Urteil des BGH vom 12.07.2004

BGH (einzelrichter, zpo, sache, sicherung, besetzung, gkg, gerichtskosten, fortbildung, kompetenz, gebrauch)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 11/03
vom
12. Juli 2004
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juli 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des
8. Zivilsenats (Einzelrichter) des Brandenburgischen Oberlandes-
gerichts vom 21. Februar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht
(Einzelrichter) zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht
erhoben.
Beschwerdewert: 61,62 €
Gründe:
I. Der
Kläger,
Insolvenzverwalter
über
das
Vermögen
der
A.
mbH
P.,
hat
gegen
den
Beklagten,
einen
früheren
Gesellschafter der Schuldnerin, am 25. Januar 2002 ein rechtskräfti-
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ges Versäumnisurteil des Landgerichts Neuruppin erwirkt. Die Kosten des
Rechtsstreits sind dem Beklagten auferlegt worden. Dem Kläger, der seine An-
waltskanzlei im früheren Westteil B. betreibt, war vom Landgericht Prozeß-
kostenhilfe unter seiner Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen
Rechtsanwalts" gewährt worden. Das Landgericht hat die vom Kläger geltend
gemachte Prozeß- und Verhandlungsgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluß
vom
28. August
2002
mit
Rücksicht
auf
den
Sitz
der
A.
in P. und damit im Beitrittsgebiet nach den Bestimmungen des
Einigungsvertrages mit nur jeweils 90 % des verlangten Betrages festgesetzt.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Branden-
burgische Oberlandesgericht mit Beschluß des Einzelrichters vom 21. Februar
2003 zurückgewiesen. Mit seiner - vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts
zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger den ihm nach seiner An-
sicht zustehenden Anspruch auf 100 % der Gebühren weiter.
II. Die trotz unrichtiger Anwendung des § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO n.F.
statthafte (vgl. BGH, Beschl. v. 13. März 2003 - IX ZB 134/02, ZIP 2003, 1561)
Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist unter Verletzung des Ver-
fassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergan-
gen und daher objektiv willkürlich. Der Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Damit hat er
eine nicht ihm, sondern allein dem Beschwerdegericht in seiner vollen Beset-
zung zustehende Entscheidung getroffen. Nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO n.F. hat
der Einzelrichter das Verfahren, wenn er ihm grundsätzliche Bedeutung zumißt,
dem Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen
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Besetzung zu übertragen. Da der Begriff der Grundsätzlichkeit nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs im weitesten Sinne zu verstehen ist und die
Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheit-
lichen Rechtsprechung umfaßt (BGH aaO; BGH, Beschl. v. 11. September
2003 - XII ZB 188/02, NJW 2003, 3712; Sen.Beschl. v. 10. November 2003
- II ZB 14/02, BGH-Report 2004, 329), fehlte dem Einzelrichter die Kompetenz
für seine Zulassungsentscheidung.
Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO n.F. ist der angefochtene Beschluß da-
her aufzuheben und die Sache an den Einzelrichter des Beschwerdegerichts
zur Entscheidung über die Übertragung des Verfahrens auf das Kollegium nach
§ 568 Satz 2 ZPO n.F. zurückzuverweisen.
Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten
macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG
n.F. Gebrauch.
Röhricht
Goette
Kurzwelly
Münke
Gehrlein