Urteil des BGH vom 13.02.2007

BGH (stadt, stgb, abtretung einer forderung, untreue, stpo, nachteil, höhe, brandenburg, strafkammer, verteidiger)

5 StR 400/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 13. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Bestechlichkeit u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Februar 2007
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Potsdam vom 10. Januar 2006 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Untreue verur-
teilt worden ist, und im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des
Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit
(Einsatzstrafe: ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe) und wegen Un-
treue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt
und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Wirtschaftsstraf-
kammer hat dem Angeklagten ferner für die Dauer von drei Jahren die Fä-
higkeit aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden, und den Verfall von Wert-
ersatz in Höhe von über 15.000 Euro angeordnet. Die Revision des Ange-
klagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349
Abs. 2 und 4 StPO).
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen
und Wertungen getroffen:
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Im Mai 1995 beantragte die B. W.
GmbH & Co. KG (W. ) aus Berlin für die Errichtung des Geschäfts-
und Dienstleistungszentrums Rathauspassage in Eberswalde die Bauge-
nehmigung. Diese wurde Anfang 1996 kurz nach Amtsantritt des Angeklag-
ten als Bürgermeister der Stadt Eberswalde erteilt. W. errichtete
unter anderem ein Parkhaus mit 226 Stellplätzen, die indes nach Planungs-
erweiterungen nicht mehr zur Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Pflicht
zur Errichtung von Stellplätzen ausreichten. W. hätte nach dem
letzten Antrag auf Nutzungsänderung vom 13. Januar 1998 noch 36 weitere
Stellplätze errichten oder einen Ablösebetrag von 342.000 DM entrichten
müssen. Es bestand eine Sicherheitsleistung durch Abtretung einer Forde-
rung in Höhe von 180.000 DM.
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Die österreichische Unternehmerin E. B. betätigte sich,
vertreten durch ihren Ehemann J. , ebenfalls als Investorin in Eberswalde.
Sie beantragte im April 1996 die Baugenehmigung zur Errichtung eines
Wohn- und Geschäftshauses, für das 13 Stellplätze zu errichten waren. Sie
beantragte, sich von dieser Pflicht durch Zahlung des Ablösebetrages befrei-
en zu dürfen. Dem wurde in der bestandskräftig gewordenen Baugenehmi-
gung vom 21. Oktober 1996 entsprochen, die als ebenfalls nicht angefochte-
ne Auflage die Pflicht enthielt, bis 20. Juni 1997 123.500 DM als Ablösebe-
trag an die Stadt zu zahlen. Zur Sicherung der Zahlungsverpflichtung stellte
E. B. – einem Zwischenbescheid folgend – eine Bankbürgschaft,
die wiederum durch Festgeld in Höhe der Bürgschaftssumme gesichert war.
J. B. und die Vertreter von W. hatten bereits
zum Jahresende 1997 auf eine Verringerung der Ablösebeträge gedrängt.
Dem gab der Angeklagte nach; er schloss am 17. Februar 1998 mit W.
einen – erst durch Änderung des § 52 Abs. 6 der Brandenburgi-
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schen Bauordnung (LBO) ab 1. Januar 1998 ermöglichten – Stellplatzablö-
severtrag über 35.000 DM. Dieser Betrag wurde sofort bezahlt und die Nut-
zungsänderung danach genehmigt.
Der Angeklagte kam ferner mit J. B. überein, den von
dessen Ehefrau zu leistenden Ablösebetrag auf etwa die Hälfte zu verrin-
gern. Dafür sollte der Angeklagte etwa die Hälfte aus dem von der Bauherrin
hierdurch ersparten Ablösebetrag als Gegenleistung erhalten. Nach Abnah-
me des Bauvorhabens B. am 25. März 1998 schloss der Angeklag-
te an demselben Tag einen Stellplatzablösevertrag über 59.800 DM. J.
B. wies am 14. April 1998 seine Bank an, diesen Betrag der Stadt
Eberswalde aus dem nicht länger anzulegenden Festgeld gegen Rückgabe
der Bürgschaftsurkunde zu überweisen. Einen Tag nach Eingang der Bürg-
schaftsurkunde bei der Bank überwies E. B. aus dem verbliebe-
nen ehemaligen Festgeldbetrag am 12. Mai 1998 auf ein Konto der Eheleute
Sch. 30.000 DM und benannte als Verwendungszweck „Optionsgeld
Grundstück Finowfurt“.
