Urteil des BGH vom 07.12.2006

BGH (1995, grundstück, berlin, kaufpreis, antrag, kenntnis, zeuge, nichtigkeit, beschwerde, abschluss)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 90/06
vom
7. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Dezember 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil
des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. März
2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-
schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt
59.639,76 €.
Gründe:
I.
Mit 1977 bzw. 1978 geschlossenen Verträgen mietete der Kläger von
dem V. Wohnungsverwaltung B. Teilflächen des
Grundstücks K. straße 10 in B. zum Betrieb eines privaten
Bauunternehmens. Anschließend errichtete er mit Genehmigung der zuständi-
gen staatlichen Stellen auf dem Grundstück Bauten für sein Gewerbe. Nach
der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Grundstück dem beklagten
Land (Beklagter) zugeordnet.
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Mit Schreiben vom 20. April 1995 an den Notar S. beantragte
der Kläger die Einleitung des Vermittlungsverfahrens gemäß §§ 87 ff Sa-
chenRBerG. In seinem Antrag erklärte er, das Grundstück auf der Grundlage
des geltenden Bodenrichtwerts von 1.300 DM/qm kaufen zu wollen. Zur Urkun-
de des Notars schlossen die Parteien am 16. Juli 1996 einen Kaufvertrag,
durch den der Beklagte das Grundstück dem Kläger verkaufte. Zum Kaufpreis
heißt es in Ziff. III des Vertrags:
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"Der Kaufpreis beträgt 311.220 DM (in Worten: dreihundertelf-
tausendzweihundertzwanzig Deutsche Mark) und berechnet
sich wie folgt:
Das Grundstück hat eine Größe von 504 Quadratmetern. Der
Bodenrichtwert per 31.12.1995 beträgt lt. Senatsverwaltung für
Bauen, Wohnen und Verkehr, Gutachterausschuss für Grund-
stückswerte in Berlin vom 20. Mai 1996 DM 1.300 je Quadrat-
meter.
Als regelmäßiger Preis gem. § 68 Abs. 1 SachenRBerG ist
grundsätzlich die Hälfte des Bodenwertes anzusetzen.
Der Erwerber hat vor dem 1.10.1995 Antrag auf Durchführung
des notariellen Vermittlungsverfahrens gestellt; der geschulde-
te Kaufpreis ermäßigt sich daher gem. § 68 Abs. 2 SachenR-
BerG bei fristgerechter Zahlung um fünf vom Hundert.
…."
Der Kläger bezahlte den Betrag von 311.220 DM. Später nahm er Ein-
sicht in die Akten des Beklagten. Aus diesen erfuhr er, dass der Beklagte vor
dem Verkauf des Grundstücks ein Verfahren zur Neuordnung der Bebauung
von T. gemäß §§ 140 ff. BauGB eingeleitet hatte, das Grundstück nach
der Beendigung des Bestandsschutzes der gewerblichen Nutzung durch den
Kläger Grünfläche werden soll, der Preis für Gewerbegrundstücke in T.
300 DM/qm beträgt und der Bodenrichtwert im Bereich des Grundstücks zum
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31. Dezember 1995 auf 1.000 DM/qm gesunken war. Daraufhin focht der Klä-
ger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Mit der Klage verlangt er Rückzahlung des Kaufpreises, soweit dessen
Bestimmung 1.300 DM/qm zugrunde gelegt worden sind, und Ersatz seiner
auf Grund der von dem tatsächlichen Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995
abweichenden Preisvereinbarung erhöhten Erwerbs- und Finanzierungskos-
ten.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
ist ohne Erfolg geblieben. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hierge-
gen richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er im Ergebnis seinen
Antrag auf Verurteilung der Beklagten weiter verfolgt.
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II.
Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Zahlungsan-
spruch. Es hat ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht feststellen können
und meint, auch nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage
stehe dem Kläger kein Anspruch gegen den Beklagten zu. Die Angabe des
unzutreffenden Bodenrichtrichtwerts in der Vertragsurkunde lasse keinen ver-
lässlichen Schluss darauf zu, dass es den Parteien bei Abschluss des Ver-
trags darauf angekommen sei, den Bodenrichtwert am 31. Dezember 1995
ihrer Preisvereinbarung zugrunde zu legen. Der von dem Kläger zum Willen
des Beklagten durch Vernehmung des Notars als Zeuge angetretene Beweis
sei als zur Ausforschung bestimmt nicht zu erheben. Etwas anders ergebe
sich auch nicht aus Ziff. III Abs. 2 des Vertrags. Die dort bezeichnete Mittei-
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lung des Beklagten müsse nicht notwendig den Bodenrichtwert per
31. Dezember 1995 zum Gegenstand gehabt haben.
III.
Die Zurückweisung des Beweisantrags des Klägers durch das Beru-
fungsgericht findet keine Grundlage im Prozessrecht und zeigt, dass das Beru-
fungsgericht den Kern des Vorbringens nicht zur Kenntnis genommen hat. Sie
wird von der Beschwerde daher zutreffend als entscheidungserheblicher Ver-
stoß gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs
gerügt. Der Verstoß führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Beru-
fungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsge-
richt.
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Nach dem Vortrag des Klägers stimmte der Wille der Parteien beim Ab-
schluss des Kaufvertrags dahin überein, dass der Bodenrichtwert am
31. Dezember 1995 die Grundlage der Preisvereinbarung für das Grundstück
bildete. Trifft dieses Vorbringen zu, kann der geltend gemachte Anspruch un-
ter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens des Beklagten bei den Vertrags-
verhandlungen oder eines Anspruchs auf Anpassung des Vertrages nach den
Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage begründet sein. Mögli-
cherweise kann auch die Vertragsauslegung ergeben, dass ein dem Boden-
richtwert am 31. Dezember 1995 entsprechender Kaufpreis vereinbart worden
ist.
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Der Kläger hat den Willen des Beklagten und damit eine innere Tatsa-
che unter Benennung des Urkundsnotars als Zeuge behauptet. Einem Be-
weisanerbieten durch Vernehmung eines Zeugen zu einer solchen Behaup-
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tung ist zwar grundsätzlich nur stattzugeben, wenn vorgetragen wird, woher
der Zeuge die in sein Wissen gestellte Kenntnis hat (st. Rechtspr., vgl. BGH,
Urt. v. 29. März 1996, II ZR 263/94, NJW 1996, 1678, 1679 m.w.N.). Hieran
scheitert das Beweisanerbieten des Klägers jedoch nicht, weil es sich bei dem
von dem Kläger benannten Zeugen um den Urkundsnotar handelt, dessen
Aufgabe es war, bei der Errichtung der Kaufvertragsurkunde den Willen der
Beteiligten zu erforschen, § 17 Abs. 1 BeurkG, und so sicherzustellen, dass
der beurkundete Inhalt der Vertragserklärungen der Parteien deren Willen ent-
sprach. Dass die Kenntnis des Zeugen von dem Willen des Beklagten dies zur
Grundlage hat, bedeutet eine Selbstverständlichkeit, die der Kläger nicht auf-
zeigen musste, um sein Beweisanerbieten erheblich zu machen.
IV.
Das Berufungsurteil gibt im Übrigen Anlass, auf folgendes hinzuweisen:
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1. Dass der nach der übereinstimmenden Erklärung beider Parteien von
dem Beklagten am 20. Mai 1995 mitgeteilte Wert nicht den Bodenrichtwert per
31. Dezember 1995, sondern einen auf einen anderen Zeitpunkt bezogenen
Wert zum Gegenstand gehabt hätte, ist bisher nicht behauptet worden und
trifft nach dem ebenfalls in das Zeugnis des Urkundsnotars gestellten Vortrag
des Klägers nicht zu.
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2. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch ist auch unter dem
Gesichtspunkt einer Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB we-
gen groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu prüfen. Eine
so begründete Nichtigkeit ist zu beachten, auch ohne dass der Kläger sich
bisher hierauf berufen hat (RGZ 160, 52, 56; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl.
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§ 138 Rdn. 64; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 138
Rdn. 155; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 138 Rdn. 21; Soergel/
Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 138 Rdn. 61).
Krüger
Klein
Lemke
Schmidt-Räntsch
Roth
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 03.05.2005 - 13 O 381/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2006 - 24 U 36/05 -