Urteil des BGH vom 03.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 87/06
vom
3. Juli 2008
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
ZPO § 888 Abs. 3
Der titulierte Anspruch auf Nennung des Vaters des nichtehelichen Kindes ist in
der Regel auch vollstreckbar, weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die
Grundrechte der auskunftspflichtigen Kindesmutter nicht über das Maß hinaus
vertieft wird, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch
die (rechtskräftige) Verurteilung berührt sind.
BGH, Beschl. v. 3. Juli 2008 - I ZB 87/06 - OLG Jena
LG
Gera
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juli 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert,
Dr. Bergmann und Dr. Koch
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss des
9. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom
5. Oktober 2006 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des Land-
gerichts Gera vom 8. Mai 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die 3. Zivilkammer des
Landgerichts Gera zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Der Gläubiger erbrachte, nachdem er seine Vaterschaft mit Zustim-
mung der Schuldnerin urkundlich anerkannt hatte, als sogenannter Scheinvater
für den am 10. Oktober 1989 geborenen Sohn der Schuldnerin Unterhaltszah-
lungen. Es steht rechtskräftig fest, dass der Gläubiger nicht der Vater des Kin-
des ist.
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Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil des Landgerichts Gera vom 3. Au-
gust 2005 wurde die Schuldnerin verurteilt, dem Gläubiger den Namen des bio-
logischen Vaters des Kindes zu benennen. Auf Antrag des Gläubigers verhäng-
te das Landgericht Gera mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. November
2005 gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Auskunft ein Zwangsgeld in
Höhe von 1.000 €, ersatzweise für je 100 € einen Tag Zwangshaft. Das
Zwangsgeld konnte nicht beigetrieben werden. Am 17. Februar 2006 hat der
Gläubiger den Erlass eines Haftbefehls gegen die Schuldnerin beantragt. Dem
ist die Schuldnerin mit Schreiben vom 22. März 2006 entgegengetreten. Sie
macht unter Berufung auf Fehler im Rahmen des Vaterschaftsanfechtungsver-
fahrens geltend, dass der Gläubiger der Vater ihres Sohnes sei.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 8. Mai 2006 "klarstellend festge-
stellt", dass die Schuldnerin damit Auskunft erteilt habe und die Vollstreckung
aus dem Beschluss vom 10. November 2005 entfalle. Die dagegen gerichtete
sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht zurückgewie-
sen. Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen
Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen die Schuldnerin weiter. Diese war im
Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten.
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II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch
im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Gläubigers hat Erfolg. Sie führt
zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der
Sache an das Landgericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass die Schuldnerin zwar den
Auskunftsanspruch nicht erfüllt habe. Die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung
durch Erlass eines Haftbefehls sei aber deshalb unzulässig, weil eine derartige
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Vollstreckungsmaßnahme in verfassungswidriger Weise die Grundrechte der
Schuldnerin verletze. Ob ein titulierter Anspruch gegen die Kindesmutter auf
Benennung des biologischen Vaters im Wege des § 888 ZPO vollstreckt wer-
den könne, sei umstritten. Jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung bei ei-
nem vorangegangenen Versäumnisurteil sei - auch noch im Stadium nach Er-
lass eines rechtskräftigen Zwangsgeldbeschlusses - eine Grundrechtsabwä-
gung durchzuführen, bei der das Recht der Schuldnerin, keine Einzelheiten aus
ihrem Intimleben preisgeben zu müssen, grundsätzlich höher zu bewerten sei
als die reinen Vermögensinteressen des Gläubigers. Besondere Umstände,
unter denen der Schuldnerin ausnahmsweise ein Eingriff in ihr Persönlichkeits-
recht zuzumuten sei, seien nicht ersichtlich.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Der Beschluss des Landgerichts ist als Ablehnung des Antrags auf Er-
lass eines Haftbefehls auszulegen, die vom Beschwerdegericht bestätigt wor-
den ist.
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b) Der Erlass des Haftbefehls ist vom Gläubiger zum Zweck der Vollstre-
ckung der Verurteilung der Schuldnerin, ihm den Namen des biologischen Va-
ters des Kindes zu nennen, beantragt worden. Die Verurteilung ist auf die Ertei-
lung einer Auskunft gerichtet, die nur aufgrund des persönlichen Wissens der
Schuldnerin gegeben werden kann und daher als unvertretbare Handlung nach
§ 888 ZPO zu vollstrecken ist (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vor-
läufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 888 Rdn. 11 m.w.N.). Das Landgericht hat als
das zuständige Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Antrag des Gläubi-
gers durch rechtskräftigen Beschluss vom 10. November 2005 Zwangsgeld und
(Ersatz-)Zwangshaft als Beugemittel gegen die Schuldnerin festgesetzt (vgl.
§ 888 Abs. 1 Satz 1, § 891 Satz 1 ZPO). Der Beschluss ist ein eigener Vollstre-
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ckungstitel i.S. von § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die Beitreibung des Zwangsgel-
des und die Vollstreckung der (Ersatz-)Zwangshaft (vgl. Zöller/Stöber, ZPO,
26. Aufl., § 888 Rdn. 13; MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 888 Rdn. 31;
Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 888 Rdn. 27). Für die Vollstreckung der
(Ersatz-)Zwangshaft gelten die in den §§ 899 ff. ZPO enthaltenen Vorschriften
über die Haft entsprechend (§ 888 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Die Vollstreckung der
Haft setzt demzufolge einen Haftbefehl voraus (vgl. § 901 ZPO), für dessen Er-
lass gleichfalls das Prozessgericht zuständig ist (vgl. Zöller/Stöber aaO § 888
Rdn. 13; Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 888 Rdn. 15; a.A. Stein/Jonas/
Brehm aaO § 888 Rdn. 29: Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 764 Abs. 2
ZPO).
c) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann im vorliegenden
Fall nach den vom Beschwerdegericht zugrunde gelegten tatsächlichen Fest-
stellungen der Erlass des beantragten Haftbefehls nicht mit der Begründung
abgelehnt werden, die Verurteilung auf Erteilung der Auskunft über den Namen
des Kindesvaters könne wegen eines Grundrechtsverstoßes nicht vollstreckt
werden.
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aa) Das Beschwerdegericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte und die aus
dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Verfassungsprinzipien, insbesondere
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auch im Rahmen des Zwangsvollstre-
ckungsverfahrens Geltung beanspruchen (BVerfGE 52, 214, 219; vgl. auch
BVerfGE 48, 396, 400 f.; 61, 126, 134 ff.). Sie sind daher bei der Auslegung der
Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts zu berücksichtigen.
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bb) Im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines Titels, der zur Vornahme
einer nicht vertretbaren Handlung verpflichtet, kann Vollstreckungshindernissen,
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die sich aus drohenden Grundrechtsverletzungen ergeben, durch eine entspre-
chende Anwendung von § 888 Abs. 3 ZPO, wonach die Vollstreckung nach
§ 888 Abs. 1 und 2 ZPO im Falle der Verurteilung zur Eingehung einer Ehe, zur
Herstellung des ehelichen Lebens und zur Leistung von Diensten aus einem
Dienstvertrag ausgeschlossen ist, Rechnung getragen werden (vgl. Schuschke/
Walker aaO § 888 Rdn. 44, 47; MünchKomm.ZPO/Gruber aaO § 888 Rdn. 22;
Stein/Jonas/Brehm aaO § 888 Rdn. 38). Entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO kann
die Vollstreckung ausgeschlossen sein, wenn die Durchsetzung des Titels mit
den Zwangsmitteln des § 888 Abs. 1 ZPO einen Verstoß gegen Grundrechte
des Schuldners darstellen würde. Dem auf der Grundlage eines die Zwangsmit-
tel anordnenden (rechtskräftigen) Beschlusses gestellten Antrag auf Erlass ei-
nes Haftbefehls fehlte in einem solchen Fall das Rechtsschutzbedürfnis.
cc) Von einem unter dem Gesichtspunkt eines Grundrechtsverstoßes be-
stehenden Vollstreckungshindernis kann nach den Feststellungen des Be-
schwerdegerichts im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden.
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(1) Die Vollstreckung des Anspruchs auf Auskunft über den Vater ihres
Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Schuldnerin nach Art. 2
Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG, das unter anderem das Recht auf Achtung der
Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlecht-
lichen Beziehungen zu einem Partner gehören (vgl. BVerfGE 96, 56, 61; 117,
202 Tz. 77; BVerfG NJW 1988, 3010). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entschei-
den, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte offen-
bart (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch
nicht schrankenlos gewährleistet. Soweit nicht in den unantastbaren Bereich
privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, hat der Einzelne die Einschränkun-
gen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick
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auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der Ver-
hältnismäßigkeit vorgenommen werden (BVerfGE 96, 56, 61).
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Leitet sich - wie im vorliegenden Fall - der dem Vollstreckungstitel zu-
grunde liegende materiell-rechtliche Anspruch aus einer zivilrechtlichen Gene-
ralklausel her - als Anspruchsgrundlage kommen hier nur § 826 BGB oder
§ 242 BGB in Betracht (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 1994, 651; OLG Bamberg
FamRZ 2004, 562) -, stellt sich die grundrechtliche Problematik bereits und in
erster Linie im Erkenntnisverfahren. Dies gilt auch bei einer Verurteilung durch
ein Versäumnisurteil, das nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbs. 1 ZPO gegen
den Beklagten nur ergehen kann, wenn das als zugestanden anzunehmende
tatsächliche Vorbringen des Klägers den Klageantrag rechtfertigt. Die danach
erforderliche Schlüssigkeit der Klage setzt folglich in einem Fall wie dem vorlie-
genden die Prüfung voraus, ob dem geltend gemachten Anspruch auf Nennung
des Kindesvaters Grundrechte der auf Auskunft in Anspruch genommenen Kin-
desmutter entgegenstehen. Führt die Abwägung unter Beachtung der grund-
rechtlich geschützten Interessen der Schuldnerin zu deren Verurteilung im Er-
kenntnisverfahren, ist der titulierte Anspruch in der Regel auch vollstreckbar,
weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der Schuldnerin
nicht über das Maß hinaus vertieft wird, in dem ihre grundrechtlich geschützten
Interessen bereits durch die Verurteilung berührt sind (vgl. OLG Bremen NJW
2000, 963, 964; OLG Hamm NJW 2001, 1870, 1871; Staudinger/Rauscher,
BGB [2004], Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 105; Musielak/Lackmann aaO § 888
Rdn. 3; Walker, JZ 2000, 316 f.).
(2) Stellt danach entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts die Voll-
streckbarkeit des rechtskräftig titulierten Auskunftsanspruchs die Regel dar,
müssen im Einzelfall besondere, die Belange des Gläubigers deutlich überwie-
gende Umstände vorliegen, um ausnahmsweise von einer Nichtvollstreckbar-
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keit entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO ausgehen zu können (vgl. dazu auch
Schuschke/Walker aaO Allgemeine Vorbemerkungen Rdn. 3). Im vorliegenden
Fall sind besondere, das Gläubigerinteresse an einer Vollstreckung des rechts-
kräftigen Titels deutlich überwiegende Interessen der Schuldnerin, die begehrte
Auskunft zu verweigern, nicht ersichtlich und von ihr auch nicht vorgetragen
worden.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann allein aus dem Um-
stand, dass der die Schuldnerin zur Auskunft verpflichtende Titel als Versäum-
nisurteil ergangen ist, nicht hergeleitet werden, dass die verfassungsrechtlich
gebotene Interessenabwägung entweder vollständig unterblieben oder rechtlich
fehlerhaft vorgenommen worden ist. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszu-
gehen, dass das Versäumnisurteil rechts- und verfahrensfehlerfrei ergangen ist.
Nach § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO kann bei einem Versäumnisurteil auf Entschei-
dungsgründe verzichtet werden. Sieht das Gericht danach, wie im Regelfall,
von einer Begründung seines Versäumnisurteils ab, ergibt sich allein daraus
kein Anhaltspunkt für die Annahme, es habe von der Schlüssigkeitsprüfung
nach § 331 Abs. 2 ZPO abgesehen oder diese nicht rechtsfehlerfrei vorgenom-
men. Umstände, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Beurtei-
lung rechtfertigen könnten, zeigt das Beschwerdegericht nicht auf. Es hat aller-
dings eine eigene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten
nach verfassungsrechtlichen Maßstäben vorgenommen und dabei maßgeblich
darauf abgestellt, dass das Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter, den Partner
einer von ihr unterhaltenen geschlechtlichen Beziehung nicht preisgeben zu
müssen, grundsätzlich höher zu bewerten sei als reine Vermögensinteressen
des Scheinvaters und dass besondere Umstände, nach denen der Schuldnerin
ein Eingriff in ihre Persönlichkeitssphäre zuzumuten wäre, nicht vorlägen. Dabei
hat das Beschwerdegericht aber außer Betracht gelassen, dass der Gläubiger,
der mit der allein sorgeberechtigten Schuldnerin nicht verheiratet war, die Un-
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terhaltsleistungen für das Kind der Schuldnerin nur deshalb erbracht hat, weil er
die Vaterschaft zunächst nach § 55 Abs. 1 Satz 1 des Familiengesetzbuches
der DDR - FGB - vom 20. Dezember 1965 (GBl. DDR I 1966, 1 in der Fassung
des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen
Republik vom 19. Juni 1975, GBl. DDR I, 517) anerkannt hatte. Die Schuldnerin
hatte die dazu nach § 55 FGB erforderliche Zustimmung erklärt. Sie hat damit
selbst bereits aus diesem Grunde eine maßgebliche Ursache dafür gesetzt,
dass der Gläubiger anstelle des tatsächlichen Vaters Unterhaltszahlungen er-
bracht hat.
Der Frage, ob die Zustimmungserklärung der Mutter zu der Anerken-
nungserklärung des Vaters nach § 55 FGB zur Entstehung eines Rechtsver-
hältnisses zwischen diesen mit etwaigen Treue- und Auskunftspflichten geführt
hat, braucht nicht nachgegangen zu werden. Denn unabhängig davon begegnet
es jedenfalls unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken,
wenn dem Scheinvater, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft aner-
kannt hatte, ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Mutter auf Nennung des
tatsächlichen Vaters zugesprochen wird, nachdem die Unwirksamkeit der Va-
terschaftsanerkennung rechtskräftig festgestellt worden ist. Ein Eingriff in den
unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schuldnerin
liegt nicht vor. Sie hat spätestens mit der Zustimmungserklärung nach § 55
FGB zum Ausdruck gebracht, das Kind stamme von dem Gläubiger. Sie hat
sich folglich schon dadurch auch über die Tatsache des geschlechtlichen Ver-
kehrs geäußert, und zwar in einer für den Gläubiger nachteiligen Weise. Da
nunmehr die Unrichtigkeit ihrer Erklärung feststeht, ist es ihr zuzumuten, durch
Angabe des tatsächlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater ent-
standenen Nachteile mitzuwirken.
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Bei der im vorliegenden Fall gebotenen Interessenabwägung ist weiter
zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin im Verfahren vor dem Amtsgericht,
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das die Sache anschließend an das Landgericht verwiesen hat, persönlich an-
gehört worden ist (Sitzungsprotokoll vom 17.9.2003 - GA 19) und sie sodann
gegen das aufgrund ihres Nichterscheinens im Termin zur mündlichen Ver-
handlung vor dem Landgericht ergangene Versäumnisurteil keinen Einspruch
eingelegt hat. Auch gegen den die Zwangsmittel anordnenden Beschluss vom
10. November 2005, der ihr am 17. November 2005 zugestellt worden ist, hat
sie kein Rechtsmittel eingelegt. Sie hat lediglich mit Schreiben vom 22. März
2006 geltend gemacht, sie erkenne das im Vaterschaftsanfechtungsverfahren
vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht an, weil es zu
diesem Verfahren nur dadurch gekommen sei, dass der Gläubiger zuvor eine
Speichelprobe des Kindes ohne dessen und ohne ihre Zustimmung eingeholt
und diese (außergerichtlich) habe untersuchen lassen. Einwendungen gegen
das im Vaterschaftsanfechtungsverfahren vom Gericht eingeholte Abstam-
mungsgutachten als solches bringt sie nicht vor. Die Entscheidung des Amtsge-
richts im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist von der Schuldnerin als gesetzli-
cher Vertreterin ihres Kindes auch nicht mit Rechtsmitteln angegriffen worden.
Gründe, die eine etwaige Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580
ZPO) rechtfertigen könnten, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.
Demzufolge kann ein schützenswertes Interesse der Schuldnerin, trotz
rechtskräftiger Verurteilung den Namen des Kindesvaters nicht anzugeben,
nicht angenommen werden. Vielmehr besteht ein vorrangiges öffentliches Inte-
resse daran, dass dem Gläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmo-
nopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung des ihm rechtskräftig zuge-
sprochenen Anspruchs ermöglicht wird. Die Beachtung dieses Interesses dient
der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung, welche ihrerseits
Grundbestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung ist (vgl. BVerfGE 61, 126, 136).
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(3) Die Zwangsvollstreckung stellt sich auf der Grundlage der vom Be-
schwerdegericht getroffenen Feststellungen insbesondere auch nicht als unver-
hältnismäßig dar. Die Vollstreckung ist geeignet, dem Gläubiger Auskunft über
die Identität des tatsächlichen Vaters zu verschaffen und ihn damit in die Lage
zu versetzen, diesen nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf übergegangenen Kin-
desunterhalt in Anspruch zu nehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs kann der Scheinvater in Fällen der vorliegenden Art, in de-
nen die zur Erhebung einer Vaterschaftsfeststellungsklage Befugten von einer
solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch machen oder sie ableh-
nen, die Vaterschaft inzident im Rahmen eines Prozesses über den Scheinva-
terregress feststellen lassen (BGH, Urt. v. 16.4.2008 - XII ZR 144/06 Tz. 29,
zum Abdruck in BGHZ bestimmt; anders noch BGHZ 121, 299, 301 ff.). Die
Schuldnerin kann die ihr drohende Haft durch Erteilung der Auskunft ohne wei-
teres abwenden.
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d) Auch die sonstigen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls
können nach den im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden tat-
sächlichen Feststellungen nicht verneint werden.
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aa) Der Gläubiger hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Versuch
der Gerichtsvollzieherin, das festgesetzte Zwangsgeld beizutreiben, ist erfolglos
geblieben. Die Schuldnerin ist angehört worden.
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bb) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die
Schuldnerin durch die Angabe, Vater ihres Kindes sei der Gläubiger, den Aus-
kunftsanspruch nicht erfüllt hat (zur Berücksichtigung des Erfüllungseinwands
im Zwangsvollstreckungsverfahren vgl. BGHZ 161, 67). Da das Gegenteil
rechtskräftig feststeht, stellt die Angabe der Schuldnerin keine erschöpfende
Auskunft dar.
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III. Die angefochtenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts und des
Landgerichts sind somit aufzuheben. Eine eigene Entscheidung in der Sache
(vgl. § 577 Abs. 5 ZPO) ist dem Senat nicht möglich, weil dies die insbesondere
unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmende
Prüfung voraussetzt, ob in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht die Vorausset-
zungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin gegeben sind. Die Sache ist
daher an das Landgericht zurückzuverweisen, damit dieses erneut über den
Antrag auf Erlass des Haftbefehls entscheiden kann.
Bornkamm Pokrant
Schaffert
Bergmann
RiBGH Dr. Koch ist in Ur-
laub und kann daher nicht
unterschreiben.
Bornkamm
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 08.05.2006 - 3 O 1656/04 -
OLG Jena, Entscheidung vom 05.10.2006 - 9 W 269/06 -