Urteil des BGH vom 29.06.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 5/07 Verkündet
am:
29. Juni 2007
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 747 Abs. 1, 749, 892 Abs. 1, § 1008
a) Die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Miteigentumsanteils unter Miteigentümern ist
ein Verkehrsgeschäft. Der Erwerber eines eingetragenen Miteigentumsanteils wird
durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs auch dann geschützt, wenn er bereits
Eigentümer eines anderen Anteils oder als solcher zu Unrecht im Grundbuch eingetra-
gen ist.
b) Der Erwerb eines weiteren Anteils durch einen Miteigentümer ist auch dann ein Ver-
kehrsgeschäft, wenn die Miteigentümer das Grundstück gemeinschaftlich erworben hat-
ten und der erwerbende Miteigentümer bei jenem Erwerbsgeschäft daher in gleicher
Weise wie der veräußernde Miteigentümer von der Nichtigkeit des Ersterwerbs betrof-
fen war.
BGH, Urt. v. 29. Juni 2007 - V ZR 5/07 - OLG Zweibrücken
LG
Frankenthal
(Pfalz)
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen
Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 21. Dezember 2006 wird
auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
der Tenor des Urteils der 6. Zivilkammer des Landgerichts Fran-
kenthal (Pfalz) vom 24. November 2005 in der Hauptsache wie
folgt neu gefasst wird:
"Es wird festgestellt, dass die Klägerin zur Hälfte Mitei-
gentümerin des in den Wohnungsgrundbüchern von
B., Blatt und Blatt , eingetragenen
Wohnungseigentums ist."
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte war Eigentümerin zweier Eigentumswohnungen, die auf
Blatt und des Wohnungsgrundbuchs von B. gebucht und
jeweils mit einem hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück B. straße
in B. verbunden sind. Mit notariellem Vertrag vom 9. März
1
- 3 -
2001 verkaufte sie diese Wohnungen unter gleichzeitiger Auflassung an die
Klägerin und deren damaligen Ehemann zu je hälftigem Miteigentum. Die Klä-
gerin und ihr Ehemann (Erwerber) wurden am 19. Juni 2001 als Miteigentümer
zu je 1/2 auf Blatt und des Wohnungsgrundbuchs eingetragen.
Am 7. Dezember 2001 schlossen die Erwerber einen notariellen Ehe-
und Auseinandersetzungsvertrag, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung
vereinbarten, wechselseitig auf Zugewinnausgleich verzichteten und ihren ge-
meinsamen Grundbesitz in der Weise auseinandersetzten, dass der Klägerin
die beiden Eigentumswohnungen und ihrem Ehemann ein anderes Grundstück
zu Alleineigentum aufgelassen wurden. Die Klägerin wurde als Alleineigentüme-
rin der beiden Wohnungen eingetragen.
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Sie kündigte das mit der Beklagten an einer Wohnung bestehende Miet-
verhältnis und erhob Räumungsklage. Diese Klage wurde mit der Begründung
abgewiesen, dass die Beklagte bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages
geschäftsunfähig gewesen und deshalb Eigentümerin der an sie vermieteten
Wohnung geblieben sei.
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Die Klägerin macht in diesem Rechtsstreit geltend, sie habe ungeachtet
der weiterhin bestrittenen Geschäftsunfähigkeit der Beklagten jedenfalls den
Miteigentumsanteil ihres früheren Ehemanns gutgläubig erworben. Sie hat eine
Klage auf Feststellung ihres Miteigentums erhoben. Das Landgericht hat der
Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ih-
rer von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe jedenfalls durch
den Ehe- und Auseinandersetzungsvertrag gutgläubig gemäß § 892 BGB hälfti-
ges Miteigentum erworben. Die Auseinandersetzung des gemeinsamen Grund-
besitzes sei ein Verkehrsgeschäft. Da Miteigentümer nach Bruchteilen über ihre
Anteile frei verfügen könnten und sich bei einer solchen Verfügung als unbetei-
ligte Dritte gegenüberstünden, bestehe kein hinreichender Grund, dem Erwerb
der Klägerin von ihrem Ehemann als weiterem Miteigentümer den Gutglau-
bensschutz zu versagen. Auch der Umstand, dass ihr eigener Miteigentumsan-
teil im Fall der Geschäftsunfähigkeit der Beklagten in gleicher Weise von der
Unrichtigkeit des Grundbuchs betroffen wäre wie der von ihrem Ehemann er-
worbene Anteil, begründe keine wirtschaftliche Identität zwischen
Veräußerer und Erwerber. Der Mangel der Geschäftsfähigkeit wirke sich viel-
mehr nur bei der Verfügung der Beklagten aus.
