Urteil des BGH vom 19.11.2009

BGH (schuld, erpressung, bemessung, beurteilung, schwere, stv, begründung, stpo, strafe, bewertung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 400/09
vom
19. November 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. November 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Verden vom 19. Mai 2009, soweit es ihn betrifft, im
Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-
ben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Er-
pressung zu der Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und
deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf
die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschluss-
formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
1
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat in
seiner Antragsschrift ausgeführt:
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"Das Landgericht hat das Vorliegen schädlicher Neigungen i.S.d.
§ 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG ausschließlich mit den strafrechtlichen Vor-
belastungen des Angeklagten begründet (UA S. 20). Dieser sei in
der Vergangenheit immer wieder und 'auch erheblich' strafrechtlich
in Erscheinung getreten (a.a.O.). Die Jugendkammer hat es aber
versäumt, die Vorverurteilungen inhaltlich darzustellen, so dass ei-
ne Beurteilung, ob es sich um erhebliche Straftaten handelte, aus
denen sich auf schädliche Neigungen schließen ließe, nicht möglich
ist (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 55/09). Die bloße
Mitteilung der Verurteilungen (UA S. 3) genügt hier schon deshalb
nicht, da sich aus den erwähnten jugendstrafrechtlichen Sanktionen
keine unmittelbaren Schlüsse auf 'erhebliche' Straftaten ziehen las-
sen.
Die Feststellung schädlicher Neigungen bedarf zudem des Nach-
weises schon vor der Tat bestehender Persönlichkeitsmängel, die
auf die Tat Einfluss hatten, im Zeitpunkt der Entscheidung noch be-
stehen und weitere Straftaten befürchten lassen (BGHR JGG § 17
Abs. 2 schädliche Neigungen 5 m.w.N.; BGH StV 1998, 331; Brun-
ner/Dölling JGG 11. Aufl. 2002 § 17 Rdn. 12 m.w.N.). Die knappen
Angaben zur Person des Angeklagten (UA S. 3) reichen hierzu
nicht aus. Gerade angesichts der vom Landgericht im Rahmen der
Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung angeführten
positiven Aspekte (UA S. 22) hätte die Annahme schädlicher Nei-
gungen einer eingehenden Begründung bedurft.
Die Verhängung einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld
wird von der knappen Begründung im Urteil nicht getragen. Die
Kammer stützt ihre Bewertung ausschließlich darauf, dass der An-
geklagte einen Verbrechenstatbestand verwirklicht hat und es sich
bei der abgeurteilten Tat um ein Gewaltdelikt der schweren räuberi-
schen Erpressung handelt (UA S. 21). Bei der Beurteilung der
Schuldschwere i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG kommt jedoch dem
äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zu.
Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d.h. inwieweit sich die
charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotiva-
tion des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer
Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der
Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Per-
sönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden
können (BGHSt 15, 224, 226; 16, 261, 263; BGHR JGG § 18 Abs. 2
Tatumstände 2; Senat NStZ-RR 2001, 215, 216). Ausführungen
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hierzu enthält das Urteil nicht, so dass nicht ausgeschlossen wer-
den kann, dass die Kammer unmittelbar vom äußeren Unrechtsge-
halt auf die 'Schwere der Schuld' i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG ge-
schlossen hat.
Auch die konkrete Strafzumessung (UA S. 21) begegnet Bedenken,
da aus den Urteilsgründen nicht erkennbar ist, ob die Jugendkam-
mer sich hierbei gemäß § 18 Abs. 2 JGG vorrangig am Erziehungs-
zweck orientiert hat. Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Er-
ziehungsgedankens in den Urteilsgründen genügt nicht (BGH StV
1998, 335; vgl. Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. 2002 § 17 Rdn. 7a).
Das Landgericht gibt zwar an, dass es sich bei der Bemessung der
Jugendstrafe in erster Linie von erzieherischen Erwägungen habe
leiten lassen (UA S. 21). Nachfolgend werden jedoch ausschließlich
Zumessungserwägungen mitgeteilt, die auch im Erwachsenenstraf-
recht maßgeblich sind. Auch an anderer Stelle des Urteils finden
sich keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Be-
messung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks be-
achtet hat.
Schließlich hat es das Landgericht unterlassen, den Vollstre-
ckungsstand der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Syke vom
25. November 2008 (UA S. 3) mitzuteilen. Das neue Tatgericht wird
zu prüfen haben, ob die verhängte Strafe nach §§ 105 Abs. 2, 31
Abs. 2 JGG einzubeziehen ist."
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Dem verschließt sich der Senat nicht.
3
Becker
RiBGH von Lienen befindet sich
Sost-Scheible
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
Becker
Schäfer Mayer