Urteil des BGH vom 14.05.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 72/02
Verkündet am:
14. Mai 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
VBLS § 105b; AGBG § 9 Bk, Cl; GG Art. 3, 14
Die Sonderregelung des § 105b VBLS für Pflichtversicherte im Beitrittsgebiet, bei
denen der Versicherungsfall vor Erfüllung der Wartezeit (§ 38 Abs. 1 VBLS) einge-
treten ist, hält der Inhaltskontrolle stand.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2003 - IV ZR 72/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin
Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Ver-
handlung vom 14. Mai 2003
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2002
wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin war vom 1. August 1964 bis 31. Juli 1999 im öffentli-
chen Schuldienst zunächst in der DDR und seit 3. Oktober 1990 im Bei-
trittsgebiet (Tarifgebiet Ost) beschäftigt. Sie begehrt die Feststellung,
daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Versorgungsrente (hilfsweise:
eine Versicherungsrente) unter Berücksichtigung ihrer gesamten Be-
schäftigungszeiten zu gewähren.
In der DDR hatte die Klägerin Rentenanwartschaften in der Sozial-
pflichtversicherung und in einem zusätzlichen Altersversorgungssystem
erworben. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer meldete ihr neuer
Arbeitgeber sie zum 1. Januar 1997 - dem Zeitpunkt der Einführung der
Zusatzversorgung im Tarifgebiet Ost - bei der Beklagten zur Pflichtversi-
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cherung an. Seit dem 1. August 1999 bezieht die Klägerin von der Bun-
desversicherungsanstalt für Angestellte eine gesetzliche Altersrente für
Frauen. Die Beklagte hat ihr ab diesem Zeitpunkt Leistungen aus der Zu-
satzversorgung gemäß § 105b ihrer Satzung in der bis zum
31. Dezember 2000 geltenden Fassung (VBLS) in Höhe von monatlich
109,12 DM zugesagt. § 105b VBLS, der durch die 29. Satzungsänderung
vom 1. Februar 1996 eingefügt wurde, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 105b
Sonderregelung für Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet
(1)
1
Der im Beitrittsgebiet Pflichtversicherte, bei dem der Versiche-
rungsfall vor Erfüllung der Wartezeit (§ 38 Abs. 1) eingetreten ist
und der vom 1. Januar 1992 an ununterbrochen bei einem Betei-
ligten, bei dessen Rechts- oder Funktionsvorgänger ... in einem
Arbeitsverhältnis gestanden hat, das - bei Geltung der Satzung -
zur Pflichtversicherung geführt hätte, und der
a) vom 1. Januar 1997 an bis zum Eintritt des Versicherungsfalles
ununterbrochen pflichtversichert gewesen ist ...,
erhält eine Leistung in der Höhe, wie sie ihm als Versicherungs-
rente (§ 44 Abs. 1) zustehen würde, wenn er in den dem Eintritt
des Versicherungsfalles bzw. dem Ende des Arbeitsverhältnisses
vorangegangenen 60 Kalendermonaten pflichtversichert gewesen
wäre ...
(2) Die Leistungen nach Absatz 1 gelten als Versicherungsrente im
Sinne der Satzung."
Frühere Dienstzeiten über die gemäß § 105b Abs. 1 Satz 1 VBLS
(fiktiv) vorgesehenen 60 Kalendermonate hinaus hat die Beklagte nicht
berücksichtigt.
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Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe anstelle der zugesagten
Leistung eine dynamische Versorgungsrente gemäß § 40 ff. VBLS zu
unter Berücksichtigung ihrer sämtlichen Beschäftigungszeiten im Bei-
trittsgebiet, die auch der gesetzlichen Rente zugrunde gelegt werden.
Insbesondere seien entgegen § 42 Abs. 2 Satz 1 a aa VBLS auch die vor
dem 3. Oktober 1990 zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen. § 42
VBLS lautet auszugsweise:
"§ 42
Gesamtversorgungsfähige Zeit
(1) Gesamtversorgungsfähige Zeit sind die bis zum Beginn der
Versorgungsrente (§ 62) zurückgelegten Umlagemonate (§ 29
Abs. 10).
(2)
1
Als gesamtversorgungsfähige Zeit gelten
a) bei einem Versorgungsrentenberechtigten, der eine Rente aus
der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, die Kalendermo-
nate,
aa) die in der gesetzlichen Rentenversicherung als Beitragszei-
ten (einschließlich der beitragsgeminderten Zeiten) und bei-
tragsfreie Zeiten - ... mit Ausnahme der vor dem 3. Oktober
1990 zurückgelegten Zeiten im Beitrittsgebiet, wenn die
Pflichtversicherung erstmals nach dem 2. Oktober 1990 be-
gonnen hat - der Rente zugrunde liegen ...
- abzüglich der Umlagemonate (Absatz 1) - zur Hälfte ..."
Die Klägerin hält die mit der 28. Satzungsänderung vom 20. Ok-
tober 1995 eingefügte Ausnahme der DDR-Zeiten für unwirksam. Da-
durch werde sie insbesondere im Vergleich zu Pflichtversicherten, die
vor dem 3. Oktober 1990 in der gesetzlichen Rentenversicherung der
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alten Bundesländer Beitragszeiten oder beitragsfreie Zeiten zurückgelegt
haben, unangemessen benachteiligt.
In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit der zuge-
lassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich für die Klä-
gerin ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte nur aus der die Arbeit-
nehmer im Beitrittsgebiet begünstigenden Sonderregelung des § 105b
VBLS. Ansprüche auf höhere Versorgungsleistungen der Beklagten
stünden ihr nicht zu. Die Wartezeit gemäß § 38 VBLS sei nicht erfüllt.
Die Satzungsbestimmungen hielten auch der Inhaltskontrolle gemäß § 9
AGBG stand. Eine die Klägerin benachteiligende Ungleichbehandlung
gegenüber Pflichtversicherten aus den alten Bundesländern liege nicht
vor. Die Klägerin sei nicht dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG
beeinträchtigt, daß die Satzung ihre in der ehemaligen DDR erworbene
Zusatzversorgung unberücksichtigt lasse. Diese Ansprüche seien nicht in
Zusatzversorgungsansprüche übergeleitet, sondern in die gesetzliche
Rentenversicherung überführt worden. Die Klägerin sei auch nicht in ih-
rem Grundrecht aus Art. 3 GG verletzt. Die Beklagte sei für ihr darauf
gestütztes Begehren nicht Normadressat. Der Einigungsvertrag sehe vor,
daß die Arbeitsbedingungen für den öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet
erst und nur soweit gelten sollten, wenn und wie es die Tarifvertrags-
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parteien vereinbaren. Deren Autonomie könne in dieser Frage nicht
durch eine Inhaltskontrolle übergangen werden. Hier solle Ungleiches ei-
ne Gleichbehandlung erfahren. Derartige Maßnahmen seien dem Bereich
der Gesetzgebung bzw. der Tarifhoheit vorbehalten. Auch ein Anspruch
gegen die Beklagte auf Aufnahme in die Zusatzversorgung vor dem
1. Januar 1997 habe nicht bestanden, da Voraussetzung für eine Pflicht-
versicherung bei der Beklagten eine entsprechende tarifvertragliche Be-
stimmung sei. Eine solche Bestimmung habe es bis dahin für die Kläge-
rin nicht gegeben.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Begehren der Klägerin zielt, wie das Berufungsgericht zutref-
fend erkannt hat, darauf ab, bei der Zusatzversorgung so gestellt zu
werden, als sei sie in den alten Bundesländern beschäftigt und während
eines wesentlichen Teils ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der
Beklagten pflichtversichert gewesen. Dafür besteht jedoch keine rechtli-
che Grundlage. Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich ein solcher
Anspruch nicht durch Auslegung der Satzung der Beklagten oder im W e-
ge der Inhaltskontrolle in Verbindung mit einer ergänzenden Auslegung
begründen.
1. a) Die Bestimmungen der VBLS finden als Allgemeine Versiche-
rungsbedingungen auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung,
die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der
Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicher-
ten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 142,
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103, 105 ff.; BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a, c). Für ihre Auslegung
kommt es auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherten an
(BGHZ 103, 370, 383; Senatsurteil vom 12. März 2003 - IV ZR 58/02 -
unter 2 b, zur Veröffentlichung bestimmt).
b) Die Satzung sieht für Pflichtversicherte im Beitrittsgebiet, bei
denen wie bei der Klägerin der Versicherungsfall vor Ablauf der Warte-
zeit von 60 Umlagemonaten (§ 38 Abs. 1 VBLS) eingetreten ist, gemäß
§ 105b VBLS ausschließlich eine Versicherungsrente auf der Grundlage
einer fingierten Pflichtversicherungszeit von 60 Monaten vor. Einem dar-
über hinausgehenden Anspruch auf eine dynamische Versorgungsrente
gemäß §§ 40 ff. VBLS (oder eine Versicherungsrente gemäß § 44 f.
VBLS) steht, wie sich für den durchschnittlichen Versicherten aus § 37
Abs. 1 VBLS eindeutig ergibt, bereits die Nichterfüllung der Wartezeit
entgegen. Darüber hinaus wäre bei der Bemessung der Versorgungs-
rente eine Berücksichtigung der vor dem 3. Oktober 1990 zurückgelegten
Zeiten im Beitrittsgebiet nach § 42 Abs. 2 Satz 1 a aa VBLS ausdrücklich
ausgeschlossen.
c) Hieran hat sich durch die vom Verwaltungsrat der Beklagten mit
Wirkung ab dem 1. Januar 2001 beschlossene Neufassung der Satzung
mit dem Ziel, das System der Gesamtversorgung durch ein Betriebsren-
tensystem abzulösen, nichts geändert. Die Neufassung ist nach Geneh-
migung durch die Aufsichtsbehörde und Veröffentlichung im Bundesan-
zeiger Nr. 1 vom 3. Januar 2003 in Kraft getreten. Gemäß der Sonderre-
gelung für Beschäftigte im Beitrittsgebiet in § 83 VBLS n.F. bleiben die
sich aus § 105b VBLS ergebenden Leistungsansprüche erhalten. Weiter-
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gehende Ansprüche werden - insbesondere durch die Übergangsrege-
lungen der §§ 75 bis 77 VBLS n.F. - nicht gewährt.
2. Daß § 105b VBLS Pflichtversicherten in der Situation der Kläge-
rin nur einen Anspruch auf eine Versicherungsrente gewährt, hält der In-
haltskontrolle (§ 9 AGBG) stand. Zwar sind dabei auch die Grundrechte
der Versicherten zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 103, 370, 383; BVerfG
NJW 2000, 3341 unter II 2 c). Entgegen ihrer Auffassung wird die Kläge-
rin jedoch in ihren Grundrechten aus Art. 14 GG und Art. 3 GG nicht
verletzt. Dies folgt nach Auffassung des Senats aus dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95, 1 BvR
2105/95 - BVerfGE 100, 1 ff. = NJW 1999, 2493 ff.).
a) Das Bundesverfassungsgericht hat darin (aaO 38 ff.) die auf-
grund der sogenannten Systementscheidung des Gesetzgebers in der
Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b Satz 1
und 3 des Einigungsvertrages (EV) vom 31. August 1990 (BGBl. II 889)
erfolgte Überführung der in den Zusatz- und Sonderversorgungssyste-
men der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesetz-
liche Rentenversicherung bei verfassungskonformer Auslegung für mit
dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Diese Rechte, die mit dem An-
spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25. Juli 1991 (AA-
ÜG - BGBl. I 1606, 1677) in der Fassung des Rentenüberleitungs-
Ergänzungsgesetzes vom 26. Juni 1993 (RüErgG - BGBl. I 1038) in die
gesetzliche Rentenversicherung integriert wurden, genießen danach
zwar aufgrund des Beitritts und ihrer Anerkennung durch den Einigungs-
vertrag den Schutz des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 GG (aaO
33 ff.). Der Gesetzgeber war aber nicht verpflichtet, die Berechtigten aus
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Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Er-
werbsbiographie in der BRD zurückgelegt. Die mit der Erstreckung der
Beitragsbemessungsgrenze auf die überführten Leistungen verbundene
Absenkung des Sicherungsniveaus bleibt durch die Zahlbetragsgarantie
in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b Satz 4
und 5 EV im Regelfall verhältnismäßig. Der Zahlbetrag ist allerdings
durch Anpassung an die Lohn- und Einkommensentwicklung zu dynami-
sieren.
Die Begrenzung der begünstigenden Wirkung der Zahlbetragsga-
rantie auf Bestandsrentner und Rentenzugänge bis Juni 1995 ist mit dem
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil die Jahrgänge
danach weiterhin erwerbsfähig und daher imstande waren, ihre Versiche-
rungsbiographien noch günstig zu beeinflussen (aaO 45 f.).
Die ebenfalls gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG mit der Überleitungs-
entscheidung bewirkte Ungleichbehandlung von höherverdienenden Ver-
sicherten der DDR-Versorgungssysteme gegenüber den auf höherem Ni-
veau abgesicherten Angehörigen entsprechender Berufsgruppen in den
alten Bundesländern mit Zusatzversicherungen ist durch gewichtige
Gründe gerechtfertigt. Abgesehen von den Unterschieden der vergliche-
nen Berufsgruppen fallen auch die in der Regel höheren Beitragsleistun-
gen der westdeutschen Berechtigten für ihre Zusatzversorgung ins Ge-
wicht.
b) Nach diesen Grundsätzen ist auch die für die Klägerin geltende
Leistungsregelung der VBLS grundrechtskonform. Eine unangemessene
Benachteiligung liegt nicht vor.
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aa) Art. 14 GG ist nicht verletzt, weil die im Anspruchs- und An-
wartschaftsüberführungsgesetz bestimmte Überführung der in den Zu-
satzversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwart-
schaften in die gesetzliche Rentenversicherung auch die Eigentums-
rechte der Rentenzugänger nach dem 30. Juni 1995, zu denen die Klä-
gerin gehört, in verfassungsgemäßer Weise wahrt. Zwar gilt für sie die
im Einigungsvertrag gewährte Zahlbetragsgarantie nicht mehr. Doch ist
dies wegen der in der fortbestehenden Erwerbsmöglichkeit liegenden
Chance, zusätzliche Maßnahmen zur Altersvorsorge zu ergreifen, ver-
fassungsrechtlich hinzunehmen (vgl. BVerfGE aaO 45, 46). Im Übrigen
hat die Klägerin nicht behauptet, durch die Überführung ihrer in der DDR
erworbenen Zusatzversorgungsanwartschaften einen Wertverlust erlitten
zu haben. Hat somit der Gesetzgeber sowohl die Systementscheidung
zur Überleitung der DDR-Rentenanwartschaften als auch deren besitz-
standswahrende Umsetzung in verfassungsgemäßer Weise außerhalb
des Zusatzversorgungssystems der Beklagten vollzogen, ist diese nicht
aus Gründen des Eigentumsschutzes verpflichtet, die Beschäftigungs-
zeiten der Klägerin vor dem 3. Oktober 1990 in ihrer Satzung leistungs-
erhöhend zu berücksichtigen.
bb) Die Beschränkung auf eine Versichertenrente gemäß § 105b
VBLS benachteiligt die Klägerin auch nicht gleichheitswidrig.
(1) Die ihr nach § 105b VBLS gewährte Zusatzrente ist allerdings
erheblich geringer als die Rente eines Berechtigten, der in gleicher Be-
schäftigungszeit bei gleichen Erwerbseinkünften durchgängig bei der Be-
klagten pflichtversichert war und daher eine Versorgungsrente unter voll-
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ständiger Berücksichtigung dieses Zeitraums (§ 42 Abs. 1 VBLS) bean-
spruchen kann. Dieser Unterschied ist aber dadurch gerechtfertigt, daß
nur für die Pflichtversicherten in den alten Bundesländern - bei wirt-
schaftlicher Betrachtung als Teil ihres Arbeitsentgelts (vgl. BVerfG NJW
2002, 1103, 1105 unter C II 2 a) - Beiträge in Form von Umlagen in das
Zusatzversorgungssystem der Beklagten geleistet wurden. Das steht, wie
das Bundesverfassungsgericht (aaO 45) ausdrücklich festgestellt hat, ei-
ner Pflicht, Versicherte aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der
DDR rückwirkend und kostenfrei so zu stellen, als hätten sie die Voraus-
setzungen erfüllt, von denen die Zusatzversorgung in Westdeutschland
abhing, entgegen.
(2) Die Klägerin wird auch nicht gegenüber Pflichtversicherten
gleichheitswidrig benachteiligt, die in einer früheren Beschäftigung au-
ßerhalb des öffentlichen Dienstes sogenannte Vordienstzeiten in der ge-
setzlichen Rentenversicherung der alten Bundesländer zurückgelegt ha-
ben. Zwar werden gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 a aa VBLS solche Vor-
dienstzeiten anders als in der DDR zurückgelegte Beschäftigungszeiten
bei der Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit - zur Hälfte - be-
rücksichtigt. Dies können jedoch jedenfalls die erst ab 1. Januar 1997
Pflichtversicherten nicht mit Erfolg beanstanden. Denn bei ihnen ist die
60monatige Wartezeit (§ 38 Abs. 1 VBLS) nicht erfüllt. Die Erfüllung der
Wartezeit ist, wie sich aus § 37 Abs. 1 VBLS ergibt, eine für alle Pflicht-
versicherten gleichermaßen geltende Voraussetzung eines Anspruchs
auf Versicherungsleistungen der Beklagten. Dadurch soll die Versicher-
tengemeinschaft in generalisierender Weise vor ungerechtfertigter Inan-
spruchnahme ohne entsprechende Mindestbeitragsleistung geschützt
werden (vgl. Berger/Kiefer/Langenbrinck, Das Versorgungsrecht für die
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Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand Juni 2002 § 38 VBLS
Anm. 1; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des
öffentlichen Dienstes, Stand August 2002 § 38 VBLS Anm. 1). Das ent-
spricht der Regelung in der gesetzlichen Rentenversicherung und ist
sachlich nicht zu beanstanden.
Ein Anspruch auf ausnahmsweise Befreiung von dem W artezeit-
erfordernis aus Gründen der Gleichbehandlung steht der Klägerin nicht
zu. Das gilt auch mit Rücksicht darauf, daß nach dem Beitritt der neuen
Bundesländer für sie trotz Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst Umla-
geleistungen des Arbeitgebers an die Beklagte bis zum 1. Januar 1997
nicht möglich waren. Denn in der Entscheidung über den Zeitpunkt der
Einführung der Zusatzversorgung im Tarifgebiet Ost sowie hinsichtlich
der wesentlichen Einführungsbedingungen waren die Tarifpartner nicht
gebunden. Nach dem Einigungsvertrag sollte im Zuge einer schrittweisen
Angleichung der Lebensverhältnisse mittelfristig auch das Niveau der
Altersversorgung in Ost und West angeglichen werden (vgl. Art. 30
Abs. 5 Satz 3 EV). Gemäß Art. 20 EV in Verbindung mit Anlage I Kapitel
XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 1 gelten die für den öffentlichen
Dienst im übrigen Bundesgebiet bestehenden Arbeitsbedingungen je-
doch erst, "wenn und soweit die Tarifvertragsparteien dies vereinbaren".
(3) Dem Berufungsgericht ist im Übrigen darin zuzustimmen, daß
§ 105b VBLS die Gruppe der Klägerin gegenüber anderen Pflichtversi-
cherten insofern sogar besser stellt, als sie trotz nicht erfüllter Wartezeit
eine Leistung erhalten. § 105b VBLS ist eine in den Tarifverhandlungen
unter dem Begriff der Härteregelung behandelte Sondervorschrift für Ar-
beitnehmer im Beitrittsgebiet (vgl. Kiefer, Zeitschrift für Tarifrecht 1996,
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97, 100). Daß die Klägerin eine höhere Leistung nicht beanspruchen
kann, ist als Folge ihrer Biographie ebenso schicksalhaft wie die Situati-
on der früheren Rentenjahrgänge, die anders als sie überhaupt keine
Chance mehr hatten, Zugang zu einem Zusatzversorgungssystem West
zu finden (vgl. auch BVerfGE aaO 46).
3. Da die angegriffenen Satzungsbestimmungen nicht gemäß § 9
AGBG unwirksam sind, liegt entgegen der Auffassung der Revision auch
keine Regelungslücke vor, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung
im Sinne des Leistungsbegehrens der Klägerin geschlossen werden
könnte (vgl. dazu BGHZ 139, 333, 339 f.).
4. Schließlich kann die Klägerin auch aus den Grundsätzen von
Treu und Glauben nichts zu ihren Gunsten herleiten. Die ab 1. Januar
1997 Pflichtversicherten konnten nach der Satzung der Beklagten zu
keinem Zeitpunkt ein gemäß § 242 BGB schützenswertes Vertrauen dar-
auf bilden, daß diese ihre DDR-Beschäftigungszeiten bei der Ermittlung
der Zusatzversorgung berücksichtigen werde (vgl. dazu Senatsurteil vom
27. September 2000 - IV ZR 140/99 - VersR 2000, 1530 unter II). Denn
die ihr nachteilig erscheinenden Bestimmungen über das Wartezeiterfor-
dernis und den Ausschluß der Berücksichtigung von in der DDR zurück-
gelegten Rentenversicherungszeiten waren zu diesem Zeitpunkt bereits
in Kraft.
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5. Den auf Gewährung einer Versicherungsrente unter Berücksich-
tigung ihrer gesamten Beschäftigungszeiten gerichteten Hilfsantrag der
Klägerin haben die Vorinstanzen aus den vorgenannten Gründen eben-
falls zu Recht abgewiesen.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch