Urteil des BGH vom 06.10.2010

BGH (beihilfe, freiheitsstrafe, sache, stpo, menge, beteiligung, integration, anteil, umstand, vollzug)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 394/10
vom
6. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gießen vom 13. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßi-
gen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in fünf Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Ur-
teils, weil die Annahme einer Bandenmitgliedschaft des Angeklagten von den
Feststellungen nicht getragen wird.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der mit dem An-
geklagten bekannte "gesondert verfolgte R. " Betäubungsmittel. Von
R. wurden Drogen an den "gesondert verfolgten S. " geliefert, dessen
"Aufgabe darin bestand, die Drogen für R. weiter zu verkaufen" (UA
S. 4). Später wurde ein "gesondert verfolgter D. " tätig, der "ebenfalls in die
Vertriebsorganisation um R. einbezogen war" (UA S. 5). Der Angeklagte
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wusste dies. Er fuhr - jeweils auf gesonderte Bitte - zwischen Ende September
2008 und Januar 2009 in fünf Fällen mit seinem Pkw entweder R. oder
D. , die dabei zum Handel bestimmtes Rauschgift mit sich führten; in drei Fäl-
len überbrachte der Angeklagte selbst als Kurier Betäubungsmittel. Er erhielt für
die Fahrten jeweils 50 € als Entlohnung.
2. Aus diesen Feststellungen ergibt sich die vom Landgericht angenom-
mene Bandenmitgliedschaft des Angeklagten nicht. Es fehlt schon an einem
Anhaltspunkt dafür, dass der Angeklagte in eine Bandenabrede der - nicht nä-
her bezeichneten - "Vertriebsorganisation des R. " eingebunden war. An-
gesichts der randständigen, nur gering entlohnten Aufgaben des Angeklagten
lag dies auch nicht so nahe, dass auf nähere Feststellungen verzichtet werden
konnte. Insoweit wäre etwa von indizieller Bedeutung gewesen, wie hoch der
Anteil der von dem Angeklagten auf Bitte seines Wohnungsnachbarn R.
durchgeführten Fahrten an den Transportfahrten R. s insgesamt war.
Sollte es sich etwa um nur gelegentliche Gefälligkeiten gehandelt haben, auf
welche R. , der keine Fahrerlaubnis besaß, in Einzelfällen mangels ande-
rer Möglichkeiten zurückgriff, so würde dies eine Integration in die Bandenstruk-
tur nicht nahe legen. Soweit das Landgericht angenommen hat, eine "konklu-
dente Bandenabrede" liege darin, dass der Angeklagte wiederholt auf Bitte von
R. tätig wurde, konnte dies hier angesichts der sonstigen Umstände kon-
krete Feststellungen zur Einbindung des Angeklagten nicht ersetzen.
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Nicht ausreichend sind im Übrigen die Feststellungen zum subjektiven
Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich der bandenmäßigen "Vertriebsor-
ganisation". Es fehlt schon eine eindeutige Feststellung dazu, ob der Angeklag-
te diese überhaupt kannte; hierzu reichte jedenfalls nicht aus, dass er annahm,
S. solle die Drogen "für R. " weiterverkaufen.
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Die Frage der Beteiligung des Angeklagten ist daher insgesamt neu zu
prüfen. Dabei wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass der Umstand,
dass andere Tatbeteiligte bereits rechtskräftig abgeurteilt sind, nicht zu einer
Herabsetzung der Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe (§ 267
StPO) in einem selbständigen Verfahren führt.
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3. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin: Bei Verhängung
einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sind Ausführungen zur Strafausset-
zung zur Bewährung fern liegend; die Frage, "ob es des Vollzugs der Freiheits-
strafe bedürfe", stellt sich nicht und muss vom Tatrichter daher auch nicht erör-
tert werden. Das gilt erst Recht auch für die hier vom Landgericht ausgespro-
chene "dringende Empfehlung", den Angeklagten "umgehend in den offenen
Vollzug aufzunehmen" (UA S. 16). Solche rechtlich unverbindlichen Hinweise
können Erfordernisse und Besonderheiten des Vollzugs der Freiheitsstrafe und
des Vollstreckungsverfahrens der Natur der Sache nach nicht berücksichtigen
und begründen die Gefahr, als rechtlich bindend fehlgedeutet zu werden.
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Fischer
Appl
Schmitt
Eschelbach
Ott