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II.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
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1. Die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist zulässig.
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a) Die rechtskräftige Abweisung der Räumungsklage steht der auf Fest-
stellung hälftigen Miteigentums gerichteten Klage nicht entgegen. Die Annah-
me, dass die Beklagte Alleineigentümerin der an die Klägerin und ihren damali-
gen Ehemann veräußerten Wohnungen geblieben sei, betraf eine Vorfrage für
die damalige Entscheidung. Diese Ausführungen sind nicht in Rechtskraft er-
wachsen (vgl. Senat, Urt. v. 13. November 1998, V ZR 29/98, NJW-RR 1999,
376, 377).
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b) Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass ihr Miteigentum
der Beklagten gegenüber festgestellt wird. Sie ist als Alleineigentümerin im
Wohnungsgrundbuch eingetragen und kann die Klärung der von der Beklagten
bestrittenen Eigentumsverhältnisse deshalb nicht mit Hilfe einer Leistungsklage
nach § 894 BGB erreichen (Senat, Urt. v. 17. Juni 2005, V ZR 78/04, NJW
2005, 2983).
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c) Der Feststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt. Ein Feststel-
lungsantrag muss das festzustellende Rechtsverhältnis so genau bezeichnen,
dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des be-
gehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann (st.
Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 18. Dezember 1987, V ZR 223/85, NJW 1988,
1202 und Urt. v. 17. Juni 1994, V ZR 34/92, NJW-RR 1994, 1272). Das war hier
zwar nicht völlig zweifelsfrei, nachdem im Klageantrag nur eine Wohnung (Blatt
) bezeichnet, in der Klagebegründung jedoch die Feststellung des Miteigen-
tums der Klägerin für beide Wohnungen (Blatt und ) begehrt wurde.
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Da die Vorinstanzen die gebotenen Hinweise nach § 139 Abs. 1 Satz 2
ZPO zur Klarstellung des Klagebegehrens und sachdienlicher Antragstellung
unterlassen haben, hat der Senat die auch noch in der Revisionsinstanz zuläs-
sige Klarstellung der Anträge (vgl. BGHZ 11, 192, 195; Senat, Urt. v. 8. Dezem-
ber 1989, V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069; Urt. v. 5. Juli 1991, V ZR
115/90, NJW 1991, 3277) nachgeholt. Nach dem übereinstimmenden Vortrag in
der Revisionsverhandlung ist die Feststellung für beide Wohnungen beantragt.
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2. Die Feststellungsklage ist auch begründet.
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Die Klägerin ist jedenfalls nach der Vorschrift über den Schutz des Er-
werbers durch den öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 892 Abs. 1 Satz 1
BGB) Eigentümerin des Miteigentumsanteils geworden, der in dem Wohnungs-
grundbuch für ihren damaligen Ehemann eingetragen war und in Vollzug des
Vertrages zwischen den Eheleuten zur Aufteilung ihres Grundbesitzes auf sie
umgeschrieben wurde. Das Berufungsgericht konnte daher die zwischen den
Parteien streitige Frage dahinstehen lassen, ob die Beklagte bei der vorange-
gangenen Veräußerung des Wohnungseigentums an die Klägerin und ihren
damaligen Ehemann geschäftsunfähig war und ihre Vertragserklärungen daher
gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig waren.
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a) Die in § 892 Abs. 1 BGB bestimmten Voraussetzungen für einen gut-
gläubigen Erwerb der Klägerin sind erfüllt. Ihr früherer Ehemann war im Grund-
buch als hälftiger Miteigentümer eingetragen. Die Klägerin hat den Anteil ihres
Ehemanns durch Rechtsgeschäft erworben. Miteigentumsanteile an Grundstü-
cken werden wie das Eigentum am Grundstück nach §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1
Satz 1 BGB durch Auflassung und Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch
übereignet (so schon RG WarnRspr 1925, Nr. 19). Hier wurde die Auflassung in
dem notariellen Ehe- und Auseinandersetzungsvertrag erklärt; die Rechtsände-
rung wurde in das Grundbuch eingetragen. Ein Widerspruch gegen die Richtig-
keit der Eintragung des Veräußerers war nicht eingetragen; die Unrichtigkeit
des Grundbuchs war der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts auch nicht bekannt.
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b) Die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen. Sie macht lediglich
geltend, die Übertragung der von einem Geschäftsunfähigen erworbenen Mitei-
gentumsanteile sei kein Verkehrsgeschäft. Der Erwerbsvorgang werde daher
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nicht von § 892 Abs. 1 BGB erfasst. Das müsse insbesondere für die Ausei-
nandersetzung zwischen Ehegatten gelten, die das Miteigentum zum Zweck der
gemeinsamen Vermögensbildung erworben haben. Damit hat sie indes keinen
Erfolg.
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob ein Ver-
kehrsgeschäft vorliegt, wenn jemand, der – zu Recht oder zu Unrecht – als Mit-
eigentümer nach Bruchteilen (§§ 1008 ff., 741 ff. BGB) im Grundbuch eingetra-
gen ist, einen anderen Miteigentumsanteil erwirbt und diesen nach § 892 Abs. 1
BGB gutgläubig erwerben kann.
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(1) Nach in der Rechtsprechung (KG [9. Zivilsenat], HRR 1927, Nr. 1325;
OLG Stuttgart, WürttZ 1927, 181, 182) und in der Literatur überwiegend vertre-
tener Auffassung (Staudinger/Langhein [2001], § 747 Rdn. 27 f., 70; Staudin-
ger/Gursky [2002], § 892 Rdn. 114 ff.; MünchKomm-BGB/Schmidt, 4. Aufl.,
§ 747 Rdn. 19; RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 892 Rdn. 10; RGRK/Pikart, aaO, §
1008 Rdn. 35; AnwKomm-BGB/Krause, § 892 Rdn. 45; Erman/Lorenz, BGB,
11. Aufl., § 892 Rdn. 20; Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 892 Rdn. 8;
Schreiber/Jurgeleit, Immobilienrecht, 2. Aufl., Kapitel 8 Rdn. 66; Krauel, Die
Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Eigen-
tumserwerb vom Nichtberechtigten beim Miteigentum, S. 38; Reeb, Die Tatbe-
stände der sogenannten Nichtverkehrsgeschäfte, S. 24 f.; Tiedtke, Gutgläubiger
Erwerb, S. 90 f.; Fritsch, JherJb 82 [1932], 253, 276; Heinsheimer, Gruchot 72
(1932), 174, 181 f.; Lutter, AcP 164 [1964], 123, 162 f.; Koller, JZ 1972, 646,
648; Schreiner, NJW 1978, 921, 924; im Ergebnis ebenso: Hager, Verkehrs-
schutz durch redlichen Erwerb, S. 164 ff.; Wittkowski, Die Lehre vom Verkehrs-
geschäft, S. 149 ff.) erstreckt sich der Schutz des § 892 Abs. 1 BGB auch auf
die Anteilsübertragung unter Miteigentümern.
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- 8 -
(2) Dem steht die Ansicht gegenüber, die die Anwendung dieser Vor-
schrift auf solche Anteilsübertragungen insgesamt ablehnt (Soergel/Hadding,
BGB, 11. Aufl., § 747 Rdn. 3; Soergel/Stürner, BGB [2002], § 892 Rdn. 24;
PWW/Huhn, BGB, § 892 Rdn. 9; Sternberg, JW 1930, 836 f.; v. Mangoldt, AcP
134 [1931], 81, 89).
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(3) Nach einer dritten Ansicht ist § 892 Abs. 1 BGB auf die Übertragung
von Anteilen zwischen Miteigentümern dann nicht anzuwenden, wenn das Mit-
eigentum des Veräußerers und des Erwerbers in gleicher Weise von der Un-
richtigkeit des Grundbuchs betroffen sind (KG [1. Zivilsenat], JW 1927, 2521 f.
und HRR 1928, Nr. 1833; BayObLG, BayZ 1927, 364 m. abl. Anm. Meyerowitz,
JW 1928, 522 f.; OLG Köln, LZ 1930, 1128; MünchKomm-BGB/Wacke, aaO,
§ 892 Rdn. 41; Planck/Strecker, BGB, 5. Aufl. § 892 Anm. II 1 e; Wolff/Raiser,
Sachenrecht, 10. Aufl., § 45 Fn. 19; Harder, Der öffentliche Glaube des Grund-
buchs im Aufwertungsrecht, S. 113 f.).
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Der Senat entscheidet die Streitfrage im Sinne der jedenfalls im Schrift-
tum herrschenden Meinung.
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bb) § 892 Abs. 1 BGB ist auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Antei-
len an einem Grundstück (§ 1008 BGB) unter Miteigentümern anzuwenden. Der
Erwerber eines eingetragenen Miteigentumsanteils wird durch den öffentlichen
Glauben des Grundbuchs auch dann geschützt, wenn er bereits Eigentümer
eines anderen Anteils ist oder als solcher zu Unrecht im Grundbuch eingetra-
gen ist. Auch dieser Erwerb ist ein Verkehrsgeschäft.
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(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der
gutgläubige Erwerb nach § 892 BGB ein Verkehrsgeschäft voraus (Senat, Urt.
v. 27. November 1998, V ZR 180/97, WM 1999, 746, 748; Urt. v. 5. Mai 2006,
V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242, 1245; ebenso die herrschende Lehre; vgl.
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etwa Staudinger/Gursky, aaO, § 892 Rdn. 90 ff.; MünchKomm-BGB/Wacke,
aaO, § 892 Rdn. 38 ff. und Soergel/Stürner, aaO, § 892 Rdn. 21 ff.; a.A. Hager,
aaO, S. 118 ff. und Wittkowski, aaO, S. 121 ff.). Daran fehlt es, wenn Veräuße-
rer und Erwerber rechtlich oder wirtschaftlich identisch sind (Senat, Urt. v. 19.
Juni 1998, V ZR 356/96, WM 1998, 1832, 1835), also etwa bei einer Veräuße-
rung zwischen personenidentischen Gesellschaften (BGH, Urt. v. 2. April 1998,
IX ZR 232/96, NJW-RR 1998, 1057, 1058), von der Mutter- auf die Tochterge-
sellschaft (BGH, Urt. v. 23. Mai 1989, XI ZR 82/88, NJW-RR 1989, 1207) oder
von dem Alleingesellschafter auf die Gesellschaft (Senat, Urt. v. 19. Juni 1998,
V ZR 356/96, WM 1998, 1832, 1835), aber auch bei der Übertragung von Ge-
samthandsvermögen auf einen oder mehrere Gesamthänder (Senat, BGHZ 30,
255, 256), etwa im Rahmen einer Erbauseinandersetzung (BGH, Urt. v. 13. De-
zember 2000, IV ZR 239/99, NJW 2001, 1069). Umgekehrt liegt immer dann ein
Verkehrsgeschäft vor, wenn auf Erwerberseite mindestens eine Person beteiligt
ist, die nicht zu den Veräußerern gehört (vgl. etwa Senat, Urt. v. 26. Januar
1996, V ZR 212/94, WM 1996, 1190, 1192).
Das ungeschriebene Merkmal des Verkehrsgeschäftes ergibt sich aus
dem Normzweck des § 892 Abs. 1 BGB, der den Verkehr mit Grundstücken in
dem Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Grundbuchs schützen soll. § 892
BGB dient nicht dazu, dass sich der Nichtberechtigte das zu Unrecht gebuchte
Recht selbst verschafft, sondern ermöglicht den rechtsgeschäftlichen Erwerb
durch einen Dritten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 2. April 1998, aaO; Staudin-
ger/Gursky, aaO, § 892 Rdn. 91 f.; MünchKomm-BGB/Wacke, aaO, § 892 Rdn.
38; Lutter, aaO, 159 ff.; insoweit übereinstimmend auch Wittkowski, aaO, S. 67
ff.). Dass der Erwerber ein von dem Veräußerer verschiedener Dritter sein
muss, wird bereits durch den Wortlaut der Vorschrift nahegelegt (Staudin-
ger/Gursky, aaO, § 892 Rdn. 91; Lutter, aaO, 159) und durch die Verweisung in
§ 893 BGB bestätigt (MünchKomm-BGB/Wacke, aaO, § 892 Rdn. 38; Witt-
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kowski, aaO, S. 75 f.). Dieses Erfordernis entspricht auch den Vorstellungen
des Gesetzgebers (dazu eingehend Wittkowski, aaO, S. 72 ff.) und vor allem
dem auf den Schutz des Rechtsverkehrs beschränkten Zweck der Vorschrift
(Staudinger/Gursky, aaO, § 892 Rdn. 91 f.; Lutter, aaO, S. 159; Wittkowski,
aaO, S. 69 ff., jeweils m.w.N.).
(2) Gemessen daran wird die Übertragung eines Miteigentumsanteils un-
ter Miteigentümern als Verkehrsgeschäft von § 892 BGB erfasst. Denn das Mit-
eigentum begründet keine rechtliche oder wirtschaftliche Identität zwischen Ve-
räußerer und Erwerber (RGRK/Augustin, aaO, § 892 Rdn. 10; Schrei-
ber/Jurgeleit, aaO, Rdn. 66; Meyerowitz, aaO, 523; Lutter, aaO, 162), und der
Erwerber ist - anders als bei der Übertragung von Gesamthandsvermögen auf
einen Gesamthänder - auch nicht auf Seiten des Veräußerers an der Verfügung
beteiligt (Schreiber/Jurgeleit, aaO; Reeb, aaO, S. 25; Koller, aaO, 648; vgl.
auch Heinsheimer, aaO, 182). Die Miteigentümer stehen sich vielmehr als Dritte
gegenüber (KG [9. Zivilsenat], HRR 1927, Nr. 1325; OLG Stuttgart, WürttZ
1927, 181, 182; AnwKomm-BGB/Krause, § 892 Rdn. 45; Erman/Lorenz, aaO, §
892 Rdn. 20). Denn gemäß § 747 Satz 1 BGB kann jeder Miteigentümer ohne
Mitwirkung der anderen Gemeinschafter über seinen Anteil verfügen. Der ein-
zelne Miteigentumsanteil wird so zu einem selbständigen Gegenstand des
Rechtsverkehrs, dessen rechtliches Schicksal von dem der übrigen Anteile un-
abhängig ist (Staudinger/Gursky, aaO, § 892 Rdn. 114; Koller, aaO, 648;
Heinsheimer, aaO, 182). Das hat zur Folge, dass ein Miteigentümer bei dem
Erwerb weiterer Anteile denselben Gefahren ausgesetzt und damit ebenso
schutzbedürftig ist wie ein außenstehender Dritter (vgl. Staudinger/Langhein,
aaO, § 747 Rdn. 27; AnwKomm-BGB/Krause, § 892 Rdn. 45; Reeb, aaO, S. 25;
Tiedtke, aaO, S. 91).
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(3) Die Möglichkeit, gutgläubig einen gebuchten Miteigentumsanteil zu
erwerben, kann man für Miteigentümer auch nicht mit der Erwägung ausschlie-
ßen, dass diese die Richtigkeit des Grundbuchs übereinstimmend als Ge-
schäftsgrundlage ihres Erwerbsgeschäfts voraussetzen (so aber MünchKomm-
BGB/Wacke, aaO, § 892 Rdn. 41). Das rechtfertigt keine Sonderbehandlung
des Erwerbs durch einen Miteigentümer, weil jeder gutgläubige Erwerber bei
dem Abschluss des dinglichen Geschäfts mit dem Eingetragenen davon aus-
geht, dass das Grundbuch richtig ist. Die Vorstellung des Erwerbers, dass das
Grundbuch richtig ist, kann deshalb nicht zur Geschäftsgrundlage des Rechts-
geschäfts bestimmt werden. Das führte nämlich zu einer Aushöhlung des Insti-
tuts des redlichen Erwerbs, die mit dem von § 892 Abs. 1 BGB bezweckten
Verkehrsschutz unvereinbar wäre (so zutreffend Hager, aaO, S. 164 f. und Witt-
kowski, aaO, S. 149 f.).
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cc) Der Erwerb eines weiteren Anteils durch einen Miteigentümer ist
auch dann ein Verkehrsgeschäft, wenn die Miteigentümer das Grundstück ge-
meinschaftlich erworben hatten und der erwerbende Miteigentümer bei jenem
Erwerbsgeschäft in gleicher Weise wie der veräußernde Miteigentümer von der
Nichtigkeit des Ersterwerbs betroffen war.
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(1) Der von der Revision vertretene gegenteilige Standpunkt, dass es an
dem von den Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vorausgesetzten
Schutzbedürfnis des Erwerbers fehle, wenn er bereits vor der Veräußerung an
ihn von dem Mangel im Recht betroffen gewesen sei, entspricht allerdings einer
in der Rechtsprechung (KG DNotV 1927, 412, 414; BayObLG JW 1927, 522,
523; OLG Köln LZ 1930 Sp. 1128) und auch im Schrifttum (Sternberg, JW
1930, 836, 837; von Mangoldt, AcP 134 [1931], 81, 90; Münch-Komm/Wacke,
aaO, § 892, Rdn. 38; Soergel/Stürner, aaO, § 892, Rdn. 21) teilweise vertrete-
nen Ansicht. Der Ausschluss dieser Fälle aus dem Anwendungsbereich des
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§ 892 BGB wird damit begründet, dass der an dem vorangegangenen unwirk-
samen Erwerbsgeschäft beteiligte Miteigentümer dem Gegenstand des Veräu-
ßerungsgeschäftes nicht wie ein Dritter fern stehe und auf den Informationsge-
halt des Grundbuchs nicht angewiesen sei. Dieses Argument ist auch vom
Reichsgericht ergänzend herangezogen worden, um den Ausschluss des gut-
gläubigen Erwerbs für die Fälle zu begründen, in denen der Erwerber auf Grund
gesamthänderischer Bindung des auf ihn zu übertragenden Gegenstands oder
auf Grund gesetzlicher Anordnung auch auf der Veräußererseite mitwirken
musste (RGZ 117, 257, 265; 129, 119, 121) oder die Veräußerung einer rechts-
geschäftlichen Regelung der Erbfolge diente (RGZ 123, 52, 56; 136, 148, 150).
(2) Dieser Ansicht tritt der Senat nicht bei. Der gutgläubige Erwerb eines
anderen Miteigentumsanteiles durch einen Miteigentümer nach § 892 BGB
kann weder wegen dessen Beteiligung an dem vorangegangenen nichtigen Er-
werbsgeschäft noch unter Hinweis auf eine verminderte Schutzbedürftigkeit
dieses Miteigentümers in Bezug auf die Richtigkeit des Grundbuchs bei dem
nachfolgenden Erwerbsgeschäft ausgeschlossen werden.
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(a) Die von der Revision vertretene Ansicht führte dazu, dass bei dem
gemeinschaftlichen Erwerb durch mehrere Miteigentümer die auf dem Mangel
des ersten Übertragungsgeschäfts beruhende Nichtigkeit bei einem Zweiter-
werb mit dem Eingetragenen zu Lasten des Erwerbers fortwirkte. Das ist jedoch
mit der Rechtsfolge des § 892 Abs. 1 BGB unvereinbar, wonach zugunsten des
Erwerbers der Inhalt des Grundbuches als richtig gilt. Der durch die Eintragung
begründete öffentliche Glaube erstreckt sich zwar nicht auf die Mängel des
Übertragungsgeschäfts selbst (RGZ 69, 263, 268; 88, 83, 89; 128, 276, 279;
Senat, BGHZ 47, 266, 270), er gilt jedoch für die Eintragung des Rechts, so
dass ein Zweiterwerber auch ein nicht wirksam begründetes Recht gutgläubig
erwerben kann (RGZ 69, 263, 268; 88, 83, 89; 128, 276, 279). Für den öffentli-
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chen Glauben des Grundbuchs kommt es nicht darauf an, aus welchen Grün-
den das erste Übertragungsgeschäft unwirksam war. Auch der Schutz eines
geschäftsunfähigen Berechtigten durch die Unwirksamkeit des ersten Übertra-
gungsgeschäfts gem. § 105 Abs. 1 BGB tritt zurück, wenn es auf Grund der
Eintragung zu einem weiteren Erwerbsgeschäft kommt.
Der Schutz des guten Glaubens nach § 892 Abs. 1 BGB beruht bei dem
"Zweiterwerb" eines Miteigentumsanteils auf dem Rechtsschein, der durch die
Buchung des für den Veräußerer eingetragenen Miteigentumsanteils erzeugt
wird (Lutter, AcP 164 [1964], 122, 162). Die Grundlage für den Verkehrsschutz
aus § 892 Abs. 1 BGB ist bei dem zweiten Erwerbsgeschäft die Eintragung des
Anteils, der Gegenstand des Erwerbsgeschäfts ist. Daher ist auch bei einem
Erwerb durch einen Miteigentümer kein hinreichender Grund dafür erkennbar,
diesem den Verkehrsschutz mit der Begründung zu versagen, dass er bereits
den für ihn gebuchten Miteigentumsanteil nicht wirksam erworben habe (vgl.
Hager, aaO, S. 165; Lutter, aaO; Staudinger/Gursky, aaO, § 892, Rdn 114;
MünchKomm-BGB/K. Schmidt, § 747 Rdn. 19; Wittkowski, aaO, S. 152).
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(b) Ein Verkehrsgeschäft kann für diese Fallgruppe auch nicht mit der
Erwägung verneint werden, dass der erwerbende Miteigentümer, der in Bezug
auf seinen Anteil von demselben Mangel betroffen sei, wegen der Nähe zum
vorangegangenen Erwerb des Veräußerers des Schutzes durch die Eintragung
im Grundbuch nicht bedürfe.
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Diese Begründung trägt deshalb nicht, weil der Schutz des Erwerbers
nach § 892 Abs. 1 BGB nicht auf dem konkreten Vertrauen auf die Buchlage,
sondern auf der Verlässlichkeit der amtlichen Verlautbarung beruht (vgl. Boeh-
mer, JZ 1952, 574; Lutter, AcP 164 [1964], 122, 123; Staudiner/Gursky, aaO,
Rdn. 6). Der Erwerber wird durch die (unrichtige) Eintragung selbst dann ge-
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schützt, wenn er den Inhalt des Grundbuchs überhaupt nicht zur Kenntnis ge-
nommen hat. Nur die positive Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit der
Eintragung schadet ihm.
Vor diesem Hintergrund wäre es nur dann gerechtfertigt, den Anteilser-
werb durch denjenigen Miteigentümer, der an einem unwirksamen vorangegan-
gen gemeinschaftlichen Erwerbsgeschäft beteiligt war, vom Schutz des § 892
Abs. 1 BGB auszuschließen, wenn ein Erwerber aus der Kenntnis der Tatsa-
chen auch stets zu der rechtlich richtigen Schlussfolgerung gelangen müsste,
dass die Eintragung des veräußernden Miteigentümers unrichtig ist. Davon
kann indes nicht ausgegangen werden. Die auf die mangelnde Schutzbedürftig-
keit des erwerbenden Miteigentümers gestützten Erwägungen führten damit zu
einem mit § 892 Abs. 1 BGB nicht vereinbaren pauschalen Ausschluss des
Verkehrsschutzes in einer Fallgruppe, in der die Erwerber die Unrichtigkeit der
Eintragung nach den ihnen bekannten Umständen hätten erkennen können.
Das ist im Schrifttum zu Recht als eine Verschiebung der Grenzen in § 891
Satz 1 BGB auf Fälle fahrlässiger Unkenntnis von der Unrichtigkeit des Grund-
buchs kritisiert worden (Hager, aaO, S. 119 f.; Lutter, aaO, S. 162; Koller, JZ
1973, 646, 648; Reeb, aaO, S. 13 f.).
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dd) Einem gutgläubigen Erwerb der Klägerin steht schließlich auch nicht
der Umstand entgegen, dass sie den Miteigentumsanteil auf Grund einer Ver-
einbarung mit ihrem Ehemann zur Aufteilung des während der Ehezeit gemein-
sam erworbenen Grundbesitzes erworben hat.
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(1) Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht vor, den wirt-
schaftlichen Zweck eines gemeinsamen Erwerbs durch Eheleute missachtet zu
haben, welcher der Vermögensbildung beider Ehegatten diene. Das mag in der
Regel zutreffen, rechtfertigt jedoch nicht, die Übertragung eines Miteigentums-
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anteiles zwischen Ehegatten anders als zwischen anderen Miteigentümern zu
behandeln. Im gesetzlichen Güterstand sind die Miteigentumsanteile Eigentum
jedes der beiden Ehegatten. Ein Ehegatte ist weder Treuhänder noch Stroh-
mann des anderen und nicht in anderer Form am Miteigentumsanteil des ande-
ren beteiligt, so dass auch kein Fall sog. wirtschaftlicher Identität vorliegt, der
einem Verkehrsgeschäft entgegenstünde (vgl. dazu Jauernig, BGB, 12. Aufl.,
§
892, Rdn. 10; juris-PK-BGB/Toussaint, [2007], § 892, Rdn. 33; Pa-
landt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 892 Rdn. 7; Staudinger/Gursky, aaO, Rdn.
10).
(2) Die Unterscheidung zwischen der Auseinandersetzung eines zur ge-
samten Hand erworbenen Grundstücks und der Übertragung eines Miteigen-
tumsanteils ist auch bei der Aufteilung des Vermögens durch Ehegatten anläss-
lich der Scheidung nicht rein formalistisch, wie die Revision meint. Sie über-
sieht, dass die Unterschiede in den Eigentumsverhältnissen an den von den
Ehegatten erworbenen Eigentumswohnungen nicht zufällig sind, sondern auf
der von den Ehegatten gewählten Form der Vermögensbildung beruhen. Die
Ehegatten haben die Wahl, entweder rechtlich selbständige Miteigentumsantei-
le zu erwerben oder durch Ehevertrag eine Gütergemeinschaft zu vereinbaren
und so eine gesamthänderische Bindung nach § 1419 BGB herbeizuführen.
Aus dieser Entscheidung ergeben sich die sachenrechtlichen Unterschiede,
wenn sich die Ehegatten anlässlich ihrer Trennung auseinandersetzen. Bei ei-
ner Gütergemeinschaft kann Alleineigentum eines Ehegatten nur durch eine
gemeinschaftliche Verfügung beider Ehegatten erreicht werden, so dass ein
gutgläubiger Erwerb ausscheidet. Bei einem Miteigentum nach Bruchteilen ge-
nügt dagegen die von § 892 BGB erfasste Übertragung eines Anteils. Die von
der Revision erstrebte Gleichbehandlung der Auseinandersetzung von
Gesamthandsvermögen und der Übertragung von Miteigentumsanteilen besei-
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tigte die den Ehegatten nach dem Gesetz zustehenden Wahlmöglichkeiten, wo-
für es indes keine Grundlage gibt.
III.
1. Die Revision ist danach zurückzuweisen. Der die Feststellung aus-
sprechende Tenor war allerdings entsprechend der im Revisionsverfahren er-
folgten Klarstellung des Antrags dahin zu berichtigen, dass hälftiges Miteigen-
tum der Klägerin an dem auf Blatt und Blatt des Grundbuchs von
B., Amtsgericht Ludwigshafen, gebuchten Wohnungseigentumsein-
heiten feststellt wird.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 24.11.2005 - 6 O 202/05 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 21.12.2006 - 4 U 193/05 -