Urteil des BGH vom 14.03.2017

BGH: vollstreckung der strafe, kokain, bewährung, beweismittel, droge, strafzumessung, untersuchungshaft, asylbewerber, telefonüberwachung, geldstrafe

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Gericht:
LG Kiel 10.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
X KLs (19/05)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 100a StPO, § 261 StPO
Tatnachweis durch Erkenntnisse aus
Telefonüberwachungen: Unverwertbarkeit der Beweismittel
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Der Angeklagte G. wurde im Jahre 1975 in Mitrovica/Kosovo geboren. Sein Vater
betrieb dort ein Lebensmittelgeschäft. Nach dem Besuch der Grund- und
Hauptschule begann er für die Dauer von etwa 2 1/2 Jahren, den Beruf eines
Automechanikers zu erlernen.
1998 gelangte er als Asylbewerber nach Deutschland und hielt sich zunächst in
Lübeck und dann in Kiel auf. Nach der Entlassung aus Strafhaft im Jahre 2001
arbeitete er als Bauarbeiter. Aufgrund einer im Jahre 2001 erlittenen
Schußverletzung war er zwischenzeitlich für mehrere Monate arbeitsunfähig.
Der Angeklagte G. ist verheiratet und hat ein 11 Jahre altes Kind. Er ist mittlerweile
anerkannter Asylbewerber.
Er ist bereits vorbestraft:
Im Jahre 1999 wurde er wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Am 08.07.1999 verurteilte ihn das Landgericht Kiel wegen bandenmäßigem
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2
Jahren und sechs Monaten. Nach Verbüßung von 2/3 wurde die Reststrafe zur
Bewährung ausgesetzt und schließlich im November 2004 erlassen.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten L. ist lediglich bekannt, dass
er im Jahre 1967 in Tirana /Albanien geboren wurde und mittlerweile die deutsche
Staatsangehörigkeit erlangt hat. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder.
Der Angeklagte L. wurde in 2 Urteilen des Amtsgerichts Kiel aus dem Jahre 2000
wegen Betruges und Trunkenheit im Verkehr jeweils zu Geldstrafe verurteilt.
II.
Der Angeklagte L. hatte in einem Kleingartengelände in Kiel eine Gartenparzelle
gepachtet. Im Zuge von Ermittlungen gegen beide Angeklagte wegen des
Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wurde die Gartenparzelle
am 03.06.2005 durchsucht. Unter der Toilette in der dort befindlichen Gartenlaube
fand sich eine Tüte mit insgesamt 10 Einzelpäckchen Kokaingemisch. Die
kriminaltechnische Untersuchung ergab ein Gesamtgewicht von 498,5 g und einen
mittleren Kokaingehalt von 26,2 %, entsprechend 131,6 g reinen Wirkstoffes
Kokain-Hydrochlorid.
Das Kokain war von beiden Angeklagten gemeinschaftlich dort deponiert worden.
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Das Kokain war von beiden Angeklagten gemeinschaftlich dort deponiert worden.
Der Angeklagte G. war zu dieser Zeit selbst Kokain-Konsument.
Beide Angeklagte wurden am 03.06. 2005 festgenommen und befanden sich seit
dem Folgetag in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten L.
wurde am 31.01. 2006, derjenige gegen den Angeklagten G. am 16.02. 2006
außer Vollzug gesetzt.
III.
1. Diesen Sachverhalt hat die Kammer in der Hauptverhandlung festgestellt. Er
ergibt sich aus den geständigen Einlassungen der beiden Angeklagten sowie den
kriminaltechnischen Untersuchungen zur Konzentration des Kokains und zum
Vorhandensein von Fingerabdrücken an dem Verpackungsmaterial.
Die Angeklagten haben sich danach jeweils wegen unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar
gemacht.
Die ab 5 g reinen Wirkstoffes Kokain-Hydrochlorid anzusetzende nicht geringe
Menge im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes ist deutlich, nämlich um das 26-
fache, überschritten.
2. Soweit beiden Angeklagten darüber hinaus in der Anklage (Nr. 1-58) der Vorwurf
des mehrfachen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, zum Teil in
nicht geringer Menge, gemacht wurde, haben sich diese Tatvorwürfe in der
Hauptverhandlung nicht erweisen lassen.
Ein zur Überführung und Verurteilung ausreichender Tatnachweis wäre nach dem
Stand der Ermittlungen allein durch die aus umfangreichen Telefonüberwachungen
zu gewinnenden Erkenntnisse möglich gewesen. Diese waren jedoch als
Beweismittel nicht verwertbar, was die Kammer in ihrem in der Hauptverhandlung
vom 16.02.2006 verkündeten Beschluss ausführlich dargelegt hat.
Zum einen beinhalteten die zugrundeliegenden amtsgerichtlichen Beschlüsse
keinen auf bestimmte, konkrete Tatsachen gründenden Tatverdacht, der die
Anordnung einer Telefonüberwachung hätte rechtfertigen können. Die Kammer hat
sodann unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung den
Aktenbestand, wie er sich dem Ermittlungsrichter bei dessen erstmaliger
Befassung darstellte, gesichtet und auf dieser Grundlage die Vertretbarkeit der
Anordnung untersucht. Daraus ergab sich jedoch, dass die Anordnung einer
Telefonüberwachung gegen den Angeklagten G. seinerzeit nicht vertretbar war.
Weder war aus den Akten erkennbar, aus welchen Umständen sich die Annahme
ergab, dass es sich bei dem betreffenden unbekannten Anrufer um einen ”B.”
handelte, noch war für die Kammer nachvollziehbar, warum der angebliche ”B.”
mit dem Angeklagten G. identisch sei.
Weitere Beweismittel, insbesondere die Aussagen von Zeugen, kamen für eine
Überführung der Angeklagten nicht in Betracht, sodass sie insoweit aus
tatsächlichen Gründen freizusprechen waren.
IV.
Für die Strafzumessung war bei beiden Angeklagten der sich aus § 29 a Abs. I Nr.
2 BtMG ergebende Strafrahmen zugrunde zulegen, der Freiheitsstrafe zwischen
einem und fünfzehn Jahren vorsieht.
Ein minder schwerer Fall im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG kam bei beiden
Angeklagten schon wegen der erheblichen Menge des Kokains, einer sog. ”harten
Droge” nicht in Betracht.
Bei der Strafzumessung im Einzelnen hat die Kammer für beide Angeklagte
berücksichtigt, dass sie in der Hauptverhandlung ein Geständnis abgelegt haben.
Zudem handelte es sich um ein qualitativ nicht besonders hochwertiges Kokain.
Für den Angeklagten L. sprach außerdem, dass er bislang nicht nennenswert
vorbestraft ist.
Straferschwerend fiel bei beiden Angeklagten ins Gewicht, dass es sich um eine
relativ große Menge einer zudem ”harten” Droge handelte. Zu Lasten des
Angeklagten G. hat die Kammer insbesondere seine einschlägige Vorstrafe
bewertet.
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bewertet.
Unter Berücksichtigung aller relevanten Zumessungsgesichtspunkte hielt die
Kammer danach für den Angeklagten G. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und
acht Monaten und für den Angeklagten L. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren für
tat- und schuldangemessen.
Hinsichtlich des Angeklagten L. konnte die Vollstreckung der Strafe gemäß § 56
StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach dem Eindruck aus der
Hauptverhandlung geht die Kammer davon aus, dass dieser Angeklagte sich
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und demzufolge auch ohne die
Einwirkung des Vollzuges keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Der
Angeklagte L. lebt in geordneten familiären Verhältnissen, er ist deutscher
Staatsbürger und bislang nicht nennenswert vorbestraft. Zudem hat er als
Konsequenz dieses Ermittlungsverfahrens mehr als 8 Monate Untersuchungshaft
verbüßt. Der Kammer ist bekannt, dass darunter auch seine Familie erheblich
gelitten hat, sodass davon auszugehen ist, dass auch der Angeklagte hiervon
gehörig beeindruckt worden ist.
Aus diesen Umständen leitet die Kammer auch die besonderen Gründe her, die es
erlauben, eine über 1 Jahr hinausgehende Freiheitsstrafe noch zur Bewährung
auszusetzen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 465, 467 StPO.