Urteil des BGH vom 08.01.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 386/11
Verkündet am:
8. Januar 2013
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 823 Abs. 2 Be; StGB § 264a Abs. 1 Nr. 1
Zu den Voraussetzungen der Haftung wegen Kapitalanlagebetrugs nach § 823
Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
BGH, Urteil vom 8. Januar 2013 - VI ZR 386/11 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 5. Zivilse-
nats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juli 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verfolgen Schadensersatzansprüche aufgrund des Erwerbs
von Inhaber-Teilschuldverschreibungen der W. AG, eines Wohnungsbauunter-
nehmens, über dessen Vermögen am 1. September 2006 das Insolvenzverfah-
ren eröffnet worden ist.
Der Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagter) war unter der Firma J.S.
e.K. zu 73 % Mehrheitsaktionär der W. AG und auf der Grundlage eines Ge-
winnabführungs- und Beherrschungsvertrags herrschender Unternehmer. Auf-
grund von Einzelweisungen des Beklagten im Rahmen des Liquiditätsmanage-
ments für den Konzern erfolgten hohe Einzelzahlungen von der W. AG an den
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Beklagten, über dessen Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
beantragt wurde.
In den Jahren 1999 bis 2006 legte die W. AG verschiedene Inhaber-
Teilschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung auf. Eine solche Inhaber-
Teilschuldverschreibung mit einer Laufzeit von fünf Jahren bei 6,75 % Jahres-
zinsen wurde mit einem im Oktober 2003 veröffentlichten Verkaufsprospekt "Ein
Meisterstück" beworben. Der Prospekt wies unter anderem auf den Gewinnab-
führungs- und Beherrschungsvertrag mit dem Beklagten als Einzelkaufmann
sowie auf das Risiko eines Totalverlusts der Anlage im Fall der Insolvenz der
Gesellschaft hin. Die finanzielle Lage des Beklagten beziehungsweise des Kon-
zerns wurde im Prospekt nicht dargestellt.
Die Kläger verlangen von dem Beklagten Ersatz von insgesamt 42.500
jeweils Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren
über das Vermögen der W. AG. Sie tragen vor, im Jahre 2004 auf der Grundla-
ge des Prospekts Inhaber-Teilschuldverschreibungen der W. AG erworben und
entsprechende Rückzahlungsansprüche in der Insolvenz der W. AG unter Her-
ausgabe der Wertpapiere an den Insolvenzverwalter angemeldet zu haben.
Die gegen den Beklagten gerichtete Klage ist vom Landgericht abgewie-
sen worden; das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung der Kläger stattge-
geben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Be-
klagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist (OLG Frank-
furt am Main, Urteil vom 8. Juli 2011 - 5 U 122/10), meint, die Klage sei zuläs-
sig. Die Kläger seien aus eigenem Recht klagebefugt; weder § 309 Abs. 4
Satz 3 AktG noch § 93 InsO seien vorliegend anwendbar.
In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage gegen den Beklagten
aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB für begrün-
det gehalten. Die Kläger seien durch den Prospekt unrichtig und unvollständig
informiert worden. Die darin erteilten Risikohinweise hätten nicht genügt, weil
sie das im Konzern bestehende besondere Risiko nicht in verständlicher Weise
offengelegt hätten, das sich aus dem Gewinnabführungs- und Beherrschungs-
vertrag mit dem Beklagten ergeben habe. Ein besonderes Risiko für die Rück-
zahlung der Anleihe habe sich daraus ergeben, dass durch den Beherr-
schungsvertrag der W. AG gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG Liquidität und
Vermögen habe entzogen werden können und die Rückzahlung der Anleihe
von der im Prospekt nicht dargelegten Fähigkeit des Beklagten abhängen wür-
de, die am Stichtag des jeweiligen fälligen Jahresabschlusses bestehenden
Fehlbeträge gemäß § 302 Abs. 1 AktG auszugleichen. Dem zwar aufmerksa-
men, nicht aber fachlich gebildeten Anleger hätten die rechtlichen und wirt-
schaftlichen Auswirkungen des Beherrschungsvertrags nicht geläufig sein müs-
sen.
