Urteil des BGH vom 10.11.2004

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 414/04
vom
10. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2004 be-
schlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 22. Juni 2004 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-
gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwen-
digen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Der Beschwerdeführer trägt - u.a. - vor, der Vorsitzende der Straf-
kammer habe bei der Urteilsverkündung "ein komplett fertiges Ur-
teil vorgelesen, welches letztlich genau identisch ist mit dem er-
gangenen Urteil". Es sei nicht möglich gewesen, "daß im An-
schluß an die Beratung ein Urteil [von 51 Seiten] diktiert und ge-
schrieben werden konnte".
Abgesehen davon, daß dies - worauf der Generalbundesanwalt
zu Recht abstellt - nicht erwiesen ist und die Revisionsbegrün-
dung auch insoweit nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO genügt, ist hierzu folgendes zu sagen:
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Den Berufsrichtern ist es unbenommen, sich schon vor den
Schlußvorträgen, ja schon vor der Hauptverhandlung auch durch
die Fertigung eines Votums (Urteilsentwurfs) entsprechend dem
jeweiligen Ermittlungs- bzw. Verfahrensstands auf die Hauptver-
handlung bzw. die Urteilsberatung vorzubereiten. Dies dient zum
einen der Richtigkeitskontrolle dahingehend, daß sich die Be-
weisaufnahme auf alle erheblichen Tatsachen und Beweismittel
erstreckt, und dient zum anderen - bei frühzeitiger Erstellung des
Votums - der Verfahrenskonzentration. Unnötige, da nicht ent-
scheidungsrelevante Erhebungen können eher vermieden wer-
den. Den Schluß auf Vorverurteilung des Angeklagten oder Be-
fangenheit der Richter läßt dies nicht zu. Der das deutsche Straf-
prozeßrecht bestimmende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 244
Abs. 2 StPO) zwingt zu entsprechenden Vorüberlegungen. Diese
laufend dem jeweiligen Stand der Beweisaufnahme anzupassen
und bei der abschließenden Entscheidungsfindung allein auf das
Ergebnis der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der Aus-
führungen in den Schlußvorträgen abzustellen, sind Berufsrichter
in der Lage. Soweit die Hauptverhandlung und die Urteilsberatung
die - ggf. fortgeschriebenen - Vorüberlegungen bestätigt haben,
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kann der Vorsitzende bei der mündlichen Urteilsbegründung
selbstverständlich auf entsprechende Aufzeichnungen zurückgrei-
fen und diese dann auch verlesen (§ 268 Abs. 2 Satz 2 1. Alt.
StPO).
Wahl Kolz Hebenstreit
Elf Graf