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Das Landgericht hat den Abschluss der Stellplatzablöseverträge als
missbräuchliche Vermögensverfügungen gewertet, aus denen der Stadt
Vermögensnachteile in Höhe von 63.700 DM (Fall B. ) und
307.000 DM (Fall W. ) entstanden seien. Eine spätere Inanspruch-
nahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch E. B. ge-
gen die Nachforderung der Stadtverwaltung blieb erfolglos. Das Landgericht
hat sich auf der Grundlage einer eingehenden – rechtsfehlerfreien – Beweis-
würdigung davon überzeugt, dass die Überweisung der 30.000 DM auf kei-
nem legalen Hintergrund beruhte.
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2. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie die Schuld-
sprüche wegen Untreue angreift. Die Annahme des Landgerichts, der Ange-
klagte habe der Stadt durch Vornahme einer pflichtwidrigen wirksamen
Diensthandlung einen erheblichen Vermögensnachteil zugefügt, trifft nicht
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zu. Jenseits davon rechtfertigen die Feststellungen des Landgerichts den
Schuldspruch wegen Untreue nicht ohne weiteres.
a) Der Angeklagte hat durch den Abschluss der Stellplatzablösever-
träge – im Fall B. im Wege des Wiederaufgreifens des Verwal-
tungsverfahrens (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Bbg VwVfG) in Verbindung mit Artikel 1
Nr. 34 lit. a des Gesetzes zur Änderung der Brandenburgischen Bauordnung
und anderer Gesetze vom 18. Dezember 1997 (GVBl. I S. 124, 130) und im
Fall W. allein nach dieser Vorschrift – die Ansprüche der Stadt
Eberswalde auf Zahlung der Ablösebeträge nicht wirksam verringert. Die
Verträge waren unwirksam. Der vom Landgericht angenommene Miss-
brauchstatbestand des § 266 Abs. 1 StGB ist nicht erfüllt.
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aa) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob – wie die Revisi-
on und der Generalbundesanwalt meinen – die von dem Angeklagten ge-
schlossenen Verträge gemäß § 59 Abs. 1 Bbg VwVfG, § 134 BGB nichtig
sind.
Die Pflicht zur Zahlung der Stellplatzablösebeträge stellt eine sich
aus Gesetz ergebende öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtung dar. Ob es
sich hierbei um sonstige Abgaben im Sinne des § 1 Abs. 3 des Kommunal-
abgabengesetzes für das Land Brandenburg handelt (VG Frankfurt [Oder],
Urteil vom 19. April 2002 – 7 K 2552/00 m.w.N.; offen gelassen von OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 10 N 29.05; jeweils
das Verfahren E. B. gegen Stadt Eberswalde betreffend), braucht
der Senat nicht zu entscheiden. Mit einer solchen Wertung wäre freilich dem
Grundsatz der strikten Bindung an das Gesetz (Artikel 20 Abs. 3 GG) beson-
dere und gesteigerte Bedeutung zugekommen (vgl. VG Frankfurt [Oder] aaO
unter Berufung auf BVerwG NJW 1982, 2392, dort zum Erschließungsbei-
tragsrecht). Die vorliegend auf der Grundlage des nach wie vor geltenden
§
52 Abs. 7 LBO zutreffend festgelegten Ablösebeträge von jeweils
9.500 DM pro Stellplatz hätten demnach nur bei Eingreifen einer gesetzli-
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chen Ermächtigung wirksam reduziert werden können. Eine solche lag indes
nicht vor. Zwar eröffnete Artikel 1 Nr. 59 lit. c des genannten Änderungsge-
setzes die Möglichkeit einer Minderung der Ablösebeträge um 50 %. Dies
war aber von dem Erlass einer örtlichen Bauvorschrift abhängig, die in
Eberswalde erst am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist. Im Übrigen unter-
schritten die vom Angeklagten vorgenommenen Reduzierungen das gesetz-
lich zulässige Höchstmaß zusätzlich (von 9.500 DM auf 4.600 DM im Fall
B. und auf – markant – 972 DM im Fall W. ).
Ob solches in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmslos gelten
müsste und ob gegebenenfalls eine so begründete – untreuespezifische –
Nichtigkeit die Erfüllung des Straftatbestands der Untreue überhaupt berüh-
ren könnte, kann gleichfalls offen bleiben.
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bb) Jedenfalls sind die vom Angeklagten abgeschlossenen Verträge
unwirksam wegen Verstoßes gegen § 67 Abs. 2 Satz 2 der Gemeindeord-
nung für das Land Brandenburg (GO) i.V.m. §§ 177 ff. BGB, weil die danach
zusätzlich erforderliche Unterschrift des Vorsitzenden der Gemeindevertre-
tung oder eines seiner Vertreter nicht beigefügt worden ist (BGH
NJW-RR 2001, 1524; VG Frankfurt [Oder] aaO; OVG Berlin-Brandenburg
aaO) und hier auch nicht beigefügt werden durfte. Die fehlende Mitwirkung
des Vorstands der Gemeindevertretung hat zur Folge, dass der Angeklagte
die Gemeinde nicht wirksam im Außenverhältnis binden konnte. Dies führt
zum Ausschluss des Missbrauchstatbestandes (Lenckner/Perron in Schön-
ke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 17).
b) Auch auf der Grundlage des Treubruchstatbestandes des § 266
Abs. 1 StGB kann die Verurteilung wegen Untreue nicht aufrechterhalten
bleiben. Einen derart alternativ begründeten Schuldspruch tragen die Fest-
stellungen bei der offensichtlichen Unwirksamkeit der Verträge vor dem Hin-
tergrund der Straflosigkeit versuchter Untreue sowie eines jedenfalls geringe-
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ren Schuldumfangs und eines fehlenden Beleges eines hierauf bezogenen
Vorsatzes für sich nicht ohne weiteres.
Zwar stand der Angeklagte als Bürgermeister gegenüber der Stadt
Eberswalde in einem Treueverhältnis (vgl. allgemein BGH GA 1956, 121 f.;
BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 34). Als Leiter der
Gemeindeverwaltung (§ 61 Abs. 1 Satz 1 GO) hatte der Angeklagte für eine
sparsame und wirtschaftliche Führung der Haushaltswirtschaft (§ 74
Abs. 2 GO) und dafür Sorge zu tragen, dass die Gemeinde Abgaben nach
den gesetzlichen Vorschriften erhebt (§ 75 Abs. 1 GO). Die Feststellungen
belegen aber nicht die vom Landgericht zugrunde gelegten Vermögens-
nachteile der Stadt, die durch die vom Angeklagten geschlossenen Verträge
wegen deren Unwirksamkeit unmittelbar keine Ansprüche einbüßte (vgl.
auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46).
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aa) Im Fall B. kommt als Vermögensnachteil hier auch
nicht die Herausgabe der Bürgschaft in Betracht. Zwar hat die Stadt Ebers-
walde eine ihr gestellte Sicherheit aufgegeben, was grundsätzlich eine Ver-
mögensminderung zur Folge haben kann (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1
Vermögensschaden 67). Indes ist nicht ersichtlich, dass der Stadt Eberswal-
de eine schadensgleiche konkrete Gefahr drohte, mit ihrer Forderung gegen
die vermögende Abgabenschuldnerin B. auszufallen. Der Senat
kann überdies dem zur Prüfung der öffentlichrechtlichen Rechtslage heran-
gezogenen Urteil des VG Frankfurt (Oder) entnehmen, dass der Anspruch
der Stadt schon seit dem 31. Mai 2001 durch Aufrechnung erloschen ist.
bb) Die Vertragsabschlüsse durch den Angeklagten begründen auch
deshalb keinen Nachteil im Sinne des § 266 StGB, weil die bisherigen Fest-
stellungen nicht ausreichend belegen, dass die Durchsetzung der Ablösezah-
lungen, wenn schon nicht verhindert, so doch erheblich erschwert worden
wäre. Anders als etwa in den Fällen unordentlicher Buchführung, in denen
eine Untreue durch eine mangelhafte Dokumentation dann eintreten kann,
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wenn die Realisierung von Forderungen nachhaltig und konkret erschwert ist
(vgl. dazu BGHSt 47, 8, 11; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreu-
ungspflicht 24, Nachteil 12), liegt eine vergleichbare Situation bei der hier
gegebenen Sachlage nicht vor. Hier hätten Dritte lediglich beurteilen müssen,
ob die vom Angeklagten abgeschlossenen, der Stadtverwaltung aber be-
kannten Verträge rechtswirksam sind. Die Unwirksamkeit der von dem Ange-
klagten abgeschlossenen Verträge drängte sich aber schon wegen des leicht
zu erkennenden Fehlens der zweiten Unterschrift so stark auf, dass vor dem
Hintergrund der den Mitarbeitern der Stadtverwaltung obliegenden Pflicht zur
Einhaltung der Gesetze, die nach § 75 Abs. 1 GO eine Geltendmachung der
scheinbar erlassenen Beträge verlangte, eine ernstliche Gefährdung der An-
sprüche insoweit auszuschließen ist.