Der Beklagte habe täterschaftlich gehandelt, denn er habe den Prospekt
veranlasst, der mit seiner Kenntnis in Verkehr gebracht worden sei. Sein Vor-
satz folge aus seinem Wissen um den Inhalt des Prospekts, wie er sich für ihn
aus seiner Befassung mit der Prospektkonzipierung ergebe; ferner sei ihm die
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Besonderheit der auf ihn ausgerichteten Konzernbildung und die sich aus der
Beherrschung ergebenden Auswirkungen für die Vermögenslage der W. AG
bekannt gewesen. Der Beklagte habe erkennen müssen und deshalb auch da-
mit gerechnet, dass die Anleger das Konstrukt nicht durchschauen und zutref-
fend im Hinblick auf ihre Anlageentscheidung einschätzen würden. Zudem habe
er eine Fehlinformation der Anleger gebilligt, was sich der den Eindruck von
Sicherheit vermittelnden Prospektgestaltung und der gezielten Ansprache von
Kleinanlegern durch Handzettel und Postwurfsendungen entnehmen lasse. Ein
etwaiger Subsumtionsirrtum führe mangels Unvermeidbarkeit nicht zum Aus-
schluss der Schuld gemäß § 17 StGB, weil der Beklagte sich hinsichtlich des
Prospekts durch einen Wirtschaftsprüfer hätte beraten lassen müssen.
Der Schaden der Kläger liege in der Wertminderung ihrer Rückzahlungs-
ansprüche aufgrund der Insolvenz der W. AG. Die Ursächlichkeit der Schutzge-
setzverletzung für den Schaden folge aus einem Anscheinsbeweis, weil sich
eine typische Gefahr verwirklicht habe. Auch ohne Vorlage eines Belegs für die
Einlieferung der Papiere bei dem Insolvenzverwalter bestehe die Überzeugung,
dass die Kläger diese nicht vor der Insolvenz der W. AG anderweitig veräußert
hätten.
II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprü-
fung nicht stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass
weder § 309 Abs. 4 Satz 3 AktG noch § 93 InsO in entsprechender Anwendung
einem Erfolg der Klage entgegenstehen. Die Auffassung der Revision, die Kla-
gebefugnis hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche sei auf den Insol-
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venzverwalter nach § 309 Abs. 4 Satz 5 AktG übergegangen, lässt außer Be-
tracht, dass es hier nicht um Ansprüche der W. AG gegen den Beklagten aus
einem Missbrauch der Beherrschungsmacht geht, sondern um davon wesens-
verschiedene eigene Ansprüche wegen der Verantwortlichkeit des Beklagten
für den Prospekt "Ein Meisterstück" (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2012
- XI ZR 344/11, WM 2012, 2147 Rn. 17).
2. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann je-
doch ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht bejaht werden.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 264a
StGB Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. Senat, Beschluss
vom 2. Februar 2010 - VI ZR 254/08, juris Rn. 2; Urteil vom 20. Dezember 2011
- VI ZR 309/10, VersR 2012, 454 Rn. 7 f.; BGH, Urteil vom 1. März 2010 - II ZR
213/08, VersR 2010, 1333 Rn. 23 f. mwN). Nach § 264a StGB macht sich straf-
bar, wer im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren in Prospekten
hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb erheblichen Umstände
gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben
macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt.
b) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen be-
reits nicht die Beurteilung, dass der Beklagte den objektiven Tatbestand des
§ 264a Abs. 1 StGB erfüllt hat.
aa) Bei der Auslegung des § 264a StGB ist zu berücksichtigen, dass
Art. 103 Abs. 2 GG eine Begründung von Straftatbeständen im Wege der Ana-
logie verbietet, weswegen der aus der Sicht des Bürgers zu bestimmende
Wortsinn die Grenze jeder Auslegung bildet (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1726
Rn. 17). Deshalb sind die vom Berufungsgericht zur Auslegung hinsichtlich der
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Anforderungen an die Risikodarstellung in dem Prospekt herangezogenen, er-
heblich weiter gefassten Normen des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes
und der ohnehin erst am 1. Juli 2005 - mithin nach Veröffentlichung des streit-
gegenständlichen Prospekts - in Kraft getretenen Verordnung über Vermögens-
anlagen-Verkaufsprospekte (Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung
- VermVerkProspV) vom 16. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3464) im Rahmen des
§ 264a StGB als Auslegungshilfe nur insoweit von Bedeutung, als die dort ver-
langten Prospektangaben als erheblich im Sinne des § 264a StGB angesehen
werden (vgl. LK-StGB/Tiedemann/Vogel, 12. Aufl., § 264a Rn. 68; Joecks in
Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 10. Teil 1. Kap.
Rn. 65 ff.; Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht,
5. Aufl., § 27 Rn. 202 f.; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl.,
1. Kap. Rn. 79). Dasselbe gilt für die vom Berufungsgericht herangezogenen
IDW-Standards (vgl. Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck, aaO). Ein über
das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit hinausgehendes Kriterium für die
Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestands vermögen diese aber nicht zu bilden.
bb) Nach diesen Grundsätzen kann der objektive Tatbestand des § 264a
Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung
bejaht werden, in dem Prospekt hätten die sich aus dem mit dem Beklagten
geschlossenen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ergebenden Ri-
siken des Abzugs von Liquidität gemäß § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG und der Not-
wendigkeit des Ausgleichs des Jahresfehlbetrags gemäß § 302 Abs. 1 AktG in
verständlicher Weise offengelegt werden müssen.
(1) Das Berufungsgericht bezieht sich damit nicht auf das Vorhandensein
wahrheitswidriger Angaben über die Tatsache, dass ein Gewinnabführungs-
und Beherrschungsvertrag zwischen der W. AG und dem Beklagten bestand,
auf den im Prospekt ausdrücklich hingewiesen wird, sondern auf die Tatbe-
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standsalternative des Verschweigens nachteiliger Tatsachen, weil auf die dar-
aus folgenden Risiken nicht ausreichend hingewiesen worden sei (vgl. BT-
Drucks. 10/318, S. 24; NK-StGB/Hellmann, 3. Aufl., § 264a Rn. 35; Münch-
KommStGB/Wohlers, 2006, § 264a Rn. 34; Cramer/Perron in Schönke/Schrö-
der, StGB, 28. Aufl., § 264a Rn. 24; Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck,
aaO Rn. 205; Cerny, MDR 1987, 271, 276; Grotherr, DB 1986, 2584, 2588; a.A.
LK-StGB/Tiedemann/Vogel, aaO Rn. 80).
(2) Die Tatbestandsalternative des Verschweigens nachteiliger Tatsa-
chen ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil es sich bei den nach Auffassung
des Berufungsgerichts verschwiegenen Umständen - Befugnis des Beklagten
zu für die W. AG nachteiligen Weisungen (§ 308 Abs. 1 Satz 2 AktG) - nicht um
Tatsachen im Sinne des § 264a StGB, sondern um Rechtsfolgen des im Pros-
pekt erwähnten Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags handelt. Im
Rahmen des § 264a StGB gilt uneingeschränkt der Tatsachenbegriff des § 263
StGB (vgl. LK-StGB/Tiedemann/Vogel, aaO Rn. 86; Park/Park, Kapitalmarkt-
strafrecht, 3. Aufl., § 264a StGB Rn. 189; Cramer/Perron in Schönke/Schröder,
aaO Rn. 27; SK-StGB/Hoyer, § 264a Rn. 17 (Stand: September 2007); Joecks
in Achenbach/Ransiek, aaO Rn. 46). Nach allgemeiner Ansicht stellen reine
Rechtsausführungen ohne Behauptung anspruchsbegründender Umstände im
Rahmen des § 263 StGB keine Tatsachen, sondern Werturteile dar (vgl. BGH,
Urteil vom 12. November 1957 - 5 StR 447/57, JR 1958, 106; OLG Karlsruhe,
NStZ 1996, 282; JZ 2004, 101, 102; OLG Zweibrücken, JR 1989, 390, 391;
OLG Frankfurt am Main, NJW 1996, 2172, 2173; OLG Stuttgart, NJW 1979,
2573; OLG Koblenz, NJW 2001, 1364; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 11;
BeckOK von Heintschel-Heinegg/Beukelmann, StGB § 263 Rn. 6 (Stand: Sep-
tember 2012); LK-StGB/Tiedemann, aaO, § 263 Rn. 19; NK-StGB/Kindhäuser,
aaO, § 263 Rn. 89; MünchKommStGB/Hefendehl, aaO, § 263 Rn. 70; Cra-
mer/Perron in Schönke/Schröder, aaO, § 263 Rn. 9; SK-StGB/Hoyer, aaO,
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§ 263 Rn. 19 (Stand: Februar 2004)). Das Unterlassen eines Hinweises auf die-
rechtlichen Auswirkungen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags
erfüllt somit nicht die zweite Tatbestandsalternative des § 264a Abs. 1 Nr. 1
StGB, weil sich ein solches Verschweigen nicht auf Tatsachen bezieht.
(3) Soweit das Berufungsgericht außerdem einen Hinweis auf die wirt-
schaftlichen Auswirkungen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags
dahingehend für erforderlich hält, dass die Rückzahlung der Anleihe von der im
Prospekt nicht dargelegten Fähigkeit des Beklagten zum Verlustausgleich ab-
hänge, betrifft dies ebenfalls keine Tatsache im Sinne des § 263 StGB. Zwar
hätte als Folge unterbliebener Verlustausgleichszahlungen wegen fehlender
Bonität des Beklagten eine termingerechte Rückzahlung der Anleihe bei Fällig-
keit - im Streitfall fünf Jahre nach ihrem Erwerb durch die Kläger - in Frage ge-
stellt sein können. Diese Umstände betreffen aber die zukünftige Zahlungsfä-
higkeit der W. AG und/oder des Beklagten, die als in der Zukunft liegend keine
Tatsache im Sinne des § 263 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April
2007 - 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236, 237; OLG Stuttgart, NJW 1958,
1833; OLG Braunschweig, NJW 1959, 2175, 2176; Kühl in Lackner/Kühl, StGB,
27. Aufl., § 263 Rn. 4). Dass sich der Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Veröf-
fentlichung des Verkaufsprospekts in Zahlungsschwierigkeiten befunden und
deswegen die - gegenwärtige - Erwartung der künftigen Zahlungsfähigkeit in-
frage gestanden hätte, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu
entnehmen.
3. Ein Verschweigen von Tatsachen im Sinne der zweiten Tatbestandsal-
ternative des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt damit nach den bisher vom Beru-
fungsgericht getroffenen Feststellungen nicht vor, so dass mit der vom Beru-
fungsgericht gegebenen Begründung keine Haftung des Beklagten aus § 823
Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht werden kann.
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III.
Eine Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
§ 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte allerdings in Betracht kommen, wenn in dem
Prospekt im Hinblick auf die Ertragssituation und die Finanzlage der W. AG un-
richtige vorteilhafte Angaben gemacht oder nachteilige Tatsachen verschwie-
gen worden wären, die im Zusammenhang mit dem Gewinnabführungs- und
Beherrschungsvertrag mit dem Beklagten standen. Hierzu haben die Kläger
bereits in erster Instanz umfangreichen Sachvortrag gehalten und insbesondere
behauptet, an den Beklagten seien ab dem Jahr 2001 seitens der W. AG - un-
abhängig von deren Ertragssituation - aufgrund des Gewinnabführungs- und
Beherrschungsvertrags Zahlungen in Höhe von ca. 86 Millionen Euro geflossen.
Sollte das über Teilschuldverschreibungen der W. AG eingeworbene Kapital in
erheblichem Umfang anderen Zwecken außerhalb der Geschäftstätigkeit dieser
Gesellschaft zufließen, so wäre dies eine für die Anlageentscheidung erhebli-
che Tatsache gewesen, auf die im Prospekt hätte hingewiesen werden müssen.
Hiermit hat sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus mit Recht -
nicht auseinandergesetzt. Im Rahmen der neuen Verhandlung wird es Gele-
genheit haben, dies nachzuholen.
Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob ein Schadensersatzanspruch
aus § 826 BGB in Betracht kommt. Soweit die Revisionserwiderung allerdings
einen deliktischen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB aus dem Senats-
urteil vom 18. Dezember 2007 - VI ZR 231/06 (VersR 2008, 495 Rn. 15-17
- insoweit in BGHZ 175, 58 nicht abgedruckt) herleiten will, geht sie unzutref-
fend davon aus, die Kläger hätten ihrer Darlegungslast dadurch genügt, dass
sie in den Vorinstanzen eine ständig steigende Verschuldung der W. AG vorge-
tragen hätten. Dieses von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Se-
natsurteil behandelt Schadensersatzansprüche der Bundesagentur für Arbeit
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aus § 826 BGB wegen verspäteter Insolvenzantragstellung gegenüber dem
Geschäftsführer einer insolventen GmbH. Der Senat hat dort ausgeführt, dass
die Klägerin ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer Berechtigung des Vertrauens
auf Sanierungsbemühungen genüge, indem sie eine ständig ansteigende Ver-
schuldung der Gesellschaft vortrage. Die Argumentation der Revisionserwide-
rung greift indes schon deshalb nicht durch, weil der Beklagte im Streitfall kein
Organ der W. AG war und ihm deshalb nicht der Vorwurf einer Verletzung der
Insolvenzantragspflicht aus § 92 Abs. 2 AktG in der damals geltenden Fassung
des Art. 47 Nr. 4 EGInsO gemacht werden kann.
Galke
Zoll
Wellner
Diederichsen
Stöhr
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 12.03.2010 - 3-10 O 10/08 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 08.07.2011 - 5 U 122/10 -