Urteil des BGH vom 30.10.1996

BGH (fonds, lebensversicherung, widerruf, beitritt, rückzahlung, höhe, teil, ergebnis, vermittler, widerrufsrecht)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 378/02
Verkündet am:
27. September 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 27. September 2004 durch die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2002 wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die zeitweise als A. AG firmierte, streitet mit der Beklagten
um die wechselseitigen Ansprüche aus zwei Darlehen, mit denen diese ihren
Beitritt zur G.-GbR, S. Straße 3 und 5, D., Fonds Nr. 11 [im folgenden: Fonds
(-gesellschaft)] finanzierte.
Die Beklagte unterzeichnete Ende 1992 eine "Beitrittserklärung" zu dem
Fonds. Darin verpflichtete sie sich zum Beitritt und bot einem Rechtsanwalt
M. F. den Abschluß eines auf die Verwendung der einzuzahlenden
Gelder bezogenen Treuhandvertrages nebst gesonderter Vollmacht an.
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Die Fondsgesellschaft war von der Do. GmbH und deren Ge-
schäftsführer
W. Gr.
gegründet
worden.
Gesellschaftszweck
war
der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des
Grundstücks S. Straße 3 und 5 in D.. Die Einlage der Beklagten
sollte 50.000,00 DM betragen und in vollem Umfang durch zwei von der Kläge-
rin zu gewährende Kredite finanziert werden. Dementsprechend unterzeichnete
die Beklagte am 30. November 1992 zwei Darlehensanträge, einer betraf einen
Festkredit, der durch eine Lebensversicherung getilgt werden sollte, der andere
betraf einen Tilgungskredit. In beiden Fällen sollte die Darlehensvaluta an den
Treuhänder ausgezahlt werden.
Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluten in Höhe der Einlage und eines
Agios auf ein Konto des Treuhänders. In der Folgezeit konnten die in dem
Fondsprospekt veranschlagten und von der Do. GmbH für die Dauer
von fünf Jahren garantierten Mieten nicht erwirtschaftet werden. Die Do.
GmbH stellte im Juni 1996 ihre Zahlungen ein. Ein Konkursantrag wurde
mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wur-
de 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs in vier Fällen, u.a. hinsichtlich des
Fonds 11, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH
ohne Wissen der Anleger von der Grundstücksverkäuferin und Bauträgerin, der
Dom. GmbH, einen Teil der in dem Fondsprospekt für den Erwerb
und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 10,5 Mio. DM, nämlich
etwa 4,4 Mio. DM, zurückzahlen lassen. Auf diese Weise war von dem insge-
samt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe von 14,07 Mio. DM weniger als
die Hälfte in das Bauvorhaben geflossen.
Nachdem diese Vorgänge bekannt geworden waren, erklärte die Beklag-
te mit Anwaltsschreiben vom 30. Oktober 1996 gegenüber der Klägerin die An-
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fechtung des Festkreditvertrages wegen arglistiger Täuschung. Am 4. Oktober
2000 kündigte sie ihre Mitgliedschaft in der Fondsgesellschaft. Unter dem
6. Dezember 2001 erklärte sie den Widerruf ihrer auf den Abschluß der beiden
Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Mit Schreiben vom
5. Januar 2002 widerrief sie ihre Beitrittserklärung zur Fondsgesellschaft.
Die Klägerin verlangt mit der Klage Rückzahlung der Darlehen jeweils
einschließlich eines Disagios und einer Bearbeitungsgebühr, zusammen
56.524,98 DM. Die Beklagte hat widerklagend Rückgewähr der an die Klägerin
gezahlten Zinsen von 2.367,21 DM und Rückabtretung ihrer zur Sicherheit an
die Klägerin abgetretenen Lebensversicherung verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage hinsicht-
lich der Rückabtretung der Lebensversicherung stattgegeben. Das Oberlandes-
gericht hat die Berufung der Klägerin und die auf Rückzahlung geleisteter Zin-
sen gerichtete unselbständige Anschlußberufung der Beklagten zurückgewie-
sen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die
Verurteilung der Beklagten zur Darlehensrückzahlung und die Abweisung der
Widerklage auch in Bezug auf die Lebensversicherung erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung
der Klägerin gegen die landgerichtliche Entscheidung im Ergebnis zu Recht
zurückgewiesen.
I. Das Zahlungsverlangen der Klägerin muß schon deshalb erfolglos blei-
ben, der Widerklageantrag der Beklagten auf Rückabtretung ihrer Lebensversi-
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cherung dagegen Erfolg haben, weil die Beklagte die Darlehensverträge der
Parteien nach dem Haustürwiderrufsgesetz (in seiner bis zum 30. September
2000 geltenden Fassung) wirksam widerrufen hat.
1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Beklagte nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG ein Recht zum Widerruf ihrer auf den Abschluß der
Kreditverträge gerichteten Willenserklärungen hatte. Die von der Revision nicht
angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben jedoch, daß die
Beklagte die Darlehensverträge der Parteien wirksam widerrufen hat.
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Vor-
schriften des Haustürwiderrufsgesetzes hier nicht durch die Vorrangregelung
des § 5 Abs. 2 HaustürWG ausgeschlossen.
§ 5 Abs. 2 HaustürWG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, daß die
Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann anzuwenden sind, wenn
das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder
erloschen ist (BGHZ 150, 248, 256; 152, 331, 334 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004
- II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1403). Letzteres ist hier der Fall. Die Widerrufs-
frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls mit
Recht festgestellt hat, infolge Fristablaufs erloschen, so daß die Vorschriften
des Haustürwiderrufsgesetzes entgegen der Auffassung der Revision Anwen-
dung finden.
b) Die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaustürWG
liegen vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Beklagte durch einen
von der Do. GmbH beauftragten Anlagevermittler auf dessen Initiative
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in ihrer Wohnung zum Fondsbeitritt und dazu bestimmt worden ist, den Beitritt
durch die Klägerin finanzieren zu lassen.
c) Die Haustürsituation ist der Klägerin zuzurechnen. Insoweit gelten die
für die Zurechnung einer arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 2 BGB entwik-
kelten Grundsätze (BGH, Urt
.
v. 12. November 2002 - XI ZR 3/01
,
ZIP 2003, 22,
24 f.; v. 15. Juli 2003 - XI ZR 162/00, ZIP 2003, 1741, 1743; v. 20. Janua
r
2004
- XI ZR 460/02, DB 2004, 647, 648). Ist danach - wie hier - der Verhandlungs-
führer als Dritter anzusehen, so ist sein Handeln dem Erklärungsempfänger
zuzurechnen, wenn dieser es kannte oder kennen mußte. Für eine fahrlässige
Unkenntnis in diesem Sinne genügt, daß die Umstände des Falles den Erklä-
rungsempfänger veran
l
assen mußten, sich zu erkundigen, auf welchen Um-
ständen die ihm übermittelte Willenserklärung beruht (BGH, Urt. v. 9. April 1992
- IX ZR 145/91, ZIP 1992, 755, 756).
Auch wenn die Klägerin, was allerdings nach den Feststellungen des Be-
rufungsgerichts zur Vorgeschichte höchst unwahrscheinlich ist, nicht schon ge-
wußt haben sollte, daß die Fondsbeteiligungen und die zugehörigen Finanzie-
rungen in Haustürsituationen vertrieben wurden, war sie nach den vorstehend
d
argelegten Grundsätzen jedenfalls verpflichtet, sich bei der Fondsgesellschaft
oder dem Vermittlungsunternehmen über die Umstände der Vertragsverhand-
lungen zu erkundigen, weil sie in das Vertriebssystem des Fonds eingebunden
war. Sie hatte dem Vermittler ihre Vertragsformulare überlassen. Dessen An-
schrift hat die Beklagte unwidersprochen mit L. angegeben, sie selbst
dagegen wohnte seinerzeit wie auch heute in Sch.. Ausweislich des In-
halts der Darlehensanträge hat sie die Schriftstücke auch in Sch. unter-
schrieben. Damit war aus der Sicht der Klägerin von einer Haustürsituation
auszugehen, mußte sich ihr dieser Eindruck jedenfalls aufdrängen.
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d) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist nicht durch Fristablauf erloschen.
Die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HaustürWG hat mangels ord-
nungsgemäßer Belehrung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HaustürWG nicht zu
laufen begonnen.
Die Belehrung hinsichtlich der Darlehensverträge enthält den Hinweis,
daß nach dem Empfang des Darlehens der Widerruf als nicht erfolgt gelte,
wenn der Nettokreditbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt werde.
Eine derartige - dem § 7 Abs. 3 VerbrKrG entsprechende - Widerrufsbelehrung
genügt entgegen der Auffassung der Revision nicht den Anforderungen des § 2
HaustürWG, weil sie eine "andere" - zudem noch unrichtige - Erklärung enthält
(vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1404). Die Vor-
aussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 4 HaustürWG liegen ersichtlich nicht vor.
2. Als Rechtsfolge des Widerrufs sind die Vertragspartner gemäß § 3
Abs. 1 Satz 1 HaustürWG verpflichtet, dem jeweils anderen Teil die empfange-
nen Leistungen zurückzugewähren.
a) Danach braucht die Beklagte der Klägerin nicht die Darlehensvaluta
zurückzuzahlen, sondern ihr lediglich ihren Fondsanteil abzutreten.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2004 (II ZR 395/01, ZIP
2004, 1402, 1404 f.) entschieden, daß die von dem Darlehensnehmer empfan-
gene Leistung im Falle der Auszahlung des Darlehens an einen Dritten bei
einem Verbundgeschäft i.S. von § 9 VerbrKrG der finanzierte Gesellschaftsan-
teil ist. Der Fondsbeitritt der Beklagten und die Darlehensverträge der Parteien
bilden ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG. Ein solches
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liegt vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisa-
tion bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592,
1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen - II ZR 393/02,
ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war
hier der Fall. Die Klägerin hat ihre Vertragsformulare dem von den Fondsinitia-
toren eingeschalteten Vermittler überlassen.
Ihre Fondsbeteiligung hat die Beklagte der Klägerin bereits als Sicherheit
abgetreten sowie mit Anwaltsschreiben vom 30. Oktober 1996 zur Verfügung
gestellt.
b) Die Klägerin hat der Beklagten die ihr sicherungshalber abgetretene
Lebensversicherung rückabzutreten, da der Sicherungszweck wegen Unwirk-
samkeit der Darlehensverträge entfallen ist.
II. Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung wegen wirksamen
Widerrufs der Darlehensverträge im Ergebnis als zutreffend. Die Revision
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der Klägerin unterliegt der Zurückweisung, ohne daß es auf die von den Partei-
en diskutierten weiteren Rechtsfragen ankommt.
Goette
Kurzwelly
Kraemer
Münke
Strohn