Urteil des BGH vom 07.05.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 5 4 0 / 1 3
vom
7. Mai 2014
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 70 Abs. 3 Satz 2; GNotKG § 26 Abs. 3
a) Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die eine Unterbringung oder frei-
heitsentziehende Maßnahme ablehnende tatrichterliche Entscheidung ist nur
statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (Abgrenzung zum Se-
natsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652).
b) Rechtsmittelverfahren in Unterbringungssachen sind auch unter Geltung des Ge-
setzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom
23. Juli 2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG) gerichtsgebührenfrei.
Diese Gebührenfreiheit gilt ebenfalls für unstatthafte Rechtsmittel.
BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 540/13 - LG Hamburg
AG Hamburg-St. Georg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2014 durch den Vor-
sitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botur
und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der
1. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 16. September
2013 wird verworfen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe:
I.
Das Verfahren hat die Genehmigung einer Unterbringung des Betroffe-
nen zur Heilbehandlung und einer beabsichtigten Zwangsmedikation zum Ge-
genstand.
Der Betroffene ist an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt und steht
seit Dezember 2010 unter Betreuung. Seit Mitte Februar 2013 ist er aufgrund
eines strafrechtlichen Unterbringungsbefehls forensisch untergebracht.
Im Mai 2013 beantragte der Beteiligte zu 2 als Betreuer, die Unterbrin-
gung des Betroffenen zu einer zwangsweisen Heilbehandlung nach § 1906
BGB zu genehmigen.
Das Amtsgericht hat diesen Antrag unter Hinweis auf die strafrechtliche
Unterbringung zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betreuers ist erfolglos
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geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Betroffenen und vom Betreuer na-
mens des Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft.
1. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde im angefochtenen Be-
schluss vom 16. September 2013 nicht zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die
vom Beschwerdegericht erteilte - unzutreffende - Rechtsmittelbelehrung stellt
keine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde dar (Senatsbe-
schlüsse vom 27. November 2013 - XII ZB 464/13 - juris Rn. 6 und vom 20. Juli
2011 - XII ZB 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 16).
2. Ein Fall der Statthaftigkeit ohne Zulassung gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 FamFG liegt nicht vor, weil die beantragte Maßnahme vom Tatrichter nicht
angeordnet, sondern abgelehnt worden ist.
Durch § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass Rechts-
beschwerden in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen nur dann oh-
ne Zulassung statthaft sind, wenn die Unterbringung oder freiheitsentziehende
Maßnahme angeordnet wird (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014
- XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8; Althammer in Johannsen/Henrich
Familienrecht 5. Aufl. § 70 FamFG Rn. 11). Denn der Gesetzgeber wollte die
zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse eröffnen, die unmit-
telbar freiheitsentziehende Wirkung haben (BT-Drucks. 16/12717 S. 60).
Der Senat hat den Rechtsbeschwerdeführer hierauf hingewiesen. Soweit
dieser einwendet, die Vorschrift des § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG müsse entspre-
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chend zugunsten des Betroffenen gelten, wenn ausnahmsweise - wie das hier
der Fall sei - die Ablehnung der Maßnahme für ihn von Nachteil sei, bleibt das
ohne Erfolg. Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidri-
gen Regelungslücke. Dass die Ablehnung einer Unterbringung oder freiheits-
entziehenden Maßnahme aus objektiver Sicht, nämlich mit Blick auf die ge-
sundheitlichen Interessen des Betroffenen, für diesen nachteilig sein kann, liegt
auf der Hand. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Statthaftigkeit der Rechtsbe-
schwerde insoweit wie dargestellt beschränkt.
3. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Der Gesetzgeber wollte mit Einführung des Gesetzes über Kosten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23. Juli 2013 (Gerichts-
und Notarkostengesetz - GNotKG; BGBl. I S. 2586) nichts an dem durch
§ 128 b Satz 1 KostO ausdrücklich geregelten Zustand ändern, dass Unterbrin-
gungsverfahren gerichtsgebührenfrei sind (BT-Drucks. 17/11471 S. 160). Des-
halb sieht das Gesetz bereits keinen Gebührentatbestand für Unterbringungs-
verfahren vor (vgl. BeckOK KostO/Wendtland [Stand: 15. Februar 2014] § 128 b
Rn. 11; Friedrich in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 26 Rn. 1; Sommerfeldt
in Bormann/Diehn/Sommerfeldt GNotKG § 26 Rn. 10). Für die gerichtlichen
Auslagen wird durch § 26 Abs. 3 GNotKG - mit dem die Regelung des
§ 128 b Satz 2 KostO übernommen werden sollte (BT-Drucks. 17/11471 S. 162)
- bestimmt, dass dem Betroffenen nur die an den Verfahrenspfleger zu zahlen-
den Beträge auferlegt werden können und dies auch nur dann, wenn die Ausla-
gen nicht als Gerichtskosten einem anderen auferlegt sind. Wie schon unter der
Geltung der Kostenordnung (vgl. Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann
KostO § 128 b Rn. 5; BeckOK KostO/Wendtland [Stand: 15. Februar 2014]
§ 128 b Rn. 3) erstreckt sich die Gebührenfreiheit dabei auf die Rechts-
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mittelinstanzen. Dass der Gesetzgeber insoweit eine Änderung der Rechtslage
vornehmen wollte, ist nicht ersichtlich.
Die Gebührenfreiheit gilt auch für unstatthafte Rechtsmittel in Unterbrin-
gungsverfahren. Denn anders als im Anwendungsbereich der §§ 66 Abs. 8, 68
Abs. 3 GKG (vgl. dazu BGH Beschlüsse vom 3. März 2014 - IV ZB 4/14 - juris
Rn. 2 ff.; vom 7. Dezember 2010 - VIII ZB 77/10 - juris und vom 14. Juni 2007 -
V ZB 42/07 - juris), bei denen es sich um spezielle Gebührenbefreiungstatbe-
stände für kostenrechtliche Rechtsmittelverfahren handelt, lässt sich für
Rechtsmittel in Unterbringungsverfahren weder aus der gesetzlichen Systema-
tik noch aus dem Gesetzeszweck eine Beschränkung der Gebührenbefreiung
lediglich auf statthafte Rechtsmittel entnehmen.
Dose
Klinkhammer
Günter
Botur
Guhling
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 05.06.2013 - 993 XVII S 3387 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.09.2013 - 301 T 251/13 -
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