Urteil des BGH vom 18.02.2004

BGH (hehlerei, beihilfe, stpo, verurteilung, sache, aufhebung, mitbesitz, stgb, gruppe, beteiligung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 423/03
vom
18. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Diebstahls u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 18. Februar 2004 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten M. und
J. wird das Urteil des Landgerichts Trier vom
17. März 2003, soweit es diese Angeklagten und den Ange-
klagten Ju. betrifft,
im Schuldspruch dahin geändert, daß
der Angeklagte M. wegen einer Beihilfe zu 164 Fällen
des schweren Bandendiebstahls sowie wegen Diebstahls oder
Hehlerei,
der Angeklagte Ju. wegen einer Beihilfe zu 153 Fällen des
schweren Bandendiebstahls sowie tatmehrheitlich wegen
schweren Bandendiebstahls in drei Fällen
und der Angeklagte J. wegen einer Beihilfe zu 147
Fällen des schweren Bandendiebstahls sowie tatmehrheitlich
wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen und wegen
versuchten Computerbetrugs schuldig ist.
Im übrigen werden die Angeklagten freigesprochen.
2. Das vorbezeichnete Urteil wird aufgehoben
beim Angeklagten M. in den 23 Einzelstrafaussprü-
chen wegen Diebstahls wahlweise wegen gewerbsmäßiger
Hehlerei,
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bei dem Angeklagten Ju. in den 21 Einzelstrafaussprü-
chen wegen Diebstahls wahlweise wegen gewerbsmäßiger
Hehlerei,
bei dem Angeklagten J. in den 21 Einzelstrafaus-
sprüchen wegen Diebstahls wahlweise wegen gewerbsmäßiger
Hehlerei
und in den Aussprüchen über die jeweiligen Gesamtstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwie-
sen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Diebstahls in
164 Fällen oder gewerbsmäßiger Hehlerei in 23 Fällen und wegen Diebstahls
oder Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten,
den Angeklagten Ju. wegen Diebstahls in 156 Fällen oder gewerbsmäßi-
ger Hehlerei in 21 Fällen sowie wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und den Angeklagten
J. wegen Diebstahls in 155 Fällen oder gewerbsmäßiger Hehlerei in
21 Fällen sowie wegen Diebstahls in acht Fällen und versuchten Computerbe-
trugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Ange-
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klagten J. und Ju. im übrigen (vom Vorwurf der wahlweise an-
geklagten Hehlerei bei den Fällen der eindeutigen Verurteilung) freigespro-
chen. Dagegen wenden sich die Revisionen des Angeklagten M. und
J. .
1. Die von dem Angeklagten J. erhobene Aufklärungsrüge ist
jedenfalls unbegründet. Die von der Revision vermißte weitere Beweiserhe-
bung zu den Reisen des Angeklagten drängte sich nicht auf, nachdem der Paß
des Angeklagten von allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen
worden war.
2. Die von beiden Revisionen erhobenen Sachrügen führen zu den aus
dem Beschlußtenor ersichtlichen Schuldspruchänderungen, die gemäß § 357
StPO auf den nichtrevidierenden Angeklagten Ju. zu erstrecken sind, und
zur Aufhebung der Strafaussprüche führen. Im übrigen sind sie unbegründet im
Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen hatten die Angeklagten, die im engen persönli-
chen Kontakt zueinander standen, sich mit weiteren litauischen Landsleuten
zusammengeschlossen, um im Großraum T. Fahrzeuge aufzubrechen und
aus ihnen technische Geräte zu entwenden. Diese wurden zunächst gesam-
melt, unter anderem in einem Erddepot und der - auch den anderen Gruppen-
mitgliedern zugänglichen - Wohnung des Angeklagten J. und an-
schließend in Litauen verwertet. Aus dem Erlös wurden die Angeklagten ent-
lohnt, wobei feste Gewinnanteile verabredet waren. Seit Mitte 2001 bis Ende
2001 wurden von den Mitgliedern der Gruppe die verfahrensgegenständlichen
164 Diebstähle begangen. Eine unmittelbare täterschaftliche Beteiligung an
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diesen Diebstählen konnte das Landgericht nur hinsichtlich des Angeklagten
Ju. in drei Fällen (II. 22 a - c der Urteilsgründe) und hinsichtlich des An-
geklagten J. in acht Fällen (Fälle II. 1 a - h) feststellen. Weiter hat es
von diesen 164 Diebstahlstaten bei dem Angeklagten Ju. acht Fälle und
bei dem Angeklagten J. neun Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO einge-
stellt. Soweit eine unmittelbare Beteiligung der Angeklagten an den Diebstäh-
len nicht festgestellt werden konnte, hat das Landgericht jeweils eine Wahlfest-
stellung zwischen Diebstahl (nach §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB)
und gewerbsmäßiger Hehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB) angenommen. Dabei
hat es die in einer Nacht begangenen mehreren Diebstahlstaten jeweils als
eine gewerbsmäßige Hehlerei angesehen.
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts begegnet in mehrfacher
Hinsicht durchgreifenden Bedenken.
a) Die Verurteilung wegen (wahlweiser) Hehlerei hat das Landgericht
darauf gestützt, daß die Angeklagten an den in den Depots gelagerten Beute-
stücken gemeinschaftlichen Besitz und Verfügungsgewalt erlangt hätten, auch
soweit sie nicht selbst die Diebstähle ausgeführt hätten. Sie hätten sich daher
die Beutestücke im Sinne des Hehlereitatbestands verschafft. Dies hält rechtli-
cher Prüfung nicht stand:
Zwar kann ein "sich Verschaffen" im Sinne des § 259 StGB auch bei der
Erlangung von Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt an einer gestohlenen Sache
gegeben sein, etwa wenn der Vortäter die Sache mehreren Personen, z. B.
Gesellschaftern überträgt. Dies gilt aber nicht ohne weiteres, wenn der Vortäter
selbst an der Sache Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt behält. In einem sol-
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chen Fall kommt Hehlerei nur in Betracht, wenn jeder der Mitbesitzer für sich
unter Ausschluß des anderen Teils verfügungsberechtigt sein soll, hingegen
scheidet Hehlerei aus, wenn eine Verfügung über die Sache nur gemeinschaft-
lich erfolgen kann (BGHSt 35, 173, 176). Letzteres war hier gegeben. Die An-
geklagten haben zwar den gemeinschaftlichen Besitz an den Beutestücken
zusammen mit den anderen Bandenmitgliedern - siehe zur Bande unter b) -
erlangt. Mitbesitz hatten aber gerade auch diejenigen Mitglieder, die die Sa-
chen entwendet hatten. Auch Verfügungsgewalt kam den Angeklagten nur ge-
meinsam mit den anderen Bandenmitgliedern zu. Denn wenn auch die Ange-
klagten wie alle Bandenmitglieder Zugang zu den Depots hatten, ist nach den
Feststellungen auszuschließen, daß jeder für sich unabhängig von den ande-
ren allein über die jeweiligen Beutestücke verfügen konnte. So durften etwa die
Diebstahlstäter nur das in den Fahrzeugen aufgefundene Bargeld behalten,
das unter ihnen nach bestimmten Maßstäben aufgeteilt wurde. Gelegentlich ist
einem Mittäter ein erbeutetes Handy zum eigenen Gebrauch - ersichtlich nach
Absprache mit anderen - zur Verfügung gestellt worden. Schließlich spricht
auch die Verabredung fester Gewinnanteile gegen die Annahme, daß jedes
Mitglied sich nach Gutdünken aus den Beutestücken bedienen durfte. Da mit-
hin auch die Gruppenmitglieder, die den Diebstahl selbst ausgeführt hatten,
Mitbesitz und Mitverfügungsgewalt behalten hatten, kommt Wahlfeststellung
mit Hehlerei als Alternativtat nicht in Betracht.
b) Dies bedeutet nicht, daß eine Verurteilung der Angeklagten wegen
der Diebstahlstaten, bei denen ihre unmittelbare Täterschaft nicht festgestellt
werden konnte, nicht erfolgen kann. Nach den Feststellungen haben die Ange-
klagten, soweit sie nicht selbst als Täter in Betracht kommen, jedenfalls den die
Diebstähle ausführenden Tätern Hilfe geleistet.
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Die Angeklagten waren Mitglieder einer Bande. Sie haben sich mit den
anderen Mitgliedern der Gruppe zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen
zusammengeschlossen. Dabei haben sie feste Vereinbarungen getroffen, daß
die Diebstähle jeweils von mehreren Gruppenmitgliedern arbeitsteilig ausge-
führt, die Beutestücke in Depots gesammelt und dann von einzelnen von ihnen
nach Litauen transportiert und verwertet werden sollten. Insbesondere sollten
die jeweiligen Taten allen zugute kommen, sie erhielten feste Gewinnanteile.
Danach ist davon auszugehen, daß die Angeklagten die anderen Bandenmit-
glieder, soweit sie nicht selbst unmittelbar beteiligt waren, bei ihren jeweiligen
Taten mindestens psychisch unterstützt haben, so daß jedenfalls Beihilfe zu
den von diesen begangenen Diebstählen vorliegt. Da weitere Feststellungen
zur Frage, wann die Angeklagten (über die bereits festgestellten Taten hinaus,
die Gegenstand eindeutiger Verurteilung waren) die Taten unmittelbar ausge-
führt haben, auch in einer erneuten Hauptverhandlung nicht möglich erschei-
nen, sind die Angeklagten in diesen Fällen unter Anwendung des in-dubio-
Satzes lediglich wegen Beihilfe - und erneut zugunsten der Angeklagten - le-
diglich wegen einer Beihilfehandlung, die sich auf alle Diebstahlstaten ausge-
wirkt hat, zu verurteilen.
Da nach den Feststellungen die Diebstähle jeweils von mehreren Ban-
denmitgliedern verübt wurden und dabei die Regelbeispiele nach § 243 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 und 3 StGB verwirklicht wurden, sind die Angeklagten jeweils we-
gen einer Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl - soweit die Angeklagten
Ju. und J. als Täter bei drei (II. 22 a - c) bzw. bei acht Dieb-
stählen (II. 1 a – h) zusammen mit anderen unbekannt gebliebenen Banden-
mitgliedern festgestellt sind - wegen schweren Bandendiebstahls zu verurtei-
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len. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Verurteilung wegen
schweren Bandendiebstahls nicht entgegen, daß nicht bekannt ist, welche
Bandenmitglieder die Taten jeweils ausgeführt haben bzw. wer die Mittäter von
Ju. bzw. J. bei den von ihnen täterschaftlich begangenen Dieb-
stählen waren. Es genügt für den Tatbestand des Bandendiebstahls, wenn ein
Bandenmitglied mit einem anderen Bandenmitglied in irgendeiner Weise, etwa
auch als Gehilfe, zusammenwirkt. Daß jeweils mehrere auch am Tatort anwe-
sende Bandenmitglieder die Diebstähle ausgeführt haben, hat das Landgericht
festgestellt.
Der Schuldspruch war danach wie geschehen zu ändern. Dabei waren
bei den Angeklagten Ju. und J. zugleich Zählfehler der Kammer
zu berichtigen. Bei dem Angeklagten Ju. sind in den dem Angeklagten
vorgeworfenen 156 Diebstahlstaten auch die drei täterschaftlich begangenen
Diebstähle (II. 22 a - c) erfaßt, so daß nur eine Beihilfe zu 153 Fällen des
schweren Bandendiebstahls anzunehmen ist. Bei dem Angeklagten J.
hat die Kammer die Fälle II. 13 a - i nach § 154 Abs. 2 StPO einge-
stellt, jedoch statt neun Fällen nur einen Fall als eingestellt berücksichtigt. Der
Angeklagte J. ist daher wegen Beihilfe zu 147 Fällen des schweren
Bandendiebstahls zu verurteilen. Er ist darüber hinaus wegen - täterschaftlich
begangenen - schweren Bandendiebstahls in 8 Fällen zu verurteilen.
Der Senat konnte die Schuldspruchänderung selbst vornehmen. § 265
StPO steht nicht entgegen. Den Angeklagten war in der Anklage wahlweise
schwerer Bandendiebstahl oder Hehlerei vorgeworfen worden. Es ist auszu-
schließen, daß sie sich gegen den geänderten Schuldvorwurf wirksamer hätten
verteidigen können.
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Die Schuldspruchänderung war nach § 357 StPO auf den Angeklagten
Ju. zu erstrecken. Statt der Verurteilung wegen der alternativ begange-
nen täterschaftlichen Diebstähle in 156 Fällen wahlweise gewerbsmäßiger
Hehlerei in 21 Fällen kommt lediglich eine Beihilfe zu 153 Fällen des schweren
Bandendiebstahls (mit günstigerem Strafrahmen) in Betracht. Die Schuld-
spruchänderung auf schweren Bandendiebstahl ist auch hinsichtlich der drei
Fälle der eindeutigen Verurteilung geboten, weil sie sich jedenfalls insgesamt
im wesentlichen zu seinen Gunsten ausgewirkt hat und es sonst zu schwer er-
träglichen Widersprüchen käme (vgl. bei einer teilweise zu Lasten des Nichtre-
videnten erfolgten Schuldspruchänderung: Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. §
357 Rdn. 6 m.w.N., siehe auch BGH, Beschluß v. 29. Oktober 1996 - 4 StR
414/96).
Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der Einzelstrafaus-
sprüche zur Folge, soweit die Angeklagten wegen Diebstahls wahlweise wegen
gewerbsmäßiger Hehlerei verurteilt worden sind. Das Landgericht wird insoweit
für die durch eine Tat begangene Beihilfe an 164 bzw. 153 bzw. 147 als schwe-
rer Bandendiebstahl zu beurteilenden Taten für jeden Angeklagten jeweils eine
Einzelstrafe festzusetzen haben. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche
zieht die Aufhebung der Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Soweit die An-
geklagten als Täter verurteilt sind (M. Fall II. 24, Ju. Fälle II. 22
a - c, J. Fall II. 1 a - h und 25) bleiben die Einzelstrafaussprüche be-
stehen.
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Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht
betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben
möglich.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck