Urteil des BGH vom 11.11.2009

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 549/09
vom
11. November 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2009 be-
schlossen:
1. Die Revision der Angeklagten S. S. gegen das Urteil des
Landgerichts Hof vom 20. Juli 2009 wird als unbegründet ver-
worfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten R. S. wird das vor-
bezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit
den Feststellungen aufgehoben.
Seine weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-
ne andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Die Strafkammer hat festgestellt:
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Die Angeklagte S. S. ist Geschäftsführerin der Firma S.
GmbH, ihr Ehemann, der Angeklagte R. S. , ist dort freiberufli-
cher Betriebsleiter. Die Angeklagte erlitt bei Sägearbeiten einen Unfall, ein Teil
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des linken Daumens musste amputiert werden. Diesen Unfall meldeten die An-
geklagten der zuständigen Berufsgenossenschaft als betrieblichen Arbeitsunfall,
die im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben Zahlungen in insgesamt
sechsstelliger Höhe leistete. Tatsächlich hatte sich jedoch der Unfall ereignet, als
die Angeklagte Holz für den Privatbedarf sägte.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurden die Angeklagten jeweils
wegen Betruges verurteilt, S. S. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren,
deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, R. S. zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
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Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten blei-
ben zum Schuldspruch erfolglos, die Revision der Angeklagten S. S. auch
zum Strafausspruch (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hinsichtlich des
Angeklagten R. S. hält dagegen rechtlicher Prüfung nicht Stand (§ 349
Abs. 4 StPO).
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1. Die auf Grund der Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des
Urteils hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
ergeben. Das - hinsichtlich beider Angeklagten identische - Vorbringen zum
Schuldspruch ist teilweise urteilsfremd (etwa soweit es sich auf aus den Urteils-
gründen nicht ersichtliche Angaben von Zeugen bezieht), sonst schon im Ansatz
unbehelflich (z.B. habe die Strafkammer versäumt, Möglichkeiten anderen Ge-
schehensablaufs „erforderlichenfalls weiter aufzuklären“) und im Übrigen handelt
es sich um den im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die (rechtsfehler-
freie) tatrichterliche Beweiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen. All dies hat
auch der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt. Sein Vorbringen wird durch
die Erwiderung der Revision (Schriftsatz vom 6. November 2009 für den Ange-
klagten R. S. ) nicht entkräftet. Soweit dort die Feststellungen der Straf-
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kammer deshalb für rechtsfehlerhaft gehalten werden, weil andere Schlussfolge-
rungen als die von der Strafkammer gezogenen „nicht denknotwendig“ ausge-
schlossen seien, geht die Revision von einem unzutreffenden Maßstab aus.
Richterliche Überzeugung erfordert keine jede andere denktheoretische Möglich-
keit ausschließende, letztlich mathematische und daher von niemandem anzwei-
felbare Gewissheit (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Urt. vom 4. Dezember 2008
- 1 StR 327/08; zahlr. weitere Nachw. b. Schoreit in KK 6. Aufl. § 261 Rdn. 4).
2. Hinsichtlich der Angeklagten S. S. hat die auf Grund der insoweit
nicht näher ausgeführten Sachrüge gebotene Überprüfung des Strafausspruchs
ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben, sodass
deren Revision insgesamt zu verwerfen war.
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3. Der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten R. S. kann
dagegen keinen Bestand haben. Dieser Angeklagte war durch ein am gleichen
Tag rechtskräftiges Urteil vom 19. Juli 1999 zu einer zur Bewährung ausgesetz-
ten und später erlassenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden.
Weitere Verurteilungen gibt es nicht. Die Strafkammer teilt den der genannten
Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt detailliert mit und hebt deren
strafschärfende Wirkung unter mehreren Aspekten hervor. Sie hat jedoch über-
sehen, dass hinsichtlich dieser Verurteilung bereits Tilgungsreife wegen Ablaufs
der Tilgungsfrist eingetreten war. Diese beträgt hier gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 2
Buchst. b BZRG zehn Jahre und hatte gemäß § 47 Abs. 1 BZRG i.V.m. § 36 Abs.
1 Satz 1 BZRG am 19. Juli 1999, dem Tag des (ersten) Urteils in der damaligen
Sache, zu laufen begonnen. Wegen der eingetretenen Tilgungsreife durfte die
frühere Verurteilung jedoch gemäß § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr zum Nachteil
des Angeklagten verwertet werden. Angesichts des erheblichen strafschärfenden
Gewichts, das die Strafkammer der früheren Verurteilung zugemessen hat, führt
dies ohne weiteres zur Aufhebung des Strafausspruchs.
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Nack Wahl Graf
RiBGH Prof. Dr. Jäger
befindet sich in Urlaub
und ist deshalb gehindert
zu unterschreiben.
Nack Sander