Urteil des BGH vom 10.01.2002

BGH (feuer, gebäude, brandstiftung, krankenhaus, brand, annahme, stand, unterbringung, stpo, achtung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 232/02
vom
24. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung mit Todesfolge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und der Beschwerdeführerin am 24. September 2002 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Oldenburg vom 10. Januar 2002 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Brandstiftung mit Todesfolge
zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ihre Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre auf die Verletzung mate-
riellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
1. Die Verurteilung gemäß §§ 306 c, 306 b Abs. 2 Nr. 1, 306 a, 306
Abs. 1 Nr. 1 StGB hat keinen Bestand, weil den Urteilsgründen nicht mit der
erforderlichen Sicherheit entnommen werden kann, daß sich der Vorsatz der
Angeklagten auf die Brandstiftung eines Gebäudes und nicht nur auf eine
Sachbeschädigung bezogen hat.
Nach den Feststellungen hatte sich die Angeklagte entschlossen, in ih-
rer Wohnung ein Feuer zu legen. Sie zündete die Rundecke der Polstergarni-
tur an, die vor dem als Raumteiler fungierenden Eßtresen stand. Sie vertraute
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"leichtfertigerweise darauf, daß das von ihr gelegte Feuer nur Sachschaden -
wie bei sechs zuvor begangenen Brandlegungen - verursachen und insbeson-
dere nicht vom Wohnzimmer auf das Schlafzimmer, in dem ihr Lebensgefährte
schlief, übergreifen würde". Ihr war auch "bewußt, daß das Feuer möglicher-
weise auf andere Wohnräume übergreifen und die Flammen auch das ganze
Gebäude, in dem noch weitere Personen lebten, erfassen konnten. Gleichwohl
vertraute sie in bewußt grober Mißachtung der Gefährlichkeit ihres Tuns dar-
auf, daß das Feuer noch rechtzeitig gelöscht werden konnte" (UA S. 9). Tat-
sächlich stand die Couchgarnitur sofort in Flammen, die dann auf die Profilhöl-
zer des Eßtresens übergriffen. Die Angeklagte erkannte, daß sie das Feuer
nicht mehr alleine löschen konnte, und holte Hilfe aus dem Haus herbei. Es
gelang aber nicht mehr, das Ausbreiten des Feuers zu verhindern und ihren
Lebensgefährten zu retten.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Feststellungen die Annahme ei-
nes bedingten Vorsatzes, das Gebäude in Brand zu setzen, tragen. Denn wenn
das Landgericht seine Überzeugung zum Ausdruck bringen wollte, daß die An-
geklagte nicht darauf vertraut hat, das Feuer werde weder das Gebäude noch
wesentliche Teile erfassen, ist die zugrunde liegende Würdigung der Beweise
nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht stützt sich bei der Beweiswürdi-
gung zur subjektiven Seite nämlich maßgebend darauf, daß die Angeklagte bei
den vorangegangenen Brandlegungen erfahren hatte, "daß das von ihr ent-
zündete Feuer schnell außer Kontrolle geraten war und es ihr nicht immer
möglich war, die Flammen selbst zu ersticken". Gerade die Erfahrungen der
Angeklagten können aber gegen die Annahme eines Vorsatzes sprechen, ein
Gebäude in Brand zu setzen. Denn in diesen Fällen blieb es ausweislich der
Urteilsgründe jeweils bei zum Teil nur geringen Sachschäden. Feststellungen
zu über Sachschäden hinausgehenden Schäden am Gebäude oder an wesent-
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lichen Teilen enthalten die getroffenen Feststellungen nicht und können auch
den gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässigerweise in Bezug genommenen
Lichtbildern nicht entnommen werden.
2. Mit der Aufhebung der die Brandstiftung betreffenden Feststellungen
entfällt auch die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung der Ange-
klagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Sie war deshalb mit aufzuhe-
ben. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, daß das
Landgericht - entgegen der Auffassung der Revision - bedenkenfrei sowohl
eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten angenommen als
auch ihre Schuldunfähigkeit ausgeschlossen hat.
Tolksdorf Miebach Pfister
von Lienen Hubert