Urteil des BGH vom 15.12.2000

BGH (zahlung, nichterfüllung, zug, kaufvertrag, umfang, inhalt, 1995, verweisung, vertrag, stelle)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 241/99
Verkündet am:
15. Dezember 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats
in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
19. Februar 1999 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten
erkannt worden ist.
Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Auf die
Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des
Landgerichts Darmstadt vom 22. Mai 1996 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 8. Dezember 1994 verkaufte die Beklagte ihr
mit einem noch nicht fertiggestellten Wohn- und Geschäftshaus bebautes
Grundstück in M. an die Klägerin für 800.000 DM. In dem Vertrag heißt
es:
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"Im einzelnen gelten für die Pflicht der Verkäuferin zur Fertigstellung des
Bauwerks die geänderten Baupläne, die Baubeschreibung und die Auf-
stellung der noch zu erbringenden Restarbeiten, wie sie dieser Urkunde
als Anlage beigefügt sind."
Beigefügt und verlesen wurde allerdings nur die Aufstellung über die
Restarbeiten. Die Baubeschreibung und die Baupläne lagen bei der Beurkun-
dung nicht vor.
Im Februar 1995 zahlte die Klägerin an den Notar die erste Kaufpreis-
rate von 410.000 DM. Nach Einbehalt von 3.299,31 DM leitete dieser
406.700,61 DM an die Bank der Beklagten weiter. Zu einer Übergabe des
Kaufobjektes kam es nicht. Mit Schreiben vom 7. April 1995 lehnte die Klägerin
die Erfüllung des Kaufvertrages ab und kündigte Schadensersatzansprüche
wegen Nichterfüllung an.
In der Folgezeit kam es zu mehreren gerichtlichen Verfahren. Durch
Teilanerkenntnisurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni
1998 wurde die Beklagte zur Rückzahlung des Teilkaufpreises verurteilt.
Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin Schadensersatz und
hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 148.018,08 DM nebst Zinsen zu
verurteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der
Beklagten sowie die klageerweiternde Anschlußberufung der Klägerin auf
Zahlung von zuletzt 202.094,93 DM hat das Oberlandesgericht die Beklagte
zur Zahlung von 169.560,79 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Aushändi-
gung einer Löschungsbewilligung für die zugunsten der Klägerin eingetragene
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Auflassungsvormerkung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Be-
klagten.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den Kaufvertrag für formwirksam. Bei der in
§ 2 Abs. 2 des Vertrages enthaltenen Verweisung auf "geänderte Baupläne"
und die "Baubeschreibung" handele es sich nur um eine unechte Verweisung.
Inhalt und Umfang der Fertigstellungsverpflichtung seien abschließend in der
mitbeurkundeten "Aufstellung der Restarbeiten" festgehalten.
Dies hält der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
II.
Nach der vom Berufungsgericht zutreffend angeführten ständigen
Rechtsprechung des Senats unterliegen Baubeschreibungen und Baupläne,
auf die in dem Kaufvertrag Bezug genommen wird, der Beurkundungspflicht
nach § 313 BGB, §§ 9, 13 BeurkG, wenn sie über die gesetzlich vorgeschrie-
bene Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen hinaus noch weitergehende Ver-
pflichtungen begründen sollen (BGHZ 69, 266, 268 ff; 74, 346, 349 ff; Urt. v.
22. Juni 1979, V ZR 21/78, NJW 1979, 1984; Urt. v. 27. April 1979,
V ZR 175/77, NJW 1979, 1498; Urt. v. 12. Juli 1996, V ZR 202/95, WM 1996,
1735 ff; Urt. v. 17. Juli 1998, V ZR 191/97, NJW 1998, 3197; vgl. auch Hagen/
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Brambring, Der Grundstückskauf, 7. Aufl. Rdn. 57 g; Kuhn/von Schuckmann,
Beurkundungsgesetz, 2. Aufl. § 9 Rdn. 15; Brambring, Das Gesetz zur Ände-
rung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften in der notariellen
Praxis, DNotZ 1980, 281 ff, 284). Das ist hier entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts der Fall. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 des Vertrages
sollten für die Pflicht der Verkäufer zur Fertigstellung des Bauwerks nicht nur
die Aufstellung über die Restarbeiten, sondern auch die - sogar an erster Stelle
angeführten - "geänderten Baupläne" und die "Baubeschreibung" gelten. Sie
könnten daher nur dann als Identifizierungsbehelf angesehen werden, wenn
sich aus ihnen keine zusätzlichen Verpflichtungen ergeben sollten, die nicht
bereits in der mitbeurkundeten "Aufstellung der Restarbeiten" aufgeführt sind.
Das ist jedoch nicht der Fall. In der Aufstellung war festgelegt, daß im Erdge-
schoß die Räume der Wohnung "gemäß den genehmigten Bauplänen umzuge-
stalten" sind und daß im Schlafzimmer im Obergeschoß "gemäß den geneh-
migten Plänen eine Trennwand (Stellwand) zu setzen" ist. Art und Umfang der
Bauausführung ergab sich damit nicht aus der Aufstellung, sondern erst aus
den der Vertragsurkunde nicht beigefügten Unterlagen. Erst die Baupläne und
die Baubeschreibung legten also insoweit den konkreten Inhalt der Fertigstel-
lungsverpflichtung der Beklagten konstitutiv fest (Senat, BGHZ 74, 346, 348 f).
Der Formmangel führt zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages. Daß
die Parteien den Verkauf des Grundstücks auch ohne wirksame Fertigstel-
lungsverpflichtung hinsichtlich des Gebäudes vereinbart hätten, ist weder vor-
getragen worden noch sonst ersichtlich (§ 139 BGB).
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Nach alledem ist für den geltend gemachten Anspruch auf Schadenser-
satz wegen Nichterfüllung kein Raum und die Klage mit der Kostenfolge aus
§ 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Wenzel
Tropf
Krüger
RiBGH Dr. Lemke ist infolge Urlaub
an der Unterschrift gehindert.
Karlsruhe, den 19. Dezember 2000
Der Vorsitzende
Wenzel
Gaier