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cc) Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom
7. November 2006 einen Vermögensnachteil darin erblickt, dass vom Ange-
klagten vereitelte Haushaltseinnahmen zu einer schwerwiegenden Beein-
trächtigung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers der Stadt
Eberswalde (im Anschluss an BGHSt 43, 381, 399 und BGHR StGB § 266
Abs. 1 Nachteil 54) geführt haben und er durch den gemäß § 52 Abs. 8 LBO
für den Bau von Stellplätzen vorgegebenen Mittelaufwand in seinen politi-
schen Gestaltungsmöglichkeiten beschnitten worden ist, vermag dem der
Senat nicht zu folgen. Das sich aus § 52 Abs. 8 LBO ergebende Gebot, die
Stellplatzablösebeträge zum Bau von Stellplätzen oder für den öffentlichen
Nahverkehr zu verwenden, ist nicht sofort nach Festsetzung und Eingang der
Ablösebeträge zu erfüllen. Vielmehr sind die eingegangenen oder beigetrie-
benen Stellplatzablösebeträge in einer Sonderrücklage anzusammeln (vgl.
Semtner in Reimus/Semtner/Langer, Die neue Brandenburgische Bauord-
nung § 52 Rdn. 16 m.w.N.). Die Ausgabe dieser Mittel unterliegt demgemäß
der sinnvollen Disposition im Rahmen der längerfristig zu verwirklichenden
Stadtentwicklung. Ein vorübergehender Ausfall eines Teils der für den Stell-
platzbau oder die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs bestimmten Mittel
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nötigte deshalb grundsätzlich nicht zu Kreditaufnahmen oder Umschichtun-
gen der Finanzmittel der Stadt.
Dabei liegt ein Sonderfall eines Bedürfnisses für einen kurzfristig
notwendigen Bau von öffentlichen Stellplätzen nicht vor. Solche waren sogar
über den Bedarf hinaus in der Innenstadt von Eberswalde vorhanden. Das
von der W. errichtete Parkhaus war nämlich nur zu 27 % ausgelas-
tet.
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dd) Die Feststellungen belegen demnach – ausgehend von der sich
auch im Fall W. aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe erge-
benden Werthaltigkeit des Anspruchs der Stadt gegen diesen Investor – al-
lenfalls einen gewissen, zudem nicht näher bestimmbaren Zinsverlust als
Vermögensnachteil (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 51). Allein dies
kann aber die Aufrechterhaltung der Schuldsprüche – jenseits der vom
Landgericht in dem nicht mit einer Bestechlichkeit verbundenen Fall W.
unzureichend erörterten Vorsatzproblematik (vgl. BGHSt 46, 30, 35;
47, 148, 157; 48, 331, 347 ff.) – nicht rechtfertigen. Dem neuen Tatrichter ist
Gelegenheit zu geben, zu erwägen, ob gegen den nicht vorbestraften Ange-
klagten das Verfahren wegen der Tatvorwürfe der Untreue gemäß §§ 154,
154a StPO erledigt werden kann. Solche Überlegungen waren dem Landge-
richt wegen seines anderen Ansatzes zur Wirksamkeit der vom Angeklagten
abgeschlossenen Verträge versagt.
