Urteil des BGH vom 11.11.2008

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 26/08
vom
11. November 2008
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen
Hermanns und Dr. Milger und den Richter Dr. Achilles
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der
5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 14. März 2008
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-
rückverwiesen.
Wert: 289,49 €.
Gründe:
I.
Nach dem zwischen den Parteien in einem Mietrechtsstreit ergangenen
Urteil des Amtsgerichts Ottweiler haben die Klägerin von den außergerichtli-
chen Kosten des Beklagten zu 2 einen Anteil von 79 % und der Beklagte zu 2
von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin einen Anteil von 11 % zu tra-
gen. Das Amtsgericht hat auf die von den Parteien beantragte Kostenausglei-
chung die für den ersten Rechtszug von der Klägerin nach Maßgabe der ange-
meldeten außergerichtlichen Kosten an den Beklagten zu 2 zu erstattenden
Kosten durch Kostenfestsetzungsbeschluss III vom 5. Juni 2007 auf 1.015,85 €
festgesetzt. Dem zugrunde gelegen hat unter anderem eine von beiden Partei-
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en jeweils zur Ausgleichung angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach § 13
Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG. Dagegen hat sich die sofortige Be-
schwerde der Klägerin gerichtet, mit der sie geltend gemacht hat, dass die bei
den Parteien angefallene außergerichtliche Geschäftsgebühr auf die gerichtli-
che Verfahrensgebühr hätte angerechnet werden müssen.
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Das Landgericht hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen. Hier-
gegen wendet diese sich mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Rechtsbe-
schwerde.
II.
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die vorprozes-
sual wegen desselben Gegenstandes angefallene Geschäftsgebühr könne im
Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens nur unter besonderen, hier nicht
gegebenen Voraussetzungen (Titulierung, Begleichung oder Unstreitigkeit des
Anrechnungseinwandes) berücksichtigt werden.
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2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsbe-
schlüsse vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, Tz. 6 ff., und
vom 3. Juni 2008 - VIII ZB 3/08, WuM 2008, 618, Tz. 4; Beschluss vom 30. April
2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095, Tz. 4; Beschluss vom 3. Juni 2008
- VI ZB 55/07, AGS 2008, 441; Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, AGS
2008, 377; Beschluss vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07, Tz. 6 ff.; Be-
schlüsse vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 und VII ZB 23/08, jew. Tz. 5;
Urteil vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07, Tz. 12; Beschluss vom 2. Okto-
ber 2008 - I ZR 30/08, Tz. 10) vermindert sich durch die anteilige Anrechnung
einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfah-
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rensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG
nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, son-
dern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG
anfallende Verfahrensgebühr. Das ist wegen § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
ZPO auch im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Rücksicht darauf zu beachten,
ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner
erstattet werden muss und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder be-
reits beglichen ist. Der Senat sieht angesichts des klaren Wortlauts der genann-
ten Anrechnungsbestimmung keine Veranlassung, hiervon abzurücken.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt danach zu Recht, dass die Vorinstanzen
die zur Ausgleichung angemeldeten 1,3-Verfahrensgebühren nach Nr. 3100 VV
RVG ungekürzt in Ansatz gebracht haben. Diese Verfahrensgebühren hätten
wegen einer Anrechnung der Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV RVG, die
bei den auch vorprozessual in dieser Sache schon tätig gewordenen Prozess-
bevollmächtigten angefallen sind, gekürzt werden müssen. Zum Ausmaß einer
Kürzung bedarf es jedoch weiterer Feststellungen zu dem nach Teil 3 Vorb. 3
Abs. 4 Satz 3 VV RVG maßgeblichen Wert des Gegenstandes, der in das ge-
richtliche Verfahren übergegangen ist. Denn dem Parteivorbringen ist zu ent-
nehmen, dass vorprozessual noch unterschiedlich hohe Forderungen in gerin-
gerer Höhe als die Klageforderung geltend gemacht worden sind.
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c) Die Sache ist nach alldem unter Aufhebung der angefochtenen Ent-
scheidung an das Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung zurückzuver-
weisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).
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Ball
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Ottweiler, Entscheidung vom 05.06.2007 - 16 C 459/05 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 14.03.2008 - 5 T 41/08 -