Urteil des BGH vom 03.04.2008

Schuhpark Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 49/05 Verkündet
am:
3. April 2008
Walz
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
Schuhpark
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6
a) Eine aus beschreibenden Begriffen zusammengesetzte Marke, die Unter-
scheidungskraft durch die Kombination der Bestandteile erlangt, kann auch
dann über nur geringe originäre Unterscheidungskraft verfügen, wenn die
Verwendung der Wortzusammenstellung bisher im Verkehr nicht zu beo-
bachten ist.
b) Die nationalen Gerichte sind im Verletzungsverfahren an die Beurteilung
des Ausmaßes der originären Unterscheidungskraft der Marke durch die eu-
ropäischen Gerichte im Widerspruchsverfahren nach der Gemeinschafts-
markenverordnung nicht gebunden.
c) Markenverletzungen, die Organe oder Mitarbeiter einer auf einen anderen
Rechtsträger verschmolzenen Gesellschaft begangen haben, begründen
regelmäßig keine Wiederholungsgefahr für den Rechtsnachfolger. Aus der
Verschmelzung des Unternehmens, in dem die Markenverletzung begangen
worden ist, folgt auch keine Erstbegehungsgefahr bei dem übernehmenden
Unternehmen.
BGH, Urt. v. 3. April 2008 - I ZR 49/05 - OLG München
LG München I
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 3. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts München vom 13. Januar 2005 unter Zurück-
weisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als die auf die Untersagung der Bezeichnung "Jello
Schuhpark" gerichtete Klage (Antrag zu 1) und die hierauf rückbe-
zogenen Anträge zu 2 bis 4 sowie der Antrag zu 5 abgewiesen
worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt mit Schwerpunkt im Norden und Westen Deutsch-
lands Schuhwaren. Sie ist Inhaberin der für "Stiefel, Halbstiefel, Hausschuhe,
Schuhe, Slipper, Pantoffeln, Sandalen, Überschuhe, Überstiefel, Gummischu-
he, Holzschuhe" mit Priorität vom 14. November 1979 eingetragenen Wortmar-
ke Nr. 1 007 149 "Schuhpark".
1
Die Beklagte, die unter "Jello Schuhpark GmbH" firmierte, betrieb seit
1996 Schuhmärkte in Süddeutschland. Sie verwendete die Bezeichnung "jello
Schuhpark" mit der Aufschrift "jello" im gelben Kreis wie nachstehend beispiel-
haft wiedergegeben:
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(Anlage B 4 S. 1)
- 5 -
(Anlage B 5 S. 3)
- 6 -
(Anlage K 9)
- 7 -
(Anlage K 10)
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte verletze die Klagemarke
"Schuhpark" durch die Verwendung der Bezeichnung "jello Schuhpark".
Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Ver-
kehr für Schuhwaren die Bezeichnung Schuhpark - wie aus der Anla-
ge K 10 der Klageschrift ersichtlich - isoliert und/oder in Verbindung
mit der Bezeichnung jello zu benutzen;
2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot nach Ziffer 1 die
gesetzlichen Ordnungsmittel anzudrohen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjeni-
gen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin seit dem 14. Januar 2003
durch den Gebrauch der unter Ziffer 1 genannten Bezeichnungen
durch die Beklagte entstanden ist;
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin hinsichtlich des ab 14. Januar
2003 getätigten Umsatzes mit Schuhwaren und der ab diesem Zeit-
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punkt unter diesen Bezeichnungen getätigten Werbemaßnahmen (Art
und Weise der Werbung und finanzieller Aufwand für die Werbemaß-
nahmen) Auskunft zu erteilen;
5. die Beklagte zu verurteilen, den Firmenbestandteil Schuhpark der im
Handelsregister des Amtsgerichts L. eingetragenen Firma
- HRB - löschen zu lassen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, zwischen den Zeichen der
Parteien bestehe keine Verwechslungsgefahr. Etwaige Ansprüche der Klägerin
seien verwirkt.
5
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, ohne aller-
dings die Beschränkung auf die Ausführungsform nach der Anlage K 10 in den
Urteilstenor aufzunehmen.
6
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landge-
richtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Dagegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Kläge-
rin.
8
Während des Revisionsverfahrens wurde die Beklagte auf die L.
GmbH
verschmolzen. Die Klägerin hat daraufhin
den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 5 in der Hauptsache für erle-
digt erklärt. Mit ihrer Revision erstrebt sie weiterhin die Verurteilung der Beklag-
ten nach den Klageanträgen zu 1 bis 4. Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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- 9 -
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Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten
Ansprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG, § 242 BGB verneint.
Hierzu hat es ausgeführt:
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Das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO
mehr als beantragt zugesprochen, weil es die Beschränkung des Klageantrags
zu 1 bei der isolierten Verwendung der Bezeichnung "Schuhpark" auf die kon-
krete Ausführungsform (Anlage K 10) unberücksichtigt gelassen habe.
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Der Klägerin stünden aber auch im Übrigen die mit den Klageanträgen
verfolgten markenrechtlichen Ansprüche nicht zu. Zwischen der Klagemarke
und der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung bestehe keine Verwechs-
lungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zwischen den für die Klage-
marke eingetragenen Waren und den von der Beklagten unter den angegriffe-
nen Zeichen vertriebenen Waren bestehe Warenidentität. Die Klagemarke ver-
füge nur über unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Der Begriff "Schuh-
park" sei an eine beschreibende Angabe angelehnt. Das Markenwort "Schuh-
park" bezeichne eine größere Einrichtung, in der Schuhe erhältlich seien.
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Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen bestehe nur eine ge-
ringe Ähnlichkeit. Es stünden sich die Klagemarke "Schuhpark" und die Be-
zeichnung "jello Schuhpark" gegenüber. Die mehrteilige Kennzeichnung "jello
Schuhpark" werde nicht allein durch "Schuhpark" geprägt. Zum Gesamtein-
druck dieser Kennzeichnung trage auch "jello" bei.
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In Anbetracht der geringen Kennzeichnungskraft und der geringen Zei-
chenähnlichkeit bestehe trotz Warenidentität keine Verwechslungsgefahr.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg, soweit der Verbotsantrag und die hierauf bezogenen Anträge zu 2 bis 4
sich gegen die Verwendung der Bezeichnung "jello Schuhpark" richten und so-
weit der Klageantrag zu 5 abgewiesen worden ist. Dagegen ist die Revision
gegen die Abweisung des Klageantrags über das Verbot der isolierten Verwen-
dung der Bezeichnung "Schuhpark" und die hierauf bezogenen Anträge zu 2 bis
4 zurückzuweisen.
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I. Der Unterlassungsantrag ist in der gebotenen Auslegung hinreichend
bestimmt i.S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat den Kla-
geantrag zwar nicht näher ausgelegt. Das ist jedoch unschädlich. Bei dem Kla-
geantrag handelt es sich um eine Prozesserklärung, die das Revisionsgericht
selbständig auslegen kann (BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 128/98, GRUR 2001,
80 = WRP 2000, 1394 - ad-hoc-Meldung).
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Mit dem Klageantrag zu 1 erstrebt die Klägerin zum einen ein Verbot der
isolierten Verwendung der Bezeichnung "Schuhpark", wie sie nach ihrer Ansicht
in der Abbildung der Anlage K 10 zum Ausdruck kommt. Zum anderen begehrt
die Klägerin die Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung "jello Schuh-
park". Dieser allgemein gefasste Teil des Verbotsantrags enthält als Minus auch
die konkrete Verletzungsform, bei der die Beklagte die Bezeichnung mit
Wort-/Bildbestandteilen ("jello" im gelben Kreis mit dem davon abgesetzten
Wortbestandteil "Schuhpark") verwendet. Dies folgt jedenfalls aus dem Vorbrin-
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- 12 -
gen der Klägerin in der Klageschrift, das zur Auslegung des Verbotsantrags
heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84
Tz. 19 = WRP 2008, 98 - Versandkosten).
II. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klageantrag zu 1 und den
hierauf bezogenen Ordnungsmittelantrag zu 2 insoweit zurückgewiesen, als sie
gegen die isolierte Verwendung der Bezeichnung "Schuhpark" gerichtet sind.
Es fehlt die für den Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 5 MarkenG erforder-
liche Begehungsgefahr.
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Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Be-
klagte die Bezeichnung "Schuhpark" nicht isoliert verwandt hat. Dies gilt auch
für die Fassadengestaltung, wie sie in der Anlage K 10 abgebildet worden ist.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nimmt der Verkehr die Be-
standteile "jello" und "Schuhpark" in der Fassadengestaltung nicht isoliert wahr,
sondern fasst sie als einheitliche Bezeichnung auf. Dagegen wendet sich die
Revision nicht. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch nicht ersichtlich. Der Unter-
lassungsanspruch ist ebenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt einer Erstbege-
hungsgefahr begründet. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass
eine isolierte Verwendung der Bezeichnung "Schuhpark" durch die Beklagte
ernstlich und unmittelbar bevorsteht, bestehen nicht.
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Die Annexansprüche (Klageanträge zu 3 und 4) - bezogen auf eine iso-
lierte Verwendung der Bezeichnung "Schuhpark" - sind danach ebenfalls in die-
sem Umfang nicht gegeben.
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III. Dagegen hält die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein marken-
rechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG
wegen der Verwendung der Bezeichnung "jello Schuhpark" für Schuhwaren
durch die Beklagte scheide wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit der Kla-
gemarke "Schuhpark" aus, einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorge-
tragenen Ansicht der Revisionserwiderung sind markenrechtliche Ansprüche
gegen die Verwendung der Bezeichnung "jello Schuhpark" nicht schon deshalb
ausgeschlossen, weil ein rein firmenmäßiger Gebrauch keine Benutzungshand-
lung i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG darstellt. Eine Benutzung "für
Waren oder Dienstleistungen" i.S. von Art. 5 Abs. 1 der Markenrechtsrichtlinie
ist nicht gegeben, wenn ein Firmenzeichen nur für die Bezeichnung eines Ge-
schäfts verwendet wird (vgl. EuGH, Urt. v. 16.11.2004 - C-245/02, Slg. 2004,
I-10989 = GRUR 2005, 153 Tz. 64 - Anheuser Busch; Urt. v. 11.9.2007
-
C-17/06, GRUR 2007, 971 Tz.
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Céline; BGH, Urt. v. 13.9.2007
- I ZR 33/05, GRUR 2008, 254 Tz. 22 = WRP 2008, 236 - THE HOME STORE).
Mit dem Unterlassungsbegehren wendet sich die Klägerin aber nicht gegen rein
firmenmäßige Benutzungshandlungen, bei denen es an einer Verbindung zwi-
schen dem firmenmäßig genutzten Zeichen und den von der Beklagten vertrie-
benen Waren fehlt. Die Klägerin begehrt das Verbot nur im Zusammenhang mit
der Verwendung der angegriffenen Bezeichnung für Schuhwaren.
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2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zu-
stimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu be-
nutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der
Marke und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zei-
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chen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von
Verwechslungen besteht. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i.S. von
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Ein-
zelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Be-
tracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und
der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen
sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad
der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älte-
ren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH, Urt. v. 28.6.2007
- I ZR 132/04, GRUR 2008, 258 Tz. 20 = WRP 2008, 232 - INTERCONNECT/
T-InterConnect). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr
ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen,
wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemen-
te zu berücksichtigen sind (EuGH, Urt. v. 12.6.2007 - C-334/05, GRUR 2007,
700 Tz. 35 - Limoncello). Das hat das Berufungsgericht im Ansatz auch seiner
rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
3. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zwi-
schen den Waren, für die die Klagemarke geschützt ist, und den unter der an-
gegriffenen Bezeichnung vertriebenen Waren Identität besteht.
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4. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kennzeichnungskraft der
Klagemarke sei unterdurchschnittlich. Sie sei eng an eine beschreibende Anga-
be angelehnt. Der Bestandteil "Schuh" sei für die geschützten Waren rein be-
schreibend. Den Bestandteil "Park" fasse der Verkehr im Zusammenhang mit
gewerblichen Leistungen als einen Hinweis auf eine große Einrichtung auf. Die
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Klagemarke verweise deshalb auf einen größeren Geschäftsbetrieb, in dem
Schuhe erhältlich seien. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts zur Kenn-
zeichnungskraft der Marke "Schuhpark" lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Einer Klagemarke, die sich für die beteiligten Verkehrskreise un-
schwer erkennbar an einen beschreibenden Begriff anlehnt, kommt im Regelfall
von Hause aus keine durchschnittliche, sondern nur eine geringere Kennzeich-
nungskraft zu (BGH, Urt. v. 8.11.2001 - I ZR 139/99, GRUR 2002, 626, 628 f.
= WRP 2002, 705 - IMS).
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b) Allerdings hat das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemein-
schaften angenommen, dass die Klagemarke "Schuhpark" normal kennzeich-
nungskräftig ist (EuG, Urt. v. 8.3.2005 - T-32/03, GRUR Int. 2005, 583 Tz. 43
- JELLO SCHUHPARK). Die Klägerin jenes Verfahrens hatte nach den Feststel-
lungen des Gerichts erster Instanz nicht nachgewiesen, dass die Bezeichnung
für eine ausgedehnte Verkaufsstätte für Schuhe üblich geworden sei oder es in
Deutschland große Verkaufsflächen mit der Spezialisierung ausschließlich auf
den Verkauf von Schuhen gebe. Das Gericht erster Instanz hat deshalb ange-
nommen, dass die Kombination der Wortbestandteile der Klagemarke unge-
wöhnlich und neuartig ist und über eine gewisse Originalität verfügt.
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c) Die unterschiedliche Einstufung der Kennzeichnungskraft der Klage-
marke durch das Berufungsgericht und das Gericht erster Instanz der Europäi-
schen Gemeinschaften im Widerspruchsverfahren nach der Gemeinschafts-
markenverordnung beruht danach nicht auf abweichenden rechtlichen Maßstä-
ben, sondern auf einer unterschiedlichen Beurteilung der Verkehrsauffassung.
Die Beurteilung der Verkehrsauffassung ist jedoch Aufgabe des Tatrichters. In
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der Revisionsinstanz ist die tatrichterliche Beurteilung der Verkehrsauffassung
nur darauf hin zu überprüfen, ob der Tatrichter den Prozessstoff verfahrensfeh-
lerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung der Verkehrsauffassung frei von Wi-
dersprüchen mit den Denkgesetzen und den Erfahrungssätzen vorgenommen
hat (BGH, Urt. v. 29.6.2006 - I ZR 110/03, GRUR 2006, 937 Tz. 27 = WRP
2006, 1133 - Ichthyol II).
Die gegen die Annahme einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungs-
kraft gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch. Zwar kann eine zu-
sammengesetzte Marke, deren Bestandteile für sich genommen nicht unter-
scheidungskräftig sind, Unterscheidungskraft durch die Kombination der Be-
standteile erlangen (EuGH, Urt. v. 12.2.2004 - C-265/00, Slg. 2004, I-680 =
GRUR 2004, 680 Tz. 41 - BIOMILD; BGH, Beschl. v. 11.5.2000 - I ZB 22/98,
GRUR 2001, 162, 163 = WRP 2001, 35 - RATIONAL SOFTWARE CORPORA-
TION). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat zutreffend
die Kennzeichnungskraft der zusammengesetzten Marke seiner Entscheidung
zugrunde gelegt. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es auch nicht dar-
auf an, dass eine Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil "PARK" für unter-
schiedliche Waren und Dienstleistungen eingetragen sind. Das Schutzhindernis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist bereits überwunden, wenn der angemeldeten
Marke nicht jede Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
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Schließlich steht der Annahme einer geringen Kennzeichnungskraft der
Klagemarke auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht keine Feststellun-
gen dazu getroffen hat, ob die Verwendung der Wortkombination "Schuhpark"
in Deutschland üblich geworden ist. Zwar folgt regelmäßig daraus, dass ein
Markenwort üblicherweise im Verkehr für die in Rede stehenden Waren oder
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Dienstleistungen verwendet wird, dass es von Hause aus nicht unterschei-
dungskräftig ist; umgekehrt ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Wortzu-
sammenstellung im Verkehr nicht verwendet wird, nicht ihre Unterscheidungs-
kraft (vgl. EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C-64/02, Slg. 2004, I-10031 = GRUR
2004, 1027 Tz. 37 u. 46 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
5. Den Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen und
die Verwechslungsgefahr i.S von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hat das Beru-
fungsgericht dagegen nicht rechtsfehlerfrei bestimmt.
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a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klagemarke und die
angegriffene Bezeichnung nur geringe Zeichenähnlichkeit aufweisen. Dagegen
wendet sich die Revision mit Erfolg.
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aa) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamt-
eindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das
schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer
komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen
Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH,
Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Tz. 28 f.
- THOMSON LIFE; BGH, Beschl. v. 13.10.2004 - I ZB 4/02, GRUR 2005, 326,
327 = WRP 2005, 341 - il Padrone/Il Portone). Weiter ist nicht ausgeschlossen,
dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder
eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kenn-
zeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusam-
mengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt
(EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 30 - THOMSON LIFE; BGH, Urt. v. 5.4.2001
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- I ZR 168/98, GRUR 2002, 171, 174 = WRP 2001, 1315 - Marlboro-Dach; Urt.
v. 22.7.2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP 2004, 1281
- Mustang). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden
Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem
Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Ver-
kehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Wa-
ren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbunde-
nen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 31 - THOMSON LI-
FE; BGH GRUR 2008, 258 Tz. 33 - INTERCONNECT/T-InterConnect; Urt. v.
20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 35 = WRP 2007, 1461 - Kinder II).
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Zeichen "jello Schuh-
park" werde nicht allein durch den Bestandteil "Schuhpark" geprägt. Diesem
fehle als Sachhinweis ein bestimmender Einfluss auf den Gesamteindruck. Ob
das Wort "jello" den Gesamteindruck der kollidierenden Bezeichnung präge,
könne dahinstehen. Da dieses Wort in der eingliedrigen Klagemarke nicht vor-
komme, sei nur von geringer Zeichenähnlichkeit auszugehen. Diese Ausfüh-
rungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
34
(1) Mit Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Beur-
teilung des Gesamteindrucks der Bezeichnung "jello Schuhpark" den Vortrag
der Klägerin nicht berücksichtigt, der inländische Verkehr fasse den Begriff "jel-
lo" nicht als das englische Wort für Wackelpudding auf. Er verwechsle "jello"
vielmehr mit dem Wort "yellow" (gelb) der englischen Sprache oder setze ihn
wegen einer identischen Aussprache mit diesem Wort gleich. Von einem ent-
sprechenden Verkehrsverständnis ist auch das Gericht erster Instanz der Euro-
35
- 19 -
päischen Gemeinschaften in dem Widerspruchsverfahren gegen die Anmel-
dung der Marke "JELLO SCHUHPARK" ausgegangen (EuG GRUR Int. 2005,
583 Tz. 46 - JELLO SCHUHPARK). Trifft dieses Verkehrsverständnis zu, ist
nicht ausgeschlossen, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Bezeich-
nung "jello Schuhpark" durch den Wortbestandteil "Schuhpark" geprägt wird
und das Wort "jello" in den Hintergrund tritt oder zumindest der Gesamteindruck
durch den Bestandteil "Schuhpark" maßgeblich mitbestimmt wird.
(2) Die Bestimmung des Gesamteindrucks der von der Beklagten ver-
wendeten Wort-/Bildkombination ("jello" im gelben Kreis mit dem davon abge-
setzten Wortbestandteil "Schuhpark") ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Berufungsgericht hat hierzu anhand der Anlagen K 9 und K 10 nur festge-
stellt, der Verkehr fasse dieses Zeichen als einheitliche Kennzeichnung auf.
Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Bestandteil "Schuhpark" in dem
Wort-/Bildzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass
er das Erscheinungsbild der komplexen Kennzeichnung prägt (vgl. EuGH
GRUR 2005, 1042 Tz. 30 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2004, 865, 866
- Mustang). Im Streitfall kommt dies in Betracht, wenn der Verkehr "jello Schuh-
park" als eine besondere Ausstattungslinie der Inhaberin der Klagemarke auf-
fasst. Ein entsprechendes Verkehrsverständnis hatte die Klägerin in den Tatsa-
cheninstanzen geltend gemacht (hierzu auch EuG GRUR Int. 2005, 583 Tz. 46
- JELLO SCHUHPARK).
36
Die erforderlichen Feststellungen zum Verkehrsverständnis wird das Be-
rufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen und auf
der Grundlage dieser Feststellungen die Zeichenähnlichkeit neu zu bewerten
haben.
37
- 20 -
b) Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, es sei davon
auszugehen, dass zwischen der Klagemarke und der angegriffenen Bezeich-
nung "jello Schuhpark" nicht nur geringe Zeichenähnlichkeit besteht, so ist,
wenn nicht schon eine unmittelbare Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG zwischen den Kollisionszeichen anzunehmen ist, eine Ver-
wechslungsgefahr im weiteren Sinn gegeben, wenn bei den angesprochenen
Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren
oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen
Unternehmen stammen.
38
6. Im wiedereröffneten Berufungsrechtszug wird das Berufungsgericht
auch zu prüfen haben, ob die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche
Begehungsgefahr nach der während des Revisionsverfahrens erfolgten Ver-
schmelzung der Beklagten auf die L.
GmbH
noch gegeben ist. Nach der Rechtsprechung des Senats begründen Wettbe-
werbsverstöße, die Organe oder Mitarbeiter einer auf einen anderen Rechtsträ-
ger verschmolzenen Gesellschaft begangen haben, keine Wiederholungsgefahr
für den Rechtsnachfolger (BGHZ 172, 165 Tz. 11 - Schuldnachfolge). Aus der
Verschmelzung des Unternehmens, in dem ein Wettbewerbsverstoß begangen
worden ist, folgt auch keine Erstbegehungsgefahr bei dem übernehmenden
Rechtsträger (BGHZ 172, 165 Tz. 14 - Schuldnachfolge). Diese Grundsätze
gelten im Regelfall auch für eine Markenverletzung, die von Organen oder Mit-
arbeitern des übernommenen Unternehmens begangen worden ist. Die Kläge-
rin wird danach im Berufungsrechtszug Gelegenheit haben, nach der Ver-
schmelzung der ursprünglichen Beklagten auf die L.
GmbH zu einer Begehungsgefahr vorzutragen.
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- 21 -
IV. Die vollständige Abweisung der auf Auskunftserteilung und Feststel-
lung der Schadensersatzverpflichtung gerichteten Klageanträge zu 3 und 4
kann ebenfalls keinen Bestand haben, weil markenrechtlich relevante schuld-
hafte Verletzungshandlungen der Beklagten nicht ausgeschlossen sind.
40
V. Die Klage nach dem Klageantrag zu 5 auf Einwilligung in die Lö-
schung des Bestandteils "Schuhpark" in der Firma der Beklagten hat die Kläge-
rin einseitig für erledigt erklärt. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte
Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist zulässig. Während
des Revisionsverfahrens ist auch ein erledigendes Ereignis eingetreten, weil die
Beklagte
auf
die
L.
GmbH verschmolzen wor-
den ist (§ 2 Nr. 1 UmwG). Dadurch ist der Störungszustand entfallen, auf des-
sen Beseitigung der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Firmenbe-
standteils "Schuhpark" gerichtet ist.
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Für die Entscheidung über die Begründetheit des Feststellungsantrags
kommt es darauf an, ob der Klägerin bis zur Verschmelzung der Beklagten der
aus den markenrechtlichen Bestimmungen abgeleitete Anspruch auf Einwilli-
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gung in die Löschung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zustand (zum Beseiti-
gungsanspruch: BGH, Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 230/99, GRUR 2002, 898, 900
= WRP 2002, 1066 - defacto).
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann
Koch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.06.2004 - 4 HKO 17288/03 -
OLG München, Entscheidung vom 13.01.2005 - 29 U 4387/04 -