erhöhen, zur Versa-
gung der Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn
sie die infolge der Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit
verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies kann bei einer alkoholbedingten
Verminderung der Schuldfähigkeit dann der Fall sein, wenn sie auf einer
selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter
uneingeschränkt vorwerfbar ist. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beein-
trächtigender Alkoholrausch ist aber dann nicht verschuldet, wenn der Täter
den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherr-
schenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermä-
ßigen Rauschmittelkonsum zu widerstehen, einschränkt (vgl. Fischer, StGB,
60. Aufl., § 21 Rn. 25 ff. mwN).
c) Die Strafkammer geht aber
– sachverständig beraten – im Rahmen
der Prüfung der Voraussetzung des § 64 StGB davon aus, dass dem Ange-
klagten die Alkoholaufnahme nicht uneingeschränkt vorwerfbar war. Er habe
die Schwelle des schädlichen Gebrauchs zur Alkoholabhängigkeit bereits
überschritten; bei ihm liege eine psychische Abhängigkeit vor (UA S. 26).
Aus seinen Lebensumständen ergebe sich, dass der Angeklagte auch nicht
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aus eigener Kraft seinen Alkohol- und Drogenkonsum einzustellen vermag
(UA S. 25).
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen und
der Gesamtfreiheitsstrafe. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können
die bisherigen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben.
Weitergehende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht
widersprechen.
3. Der Senat hebt auch die Anordnung der Unterbringung des Ange-
klagten in einer Entziehungsanstalt auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt
eine stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu eröffnen. Das Gericht wird mit
Blick auf die Höhe der zu verhängenden Gesamtstrafe und bereits vollzoge-
ner Untersuchungshaft, deren Dauer nicht mitgeteilt wurde, zu prüfen haben,
ob eine neuerliche Maßregelanordnung unter Berücksichtigung der Thera-
piedauer verhältnismäßig erscheint (§ 62 StGB) und eine hinreichend kon-
krete Erfolgsaussicht bietet (§ 64 Satz 2 StGB). Darüber hinaus wird im
Rahmen der zu treffenden Kriminalprognose nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB zu
erörtern sein, ob es ausreicht, dem bislang lediglich zu Geldstrafen und einer
im Jahr 2009 erlassenen Bewährungsstrafe verurteilten Angeklagten eine
Therapieweisung zu erteilen.
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