Urteil des BGH vom 14.12.2005

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, berufungsschrift, telefax, stand, berufungsfrist, bezirk, wiedereinsetzung, original, beklagter, antrag)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 161/03
vom
14. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2005 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, die Richterin
Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss
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Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom
24. Juni 2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskosten-
hilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung
keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Beschwerdewert: 140.480,79 €.
Gründe:
I.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 7. März 2003 zugestellte Urteil des
Landgerichts mit Schriftsatz seines Anwalts vom 7. April 2003, der am gleichen
Tag per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt.
Dieser Schriftsatz lautet:
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"In Sachen W. G. gegen H. G. wegen Miet-
zins LG Dresden AZ: 3 O 0623/01
wird hiermit namens und im Auftrag des Beklagten/Berufungsklägers ge-
gen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.2.2003, zugestellt am
7.3.2003, Berufung eingelegt. Beglaubigte Kopie des Urteils des Landge-
richts Dresden wird in der Anlage beigefügt.…"
Das angefochtene Urteil wurde nicht übermittelt.
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Am 9. April 2003 ging das Original der Berufungsschrift mit der Abschrift
des angefochtenen Urteils beim Oberlandesgericht ein.
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Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurück-
gewiesen und die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dage-
gen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit
§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
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1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen für eine
wirksame Berufungsschrift lägen nicht vor, weil sich ihr nicht entnehmen lasse,
welche der dort genannten Parteien Beklagter und damit Berufungsführer ge-
wesen sei, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Danach gehört zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift die Angabe, für
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wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird (BGH Beschlüsse vom
11. November 2003 - VIII ZB 89/03 - juris; vom 15. Juli 1999 - IX ZB 45/99 -
NJW 1999, 3124 m.w.N.).
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Wird in der Berufungsschrift nur erklärt, dass für den "Beklagten" Beru-
fung eingelegt werde, aber nicht gesagt, wer von den namentlich benannten
Parteien Beklagter ist, kann die beim Rechtsmittelgericht eingereichte Beru-
fungsschrift jedenfalls keiner der Parteien zugeordnet werden. Die Reihenfolge
der Namen im Eingang der Berufungsschrift lässt hinreichend sichere Schlüsse
nur dann zu, wenn es im Bezirk des Berufungsgerichts allgemein üblich ist, im
Eingang von Schriftsätzen und Entscheidungen in allen Instanzen den Kläger
stets an erster Stelle und den Beklagten erst an zweiter Stelle zu nennen,
gleichviel wie die Parteirollen in der Rechtsmittelinstanz sind. Das Berufungsge-
richt hat eine derartige allgemeine Übung für den dortigen Bezirk nicht festge-
stellt.
Die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers konnte
auch nicht auf sonstige Weise gewonnen werden. Das angefochtene Urteil war
am 7. April 2003 nicht per Telefax mit der Berufungsschrift übermittelt worden,
sondern ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist, am 9. April 2003, mit dem Ori-
ginal der Berufungsschrift beim Oberlandesgericht eingegangen.
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2. Auch die Abweisung des Antrags des Beklagten auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wegen Ver-
schuldens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten hält der rechtlichen Ü-
berprüfung im Ergebnis stand.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung des Berufungsgerichts
zu folgen ist, die Vergewisserung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten
bei seiner Büroangestellten, dass der Telefaxsendung auch die Urteilsabschrift
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beigefügt werde, enthalte keine ausdrückliche Weisung, die Urteilsabschrift bei-
zufügen.
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Denn, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, trifft den Pro-
zessbevollmächtigten des Beklagten ein Organisationsverschulden jedenfalls
deshalb, weil er nicht dargetan hat, dass in seinem Büro die allgemeine Anwei-
sung bestanden habe, bei Übersendung von Fristsachen per Telefax im Rah-
men der Ausgangskontrolle die Frist im Fristenkalender erst nach Kontrolle des
Sendeberichtes zu löschen. Die - unterstellte - Einzelanweisung, die Übermitt-
lung der Berufungsschrift und des angefochtenen Urteils per Telefax zu veran-
lassen, macht die ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (BGH
Beschluss vom 3. Mai 2005 - XI ZB 41/04 - juris). Diese erfordert bei Übersen-
dung fristwahrender Schriftsätze per Telefax eine Vorsorge für Störfälle. Es
muss deshalb organisatorisch gesichert sein, dass das Büropersonal einen Ein-
zelnachweis über den Sendevorgang ausdruckt, der vor dem Erledigungsver-
merk im Fristenkalender die ordnungsgemäße vollständige Übermittlung an-
zeigt und auf etwaige Übermittlungsfehler überprüft wird (Senatsbeschluss vom
12. April 1995 - XII ZB 38/95 - FamRZ 1995, 1135, 1136; BGH Beschlüsse vom
23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367, 368, vom 28. Februar 2002
- VII ZB 28/01 - NJW-RR 2002, 999, vom 8. März 2001 - V ZB 5/01 - NJW-RR
2001, 1072).
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Dann hätte im vorliegenden Fall die Büroangestellte anhand des Sende-
berichts bemerkt, dass sie lediglich die zwei Seiten umfassende Berufungs-
schrift und nicht auch das 14 Seiten umfassende Urteil des Landgerichts über-
sandt hatte.
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Hahne
Sprick
Fuchs
Vézina
RiBGH Dose ist urlaubsbedingt
verhindert zu unterschreiben.
Hahne
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 28.02.2003 - 3 O 623/01 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 24.06.2003 - 5 U 620/03 -