Urteil des BGH vom 23.01.1964

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 267/05
Verkündet
am:
18. Juli 2007
Ermel
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 89 b Abs. 3 Nr. 2
a) Für den Ausschlusstatbestand des § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ist ein eigenes
Verschulden des Handelsvertreters erforderlich; das Fehlverhalten einer
Hilfsperson ist dem Handelsvertreter insoweit - anders als im Rahmen der
Vorschrift des § 89a Abs. 1 HGB - nicht nach § 278 BGB zuzurechnen (im
Anschluss an BGHZ 29, 275).
b) Der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen nicht geeignet ist,
den Ausgleichsanspruch auszuschließen, greift ausnahmsweise dann nicht
ein, wenn ein Dritter, der nicht Vertragspartner ist, nach dem übereinstim-
menden Willen der Beteiligten ausschließlich als Handelsvertreter für den
Unternehmer tätig sein soll; in einem solchen Fall kann sich der Handels-
vertreter nicht darauf berufen, dass der Dritte nur sein Erfüllungsgehilfe ge-
wesen sei (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Januar 1964 - VII ZR
162/62, VersR 1964, 428).
BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 267/05 - OLG Koblenz
LG Mainz
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18.
Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. November 2005 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin ge-
gen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom
22. April 2005 insoweit zurückgewiesen worden ist, als das Land-
gericht die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Handelsvertreter-
ausgleich (45.653,20 €) abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
und des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte, soweit im Revisionsverfahren noch von
Interesse, auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich in Anspruch. Sie klagt
aus abgetretenem Recht des Zedenten J. S. . Dessen Vater, der
am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Drittwiderbeklagte G. S.
, war seit dem 9. Januar 2000 für die Beklagte, die unter anderem Frischhal-
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tesysteme aus Korea vertreibt, als Handelsvertreter tätig. Zum 1. September
2000 trat J. S. anstelle seines Vaters in den Vertrag ein. Mit
Schreiben vom 10. September 2002 kündigte die Beklagte das Handelsvertre-
terverhältnis fristlos.
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Die Klägerin hat rückständige Provisionsansprüche, Schadensersatz we-
gen der ihrer Auffassung nach unberechtigten Kündigung des Handelsvertreter-
vertrages sowie Handelsvertreterausgleich geltend gemacht. Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandes-
gericht der Klage hinsichtlich der Provisionsansprüche unter Zurückweisung
des Rechtsmittels im Übrigen teilweise stattgegeben und hinsichtlich der gel-
tend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz (7.910,70 €) und Handelsver-
treterausgleich (45.653,20 €) den Rechtsstreit an das Landgericht zurückver-
wiesen. Das Landgericht hat die Klage insoweit erneut abgewiesen; ebenso hat
es eine gegen den Drittwiderbeklagten G. S. nunmehr erhobene
Widerklage der Beklagten abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien gegen
dieses Urteil haben keinen Erfolg gehabt. Der Senat hat die Nichtzulassungs-
beschwerde der Klägerin hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatz-
anspruchs zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat im Übrigen zugelassenen Re-
vision verfolgt die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Han-
delsvertreterausgleich weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Ausgleichsanspruch nach
§ 89b HGB bestehe nicht. Ein solcher Anspruch sei nach § 89b Abs. 3 Nr. 2
HGB ausgeschlossen, wenn - wie hier - der Unternehmer das Vertragsverhält-
nis gekündigt habe und hierfür ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhal-
tens des Handelsvertreters vorgelegen habe. Die außerordentliche Kündigung
gegenüber dem Handelsvertreter J. S. sei gerechtfertigt gewesen,
weil dessen Vater, G. S. , Dritten gegenüber geschäftsschädigen-
de Äußerungen über das Unternehmen der Beklagten abgegeben habe. Diese
Äußerungen müsse sich der Vertragspartner der Beklagten nach dem Rechts-
gedanken des § 278 BGB zurechnen lassen, weil er sich bei der Erfüllung des
Handelsvertretervertrages der Mithilfe seines Vaters bedient habe.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klä-
gerin kann der an sie abgetretene Anspruch des Zedenten J. S.
auf Handelsvertreterausgleich (§ 89b HGB) mit der vom Berufungsgericht ge-
gebenen Begründung nicht versagt werden. Aus den bisherigen Feststellungen
des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Voraussetzungen für einen
Ausschluss des Anspruchs nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB vorliegen.
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1. Allerdings hat das Berufungsgericht aufgrund seiner rechtsfehlerfrei
getroffenen Tatsachenfeststellungen zutreffend angenommen, dass die außer-
ordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages nach § 89a Abs. 1 HGB
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gerechtfertigt war, weil dem Handelsvertreter J. S. die geschäfts-
schädigenden Äußerungen seines Vaters G. S. im Rahmen der
Vorschrift des § 89a Abs. 1 HGB nach § 278 BGB zuzurechnen sind. Dass dem
Handelsvertreter, soweit es um die Berechtigung des Unternehmers zur außer-
ordentlichen Kündigung geht, das Verhalten von Hilfspersonen nach dem
Rechtsgedanken des § 278 BGB zuzurechnen ist, ergibt sich aus der Bestim-
mung in § 89a Abs. 2 HGB, die darauf abstellt, ob die Kündigung durch ein
Verhalten des Handelsvertreters veranlasst wurde, das dieser zu vertreten hat
(BGHZ 29, 275, 278).
2. Zum Verlust des Ausgleichsanspruchs führt eine vom Unternehmer
aus wichtigem Grund ausgesprochene Kündigung aber nur dann, wenn für die
Kündigung ein wichtiger Grund wegen eines schuldhaften Verhaltens des Han-
delsvertreters vorlag (§ 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Das Berufungsgericht hat inso-
weit verkannt, dass hierfür ein eigenes Verschulden des Handelsvertreters er-
forderlich ist. Das Fehlverhalten einer Hilfsperson ist dem Handelsvertreter, so-
weit es um den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs. 3 Nr. 2
HGB geht, nicht nach § 278 BGB zuzurechnen; die Vorschrift des § 278 BGB
findet insoweit keine Anwendung (BGHZ aaO; MünchKommHGB/v. Hoyningen-
Huene, 2. Aufl., § 89b Rdnr. 180; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 89b
Rdnr. 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 89b Rdnr. 67 m.w.N.). Ein
persönliches Verschulden des Handelsvertreters hat das Berufungsgericht nicht
festgestellt, so dass ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs nach § 89b
Abs. 3 Nr. 2 HGB unter diesem Gesichtspunkt nicht eingreift.
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Der Grundsatz, dass ein Verschulden von Hilfspersonen eines Handels-
vertreters nicht geeignet ist, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, greift
allerdings ausnahmsweise dann nicht ein, wenn ein Dritter, der nicht Vertrags-
partner ist, nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten ausschließlich
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als Handelsvertreter für den Unternehmer tätig sein soll; in einem solchen Fall
kann sich der Handelsvertreter nicht darauf berufen, dass der Dritte nur sein
Erfüllungsgehilfe gewesen sei (BGH, Urteil vom 23. Januar 1964 - VII ZR
162/62, VersR 1964, 428, unter II; MünchKommHGB/v.Hoyningen-Huene, aaO;
Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, aaO m.w.N.).
Feststellungen zum Vorbringen der Beklagten, dass J. S.
nur "pro forma" als Handelsvertreter habe auftreten sollen, die Handelsvertre-
tertätigkeit tatsächlich aber im allseitigen Einverständnis weiterhin ausschließ-
lich von seinem Vater ausgeübt worden sei, hat das Berufungsgericht nicht ge-
troffen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt der Ausgleichsanspruch nach
den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausgeschlossen ist.
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III.
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Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht entscheidungsreif
ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr.
Frellesen
Hermanns
Dr.
Milger
Dr.
Hessel
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 22.04.2005 - 5 O 248/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2005 - 6 U 623/05 -