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3. Die Revision bleibt hingegen erfolglos im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO, soweit sie sich gegen den – zentralen – Schuldspruch wegen Bestech-
lichkeit richtet. Der Senat hat dabei in seine Überprüfung wegen der Ver-
schränkung der Beweisführung sämtliche Verfahrensrügen in seine Würdi-
gung einbezogen und bemerkt lediglich zum geltend gemachten Verstoß ge-
gen § 244 Abs. 6 StPO durch Nichtverbescheidung des Antrags auf Verneh-
mung des Zeugen K. :
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verteidiger unter den Gege-
benheiten des vorliegenden Falles – über die Senatsentscheidung BGHR
StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 42 hinaus – verpflichtet gewesen wäre, be-
reits am 11. Verhandlungstag dem Missverständnis des Gerichts, auch der
Antrag auf Vernehmung des Zeugen K. sei verbeschieden, entgegenzu-
treten. Insbesondere kann offen bleiben, ob nach einem mit zahlreichen An-
trägen vom Verteidiger bewirkten Wiedereintritt in die Beweisaufnahme am
12. Verhandlungstag eine gesteigerte Hinweispflicht gegenüber dem an die-
sem Tag wiederholt verlautbarten Missverständnis des Gerichts über die
Verbescheidung des Antrags jedenfalls deshalb anzunehmen gewesen wäre,
weil der Verteidiger zu diesem Zeitpunkt über den Stand der Beweisaufnah-
me wegen der mit der Stellung der weiteren Anträge notwendig verbundenen
Überprüfung der Antragslage besser informiert gewesen ist als zum Zeit-
punkt der ersten Feststellung, dass alle Anträge verbeschieden seien.
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Der Senat schließt vorliegend im Blick auf die Allgemeinheit der den
Inhalt politischer Erörterungen betreffender Beweisthemen und den Ausfüh-
rungen des Landgerichts dazu (UA S. 10 f., 13, 25, 27) das Beruhen des Ur-
teils auf dem Rechtsfehler aus. In der Sache hat das Landgericht – wie in der
dienstlichen Erklärung der Strafkammervorsitzenden dargelegt – die Behaup-
tungen als bereits bewiesen betrachtet.
4. Der Strafausspruch und die Nebenentscheidungen können nicht
aufrecht erhalten bleiben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich bei
der Bemessung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für
die Bestechlichkeit die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe
durch Vornahme einer pflichtwidrigen wirksamen Diensthandlung der Stadt
einen erheblichen Vermögensnachteil zugefügt, zulasten des Angeklagten
ausgewirkt hat. Das gleiche gilt für die gemäß § 358 StGB erfolgte Festset-
zung der Aberkennung der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden. Auch
die Verfallsanordnung hat keinen Bestand. Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB
kommt vorliegend in Betracht, dass ein Teil des Bestechungslohns in Höhe
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des der Stadt entstandenen Schadens dieser nach § 823 Abs. 2 BGB in Ver-
bindung mit § 266 StGB zusteht (vgl. BGHR StGB § 73 Verletzter 4).
5. Im erkannten Umfang bedarf die Sache deshalb neuer Aufklärung
und Bewertung. Der Senat hat das Verfahren an eine allgemeine Strafkam-
mer des Landgerichts Frankfurt (Oder) gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurück-
verwiesen. Dieses Gericht ist als Tatort- und Wohnsitzgericht zuständig (§ 7
Abs. 1, § 8 Abs. 1 StPO). Nach einer ersten Anklageerhebung am 29. Janu-
ar 2003 hat das Landgericht Potsdam am 16. Mai 2003 zurecht seine örtliche
Zuständigkeit verneint. Auf die am 17. Juli 2003 zutreffend bei der allgemei-
nen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) erhobene Anklage hat
die 2. große Strafkammer dieses Gerichts mit Beschluss vom 15. Septem-
ber 2003 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Das Brandenburgi-
sche Oberlandesgericht hat schließlich am 21. April 2005 das Hauptverfah-
ren vor dem bisher erkennenden Gericht eröffnet, das nach Nichtannahme
einer Verfassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesverfassungsge-
richts vom 15. September 2005 am 18. Oktober 2005 mit der Hauptverhand-
lung begonnen hat.
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Der neue Tatrichter wird den hier dargestellten Verfahrensgang im
Rahmen der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen haben,
ob die in Anspruch genommenen Bearbeitungszeiten bis zur Anklageerhe-
bung, für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit und das Beschwerdeverfah-
ren nach Nichteröffnung des Hauptverfahrens vor dem Hintergrund der Ge-
samtverfahrensdauer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung be-
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gründen können (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13,
17; BGH NStZ-RR 2006, 177, 178).
Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger