Urteil des BGH vom 29.06.2005

BGH (zpo, begründung, erwägung, kenntnis, rechtsmittel, umfang, partei, kausalität, verfassungsrecht, wiederholungsgefahr)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 439/04
vom
15. September 2005
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom
29. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe:
I.
Der Kläger hat im vorausgegangenen Rechtsstreit das beklagte Land
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Amtspflichtverletzung
auf Zahlung von 603.916,25 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Landge-
richt und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Beschwerde des
Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsge-
richts hat der Senat durch Beschluss vom 29. Juni 2005, der den Prozessbe-
vollmächtigten des Klägers am 4. Juli 2005 zugestellt worden ist, zurückgewie-
sen.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit einer am 12. Juli
2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Anhörungsrüge gemäß § 321a
ZPO. Er trägt vor, der erkennende Senat habe sich in seinem die Nichtzulas-
sungsbeschwerde zurückweisenden, nicht näher begründeten Beschluss nicht
mit seinem zentralen Vorbringen befasst, das dahin ging, (1.) die (Hilfs-)Erwä-
gung des Oberlandesgerichts, die Rechtmäßigkeit der Schätzung könne von
ihm im Rahmen des Amtshaftungsprozesses nicht überprüft werden, weil sich
diese einem Urteil des Finanzgerichts dem Grunde nach entnehmen lasse, ge-
he fehl; das Berufungsgericht lasse die Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs außer Acht, wonach nur der Entscheidungssatz eines Urteils in Rechts-
kraft erwachse, nicht präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen; es beste-
he Wiederholungsgefahr; den gleichen Fehler begehe das Vordergericht, wenn
es annehme, an das rechtskräftige finanzgerichtliche Urteil auch hinsichtlich
des "Verschuldens gegen sich selbst" im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB gebun-
den zu sein, (2.) es sei rechtsfortbildend zu klären, ob die verspätete Einlegung
eines Rechtsmittels mit der gänzlich unterlassenen gleichzusetzen sei, und
welche Anforderungen an die Annahme der Kausalität zwischen der Nichtein-
legung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt sowie an diejenige, ob ein
Rechtsmittel schuldhaft nicht eingelegt wurde, zu stellen seien.
II.
Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 GG
nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in
Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des
Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu be-
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scheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f). Der Senat hat in dem Beschluss vom
29. Juni 2005 die jetzt von der Anhörungsrüge des Klägers umfassten Angriffe
in der Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie
einen Revisionszulassungsgrund ergeben. Er hat unter diesem Gesichtspunkt
die Beanstandungen der Nichtzulassungsbeschwerde sämtlich für nicht durch-
greifend erachtet. Von einer weiter reichenden Begründung sieht er auch in
diesem Verfahrensabschnitt in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4
Satz 2 ZPO ab. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, nach dem der Be-
schluss kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungs-
recht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Begründung der
Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhö-
rungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO im
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszuhebeln. Auch nach der Gesetzes-
begründung kann eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzu-
lassungsbeschwerde nicht dazu eingelegt werden, eine Begründungsergän-
zung herbeizuführen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR
263/04 - NJW 2005, 1432, 1433).
Schlick
Streck Kapsa
Galke Herrmann