Urteil des BGH vom 05.06.2013

BGH: vergütung, quittung, abrechnung, integration, auszahlung, geschäftsführung, realisierung, vorbereitungshandlung, offenkundig, hinterlegung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 537/12
vom
5. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juni 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Dr. Berger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Gießen vom 1. Juni 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 186
Fällen schuldig ist; die Einzelstrafen für die Fälle 52, 58,
74, 77, 92, 103, 121, 149, 165 bis 171, 174, 185, 194,
200, 201, 206, 207 und 209 entfallen;
b) hinsichtlich der in den Fällen 1 bis 9, 24, 61 bis 65, 88 bis
91, 93, 123 bis 133, 152 und 153 verhängten Einzelgeld-
strafen dahin geändert, dass die Tagessatzhöhe auf je-
weils 29 Euro festgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 209 Fällen je-
weils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklag-
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te mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu
einer Änderung des Schuldspruchs und zu der aus der Urteilsformel ersichtli-
chen Teilaufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen arbeitete der Angeklagte seit 1988 bei der
S. GmbH
("S. "), zuletzt als Fachkraft für Integration. Sein Aufgabengebiet
umfasste vor allem die Integration von behinderten Werkstattmitarbeitern auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu seiner Tätigkeit gehörte es, Kontakte zu Ar-
beitgebern aufzubauen und Möglichkeiten für den Einsatz von behinderten Mit-
arbeitern aus den Werkstätten zu finden; dabei verhandelte der Angeklagte
auch sog. Leistungs- und Arbeitsassistenzverträge mit den Betrieben und berei-
tete diese zur Unterschrift durch die Geschäftsführung der "S. "
vor. Vertragsinhalt war u.a., dass die Betriebe für die Betreuung der behinder-
ten Menschen eine monatliche Vergütung erhielten, die von dem Angeklagten
bei in den Betrieben geführten Reflexionsgesprächen - in der Regel im Zwei-
monatsrhythmus - in bar gegen Quittung ausgezahlt wurde.
2. Zur Finanzierung seines übersteigerten Alkoholkonsums und seines
aufwändigen Lebensstils nahm der Angeklagte im Tatzeitraum April 2006 bis
März 2010 Manipulationen bei der Vertragsgestaltung und Abrechnung vor. So
bereitete er für die Geschäftsführung der "S. " Vertragsurkunden
zur Unterschrift vor, die auf Seite 1 eine an den jeweiligen Beschäftigungsbe-
trieb zu zahlende monatliche Vergütung von in der Regel 550 Euro für jeden
Mitarbeiter auswiesen. Mit den Beschäftigungsbetrieben hingegen vereinbarte
er eine Vergütung von lediglich 50 Euro für jeden Mitarbeiter und tauschte die
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erste Seite der Vertragsurkunde nach entsprechender Änderung der Vergütung
am PC aus mit der Folge, dass den Beschäftigungsbetrieben Vertragsurkunden
mit einem Vergütungsanspruch in Höhe von nur 50 Euro vorlagen, während die
bei der "S. " hinterlegten Verträge einen Vergütungsanspruch der
Betriebe von 550 Euro für jeden Mitarbeiter auswiesen.
In der Folge ließ sich der Angeklagte in der Regel alle zwei Monate unter
Bezeichnung der hinterlegten und jeweils zur Auszahlung anstehenden Verträ-
ge und den konkret zu erfüllenden Zahlungsverpflichtungen den benötigten Be-
trag von der Kasse der "S. " als Vorlage auszahlen. Es war nicht
aufklärbar, ob die Beträge immer genau anhand der Verträge konkret ausge-
rechnet waren oder ob auch überschlagene Pauschalsummen ausgezahlt wur-
den (UA 8 f.); möglicherweise verauslagte der Angeklagte vereinzelt auch
selbst Gelder und rechnete später gegenüber der Kasse ab (UA 9). Tatsächlich
zahlte er den Betrieben nur die mit diesen vereinbarten geringeren Summen,
also in der Regel 100 Euro für zwei Monate, aus und ließ sich hierüber jeweils
eine Quittung ausstellen. Diese Quittung veränderte er dann dergestalt, dass er
vor die 100 Euro eine weitere "1" setzte, so dass die jeweilige Quittung einen
Betrag von 1.100 Euro auswies. Sodann legte er die veränderten Quittungen
der Kasse der "S. " vor. Ausgehend von den vorgelegten Quit-
tungen verbuchten die Mitarbeiter der Kasse die Beträge und rechneten die
Vorlage ab bzw. erstatteten dem Angeklagten die von ihm selbst verauslagten
angeblich höheren Beträge. Auf diese Weise entstand der "S. "
im Tatzeitraum ein Schaden in Höhe von mindestens 214.260 Euro.
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II.
1. Der Schuldspruch wegen Betrugs zum Nachteil der "S. "
jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung ist nur hinsichtlich der Anzahl der
abgeurteilten Fällen zu beanstanden.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht allerdings die konkurrenz-
rechtliche Bewertung der betrügerischen Handlungen des Angeklagten nicht an
die Platzierung der einzelnen verfälschten Verträge bei der Buchhaltung der
"S. " angeknüpft. Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung
des Landgerichts zutrifft, die Hinterlegung des jeweiligen Vertrages stelle ledig-
lich eine Vorbereitungshandlung für die späteren auf seiner Grundlage verwirk-
lichten betrügerischen Einzelakte dar und könne diese schon deswegen nicht
zur Tateinheit verbinden (vgl. BGH NStZ 1985, 70). Denn selbst wenn die Vor-
lage des jeweiligen Vertrages bereits als Teil der tatbestandlichen Täu-
schungshandlung des Angeklagten zu bewerten wäre, könnte sie die darauf
aufbauenden betrügerischen Einzelakte (deshalb) nicht zur Tateinheit zusam-
menführen, weil deren Anzahl und damit der Umfang des auf der Basis des
jeweiligen Vertrages erstrebten Gesamtschadens offen blieb und es darüber
hinaus zur Realisierung der jeweiligen Einzelakte noch zahlreicher Zwischen-
schritte bedurfte, wie etwa der tatsächlichen Arbeitsaufnahme des Betreuten
bei dem Betrieb und der Aktualisierung der Täuschung durch Verlangen der
Vorschusszahlungen zur Begleichung der angeblichen Forderungen des Be-
triebs.
Keiner abschließenden Entscheidung bedarf es auch, ob nicht entgegen
der Ansicht des Landgerichts bereits durch die Auszahlung des Vorschusses
der Betrugsschaden jeweils eingetreten war und es sich bei der Vorlage der
verfälschten Quittungen durch den Angeklagten zur Abrechnung des Vorschus-
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ses nicht lediglich um einen für sich nicht gesondert strafbaren Sicherungsbe-
trug handelte. Denn selbst wenn das der Fall wäre, würde dies nichts an der
Zahl der vom Angeklagten tatmehrheitlich begangenen Betrugstaten ändern, da
nach den Feststellungen nichts dafür spricht, dass es mehr Vorschusszahlun-
gen als dazu vorgenommene Abrechnungen gab.
b) Auf dieser Grundlage rechtfertigen die Feststellungen indes nur einen
Schuldspruch wegen 186 Einzeltaten. Der Angeklagte hat teilweise an einem
Tag mehrere Beträge unter Vorlage der jeweiligen Quittungen abgerechnet. Es
war nicht aufklärbar, ob dies zu verschiedenen Zeitpunkten im Laufe des Tages
geschah. Bei gleichzeitiger Vorlage mehrerer Quittungen aufgrund einer ein-
heitlichen Willensentschließung wäre aber eine natürliche Handlungseinheit
und damit nur eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne anzunehmen (vgl. BGH
NStZ-RR 2010, 375). Hiervon ist zu Gunsten des Angeklagten auszugehen und
ebenso davon, dass die gleichzeitige Vorlage mehrerer Quittungen der Abrech-
nung je gleichzeitig ausbezahlter Vorschüsse diente.
Danach ergeben sich nur 186 Betrugstaten (je in Tateinheit mit Urkun-
denfälschung). Da weitere Feststellungen, die eine abweichende konkurrenz-
rechtliche Bewertung rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, hat der Se-
nat den Schuldspruch entsprechend abgeändert.
2. Der Strafausspruch ist - ausgenommen die Festsetzung der Tages-
satzhöhe - wie vom Generalbundesanwalt im einzelnen dargelegt rechtsfehler-
frei und kann bestehen bleiben. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
a) Bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu den verhängten Einzel-
geldstrafen ist dem Landgericht offenkundig ein Rechenfehler unterlaufen. Die
festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten rechtfertigen unter
Berücksichtigung zu zahlender Unterhaltsleistungen eine Tagessatzhöhe nicht
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von 90, sondern von nur 29 Euro, die der Senat entsprechend § 354 Abs. 1
StPO selbst festsetzt.
b) Die Schuldspruchänderung bedingt zwar auch den Wegfall der für die
entfallenen Taten jeweils verhängten Einzelstrafen; einer Aufhebung des Ge-
samtstrafenausspruchs bedarf es gleichwohl nicht, da durch die Zusammen-
fassung mehrerer Taten zu jeweils einer einheitlichen Tat der Schuldgehalt hier
insgesamt unverändert bleibt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR
409/10 mwN.). Im Hinblick auf den unverändert gebliebenen Gesamtschaden
und die hohe Anzahl der verbliebenen Einzelstrafen schließt der Senat aus,
dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe bei zutreffender Beurteilung des Kon-
kurrenzverhältnisses niedriger ausgefallen wäre.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Der
nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt keine abweichende Entschei-
dung.
Becker
Fischer
Appl
Berger
Ott
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