Urteil des BGH vom 10.12.2004

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechtliches gehör, zpo, telefax, frist, sache, begründung, eigentum, bestand, stand)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 42/05
vom
19. September 2006
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen sowie die
Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
23. März 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
7.500 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um das Eigentum an einem Kraftfahrzeug der Marke
D. . Die vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung,
dass er gutgläubig Eigentum an dem Pkw erworben habe, hat das Landgericht
mit Urteil vom 10.
Dezember 2004 abgewiesen. Gegen das ihm am
15. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Prozessbe-
vollmächtigten am Montag, dem 17. Januar 2005, Berufung eingelegt und diese
mit einem weiteren Schriftsatz mit Datum vom 15. Februar 2005 begründet, der
beim Berufungsgericht am 17. Februar 2005 eingegangen ist. Das Berufungs-
gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 21. Februar 2005 darauf hingewie-
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sen, dass gegen die Zulässigkeit der Berufung Bedenken bestünden, da die
Berufung nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet wor-
den sei. Mit Beschluss vom 23. März 2005 hat das Berufungsgericht die Beru-
fung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils bei Ge-
richt eingegangen sei. Dagegen wendet der Kläger sich mit seiner Rechtsbe-
schwerde.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zuläs-
sig. Der Kläger trägt vor, er habe die Berufung bereits innerhalb der Frist des
§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch ein Telefax vom 15. Februar 2005, welches
dem Gericht auch zugegangen sei, begründet. Die Nichtberücksichtigung eines
ordnungsgemäß eingegangenen Schriftsatzes verstößt gegen Art. 103 Abs. 1
GG; auf ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an (BVerfGE 62,
347, 352). Nach dem Vortrag des Klägers verletzt ihn demnach die angefochte-
ne Entscheidung in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf
rechtliches Gehör, so dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Nach dem Vorbringen des
Klägers ist nicht auszuschließen, dass seine Berufungsbegründungsschrift be-
reits am 15. Februar 2005, das heißt rechtzeitig im Sinne von § 520 Abs. 2
Satz 1 ZPO, per Telefax bei Gericht eingegangen ist. Das Berufungsgericht
konnte dies bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen, weil weder ein sol-
ches Telefax noch ein Schriftsatz des Klägers vom 24. Februar 2005, mit dem
er nach seinem Vortrag vor der Verwerfung der Berufung auf das Faxschreiben
hingewiesen hat, zu den Akten gelangt sind. Nachdem jedoch der Kläger mit
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seiner Rechtsbeschwerde einen Sachverhalt dargelegt hat, aufgrund dessen
seine Berufungsbegründung als fristgerecht zu beurteilen wäre, kann die Ent-
scheidung des Berufungsgerichts mit der gegebenen Begründung keinen Be-
stand haben. Für die Feststellung, ob der Kläger die Berufungsbegründungs-
schrift rechtzeitig beim Oberlandesgericht eingereicht hat, wie er behauptet,
bedarf es weiterer tatsächlicher Aufklärung; die Sache ist deshalb zur erneuten
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1
ZPO).
Auf Wiedereinsetzungsgründe, die der Kläger mit einem nach der Verwer-
fung seiner Berufung beim Oberlandesgericht gestellten Antrag auf Wiederein-
setzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung
der Berufung geltend gemacht hat, kann die Rechtsbeschwerde gegen den
Verwerfungsbeschluss nicht mit Erfolg gestützt werden, weil das Berufungsge-
richt über das Wiedereinsetzungsgesuch noch nicht entschieden hat (BGH, Be-
schluss vom 12. Dezember 2000 - X ZB 17/00, BGHReport 2001, 263 (nur Leit-
satz) unter II 2 b m.w.Nachw.; Senat, Beschluss vom 7. April 1982 - VIII ZB
11/82, VersR 1982, 673). Dies wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nach-
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zuholen haben, wenn sich nicht feststellen lassen sollte, dass der Kläger die
Berufungsbegründungsfrist gewahrt hat.
Ball
Wiechers
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Limburg, Entscheidung vom 10.12.2004 - 1 O 51/04 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 23.03.2005 - 8 U 15/05 -