Urteil des BGH vom 11.02.2010

BGH (bundesrepublik deutschland, abweisung der klage, grundsatz der firmenwahrheit, herstellung, beschwerde, unternehmen, deutschland, bestandteil, bonität, irreführung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 154/08
vom
11. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher,
Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
am 11. Februar 2010
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Die Klägerin befasst sich unter anderem mit der Herstellung und dem
Vertrieb von sicherheitsrelevanten Plaketten. Das Unternehmen der Beklagten
zu 2 gehörte früher zum Bundesvermögen und war Bestandteil der Bundesver-
waltung. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen privatisiert, die Geschäftsantei-
le wurden an die A. FONDS übertragen. Seitdem tritt die Beklagte zu 2 auch
an Kunden außerhalb der Bundesverwaltung heran. Sie befasst sich unter an-
derem mit der Herstellung von Banknoten, Wertpapieren, Steuerzeichen,
Dienstausweisen und Fahrzeugbriefen, nicht hingegen mit der Herstellung von
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Plaketten für Kraftfahrzeuge und Dokumentenklebesiegeln. Die Bundesrepublik
Deutschland hat die Beklagte zu 2 exklusiv mit der Herstellung von Personal-
ausweisen, Reisepässen und Führerscheinen beauftragt. Die Beklagte zu 1 ist
eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2, die deren Vertrieb im Ausland un-
terstützt.
Die Klägerin hat den jeweiligen Bestandteil "Bundesdruckerei" in den
Firmenbezeichnungen der beiden Beklagten als irreführend beanstandet. Die
Bezeichnung Bundesdruckerei erwecke bei den angesprochenen Verkehrskrei-
sen (öffentliche Verwaltung und Wirtschaftsunternehmen) den Eindruck, dass
die Bundesrepublik Deutschland zumindest Mehrheitsgesellschafterin sei. Hier-
aus folgere der Verkehr, die Beklagten verfügten über eine unbeschränkte Boni-
tät und Insolvenzfestigkeit.
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Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben insbesondere
geltend gemacht, die Vorschriften der §§ 22, 24 HGB enthielten eine Ausnahme
vom Grundsatz der Firmenwahrheit und -klarheit. Unabhängig davon sei die
Bezeichnung "Bundesdruckerei" nicht irreführend.
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Das Landgericht hat dem von der Klägerin geltend gemachten Unterlas-
sungsbegehren stattgegeben. Darüber hinaus hat es die Beklagten verurteilt,
durch Erklärung gegenüber dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ihre Firmen
"BIS Bundesdruckerei International Service GmbH" (Beklagte zu 1) und "Bun-
desdruckerei GmbH" (Beklagte zu 2) zu löschen. Auf die Berufung der Beklag-
ten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
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Auf die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat der Senat das Be-
rufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-
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dung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 29.3.2007
- I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei).
Nach Zurückverweisung der Sache hat das Berufungsgericht die Beru-
fung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie jeweils nur ver-
pflichtet sind, den Bestandteil "Bundes" in ihren Firmenbezeichnungen zu lö-
schen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts
haben die Beklagten fristgemäß am 2. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt und
diese mit Schriftsatz vom 5. Januar 2009 begründet. Mit Schriftsatz vom 13. Ja-
nuar 2010 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt er-
klärt, weil sämtliche Geschäftsanteile der Alleingesellschafterin der Beklagten
zu 2, die wiederum Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1 ist, während des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auf die Bundesrepublik Deutschland
übertragen worden sind. Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung
angeschlossen.
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II. 1. Die Erledigung der Hauptsache kann noch in der Rechtsmit-
telinstanz, auch noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbe-
schwerde, erklärt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2003 - VII ZR 121/02,
BauR 2003, 1075, 1076; Beschl. v. 30.9.2004 - I ZR 30/04, WRP 2005, 126;
Beschl. v. 1.3.2007 - I ZR 249/02, GRUR 2007, 448 Tz. 12). Da durch die über-
einstimmenden Erklärungen der Parteien der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist,
ist über alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der
Kosten der Vorinstanzen gemäß der auch im Verfahren der Nichtzulassungsbe-
schwerde geltenden Vorschrift des § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands durch Beschluss zu
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entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und gege-
benenfalls des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (BGH WRP 2005, 126).
2. Danach sind die Kosten in vollem Umfang den Beklagten aufzuerle-
gen. Eine für die Beklagten günstige Entscheidung über die Kosten des Rechts-
streits könnte nur erfolgen, wenn nach dem Sach- und Streitstand ohne Eintritt
des erledigenden Ereignisses die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision Erfolg gehabt und die Durchführung der Revision zu einer Abweisung
der Klage geführt hätte. Dies ist hier nicht der Fall. Die Nichtzulassungsbe-
schwerde hätte keinen Erfolg gehabt, weil die Beklagten keinen die Zulassung
der Revision erfordernden Grund dargetan haben. Insbesondere liegen keine
Verstöße des Berufungsgerichts gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG)
vor.
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a) Auch wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde davon auszugehen
ist, dass der Gesamtanteil der Irregeführten in den Verkehrskreisen, mit denen
die Beklagte zu 2 in geschäftlichen Kontakt tritt, wesentlich geringer ist als die
vom Berufungsgericht angesetzte Quote von 66%, rechtfertigt dies nicht die
Annahme eines Verstoßes gegen das Willkürverbot.
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Wie eine Angabe verstanden wird, hängt von der Auffassung des Perso-
nenkreises ab, an den sie sich richtet. Gehören die Adressaten der Werbeaus-
sage verschiedenen Kreisen an, so reicht die Irreführung in einem dieser Kreise
aus (BGHZ 156, 250, 256 - Marktführerschaft; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.3.2007
- I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Tz. 38 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei;
Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rdn. 2.75; Sosnitza in
Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rdn. 125). Das Berufungsgericht hat
mit Recht auf den Verkehrskreis der nicht spezialisierten Personen abgestellt,
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die möglicherweise ohne Kenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse mit den
Beklagten in geschäftlichem Kontakt stehen oder treten können. Der Senat hat
in seinem Urteil vom 29. März 2007 als möglichen Verkehrskreis ausdrücklich
auch die Lieferanten der Beklagten zu 2 genannt (BGH GRUR 2007, 1079
Tz. 38 - Bundesdruckerei). Dieser Verkehrskreis der nicht spezialisierten Per-
sonen ist im Rahmen des Meinungsforschungsgutachtens um die Bezieher der
DEPAROM erweitert worden, was nicht zu beanstanden ist, da es sich insoweit
ebenfalls um nicht spezialisierte Personen handelt.
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die wettbewerbliche Rele-
vanz der Irreführung bejaht. Bei einer Quote von 66% ist diese Voraussetzung
für einen Unterlassungsanspruch jedenfalls erfüllt (vgl. Bornkamm in Köhler/
Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2.106). Dass nach dem von den Beklagten vorgeleg-
ten Meinungsforschungsgutachten der TNS Infratest (Anlage BK 8) lediglich
12% der Befragten die besondere Krisenfestigkeit gerade auf die staatliche Be-
teiligung oder den Namen der Beklagten zurückführten, rechtfertigt entgegen
der Ansicht der Beschwerde keine andere Beurteilung. Das Berufungsgericht
hat dem Ergebnis der Befragung zur Frage 4 A mit Recht keine maßgebliche
Bedeutung beigemessen. Angesichts der Wortwahl der Fragestellung ist das
gewonnene Ergebnis nicht geeignet, die wettbewerbliche Relevanz der Irrefüh-
rung entscheidend in Zweifel zu ziehen. In seinem Urteil vom 29. März 2007 hat
der Senat ausgeführt, dass es für potentielle Kunden von erheblicher Bedeu-
tung ist, ob sie ein Unternehmen mit verlässlicher Bonität beauftragen, da eine
Zusammenarbeit im Falle von Zahlungsschwierigkeiten oder gar einer Insolvenz
erheblich erschwert wird (BGH GRUR 2007, 1079 Tz. 28 - Bundesdruckerei).
Gemäß dem Gutachten ist hingegen nach einer "besonderen Krisenfestigkeit"
gefragt worden. Es liegt nicht fern, dass ein Befragter mit "Krisenfestigkeit" eine
ausreichende Bonität eines Unternehmens verbindet. Durch den Zusatz "be-
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sondere" in der Fragestellung kann sich ein Befragter veranlasst sehen, nach
weiteren Umständen wie beispielsweise eine Vielzahl hoheitlicher Aufträge zu
suchen.
c) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte Fehlerhaftigkeit der
Kostenentscheidung des Berufungsgerichts rechtfertigt ebenfalls nicht die Zu-
lassung der Revision. Dabei kann offenbleiben, ob die Anfechtung der Kosten-
entscheidung - wie die Beschwerdeerwiderung geltend macht - bereits unzuläs-
sig ist. Denn es fehlt jedenfalls an der Darlegung eines durchgreifenden Zulas-
sungsgrundes.
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Bornkamm Pokrant
Büscher
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.09.2003 - 1 HKO 13061/03 -
OLG München, Entscheidung vom 19.06.2008 - 29 U 5133/03 -